Xaver Baum hatte noch nie Probleme mit seinem Nachnamen. Der 77-Jährige war früher Handwerker, heute lebt er mit Frau Regine in Gemünden im Ruhestand. Im Februar aber dachte wohl ein Mitarbeiter der Internetseite „www.Gewerbeauskunft-Zentrale.de“, dass Baum eine Baumschule haben könnte. Jetzt soll Xaver Baum (Vorname geändert) 1000 Euro für einen Eintrag auf „www.Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ zahlen – ein Eintrag, den er nie wollte, für eine Baumschule, die er nicht hat.
Der Betreiber der Internetseite ist das Düsseldorfer Unternehmen GWE GmbH. Die GWE betreibt schon seit Jahren Abzocke mit einem Internetportal, auf dem sich Unternehmen registrieren können. Ihre Masche: Die Gewerbeauskunft-Zentrale verschickt an kleine und mittelständische Unternehmen in ganz Deutschland Formulare zur „Erfassung gewerblicher Einträge“. Auf den ersten Blick sehen die Formulare aus wie Behördenschreiben: das gleiche Umweltpapier, ein einfacher Briefkopf und ein paar Zeilen mit Kontaktdaten, die der Empfänger bestätigen soll.
Nur wer genau hinsieht, entdeckt im Kleingedruckten, dass es sich um einen Vertrag handelt, der Geld kostet. Aktuell sind es 569,06 Euro im Jahr, Mindestlaufzeit zwei Jahre. Ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, dass vergleichbare Angebote, zum Beispiel „www.gelbeseiten.de“, kostenlos sind. Auch in den vergangenen Monaten sind wieder Tausende Formulare verschickt worden, und immer wieder fallen Menschen darauf herein. Auch die Main-Post hat schon mehrfach über das Vorgehen und über Betroffene in Mainfranken berichtet.
Geschockt von Rechnung
Als Xaver Baum das Formular ins Haus flatterte, hielt er es für ein Schreiben der Stadtverwaltung: „Ich dachte, dass das irgendetwas mit dem Telefonbuch zu tun hat“, sagt er. Da er nie ein Gewerbe hatte, strich er Adresse und Telefonnummer durch, notierte „bitte löschen“ daneben und schickte das Formular zurück. So auch, als wenige Wochen später das zweite Schreiben kam. Mit seiner Unterschrift habe er nur klarstellen wollen, dass er kein Gewerbe habe, sagt er. Umso größer war der Schock, als kurz darauf die Rechnung kam, zahlbar binnen weniger Tage. Die GWE droht darin sogar mit Zwangsvollstreckung.
Das Unternehmen interpretiert Baums Antwort als Vertragsabschluss: „Wir haben ihn in die Datenbank aufgenommen, weil er seine Adresse eingetragen und unterschrieben hat“, sagt Peter Ortmann, der bei der GWE die Presseanfragen beantwortet. Dass der Rentner eine Baumschule habe, habe die Firma auf einer anderen Internetseite gelesen.
Sogar Vereine und gemeinnützige Organisationen trifft es. Das katholische Pfarramt in Langenprozelten etwa steht auch auf „www.Gewerbeauskunft-Zentrale.de“. Eine Mitarbeiterin, die dazu nicht einmal berechtigt war, hatte unterschrieben. Nun soll das bischöfliche Ordinariat die Rechnung begleichen. In Würzburg ist man dazu aber nicht bereit. Die Ansprüche seien unbegründet, sagt Sprecher Bernhard Schweßinger: „Die Diözese Würzburg wird es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen.“
Dabei sollte rechtlich längst alles geklärt sein. Im Februar hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die GWE-Formulare verboten. Der Grund: Die Überschrift „Gewerbeauskunftszentrale“ deute auf eine amtliche Tätigkeit hin. Die GWE spiele etwas vor, was sie nicht sei, und verstoße damit gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Geklagt hatte der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW).
Trotzdem verschickt die GWE weiter Formulare – in einer leicht veränderten Form: Statt der monatlichen Kosten steht nun der Jahresbetrag im Kleingedruckten. Die Überschrift lautet nicht mehr nur „Gewerbeauskunft-Zentrale“, sondern „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“. Peter Solf, Mitglied der Geschäftsführung des DSW, hält das für Augenwischerei: „Ich glaube nicht, dass die Änderungen ausreichen“, sagt er. Der DSW hat deshalb ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 000 Euro beantragt. Die GWE sieht das natürlich anders: „Wir haben alle Punkte, die im Urteil beanstandet wurden, geändert“, so Peter Ortmann. Damit sei alles legal. „Außerdem war das Düsseldorfer Urteil ein wettbewerbsrechtliches, das die einzelnen Verträge nicht betrifft.“
Am besten gar nicht reagieren
Aber auch Betroffene haben gute Chancen, gegen die GWE Recht zu bekommen. Claus Hebeler, Anwalt aus Marktheidenfeld, sagt, es gebe genug Urteile, in denen die GWE bereits unterlegen sei. Außerdem lasse es das Unternehmen nur selten auf einen Prozess ankommen. Mandanten rät er, die Rechnungen auf keinen Fall zu begleichen, „auch wenn das Inkassounternehmen kommt.“
Auch die Baums aus Gemünden haben die Rechnungen nicht beglichen. Heute denken sie, dass sie am besten schon auf das erste Schreiben nicht geantwortet hätten: „Wir waren viel zu naiv“, sagt Regine Baum. Ihr Mann ist mittlerweile zur Polizei gegangen und hat die GWE angezeigt. Nun hofft er, dass endlich Schluss mit den Rechnungen ist. „Aber ob das alles schon ausgestanden ist, weiß natürlich keiner.“
ONLINE-TIPP
Weitere Fälle und mehr Informationen zur Gewerbeauskunft-Zentrale unter www.mainpost.de/regional/main-spessart/gemuenden