Mit mehr als 100 Zuhörern voll besetzt war der Speisesaal des Kreiskrankenhauses am Mittwochabend, als der neue Chefarzt der Neurologie, Peter Kraft, über Vorbeuge für und Behandlung des Schlaganfalls referierte.
Der Schlaganfall ist seinen Worten nach eine Volkskrankheit. In Deutschland gebe es jährlich 260 000 bis 270 000 Fälle. Das tückische am Schlaganfall sei, dass er das Gehirn schnell schädige; pro Minute verliere der unbehandelte Patient 1,9 Millionen Nervenzellen.
Beim Schlaganfall handelt es sich laut Kraft um eine plötzliche Störung der Hirnfunktion durch gestörte Hirndurchblutung. In 85 bis 90 Prozent der Fälle sei eine Minderdurchblutung durch Verschluss eines Hirngefäßes mit einem Blutgerinnselpfropfen die Ursache (ischämischer Schlaganfall), in 10 bis 15 Prozent der Fälle eine Hirnblutung (hämorrhagischer Infarkt).
Symptome des Schlaganfalls können laut Kraft einseitige schmerzlose Lähmungen sein, Sprachstörungen, Sehstörungen, einseitiges Taubheitsgefühl, Gangunsicherheit, Schwindel und Übelkeit sowie beim hämorrhagischen Infarkt auch Kopfschmerzen.
Männer sind laut Kraft etwas öfter vom Schlaganfall betroffen als Frauen, alte Menschen mehr als junge. Gegen diese Risikofaktoren könne man nichts machen, genauso wenig wie gegen familiäre Disposition.
Risikofaktoren eindämmen
Allerdings gebe es weitere Risikofaktoren, gegen die man durchaus etwas machen könne. Kraft nannte hohen Blutdruck, Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, Diabetes, Vorhofflimmern und Rauchen. Menschen mit diesen Risikofaktoren riet er zu mediterraner Ernährung, Bewegung, medikamentöser Behandlung und Verzicht auf Tabakkonsum.
Behandelt wird ein Schlaganfall laut Kraft in einer „Stroke Unit“ von einem multidisziplinären Team. Dies bringe gegenüber der Behandlung auf einer Normalstation wirklich etwas; die Überlebenswahrscheinlichkeit sei dort für den Patienten deutlich höher; auch langfristig gesehen ergäben sich Vorteile für den Betroffenen.
Wurde der Schlaganfall durch ein Blutgerinnsel im Hirn ausgelöst, kann dieses Kraft zufolge gegebenenfalls medikamentös aufgelöst werden. Der Haken an der Sache sei, dass die Ärzte dafür ein enges Zeitfenster hätten. Dieses Verfahren sei nur innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn möglich, weil danach die Gefahren den Nutzen überwögen, da das Gewebe bereits abgestorben sein könne.
Zügig helfen
Je länger der Patient brauche, um ins Krankenhaus zu kommen, desto geringer werde der Nutzen der Therapie, so Kraft. „Also gleich kommen, nicht warten.“ Man solle nicht erst zum Hausarzt gehen, sondern gleich die Notfallnummer 112 anrufen.
Die Stroke Unit am Kreiskrankenhaus Lohr hat laut Kraft sieben Betten (im geplanten Zentralklinikum sollen es seinen Worten nach acht werden) und ist seit 2003 zertifiziert. Die Rezertifizierung erfolge alle drei Jahre, im Juli dieses Jahres sei es wieder so weit.
Jedes Jahr würden in Lohr rund 600 Schlaganfallpatienten behandelt, sagte Kraft. In mehr als 80 Fällen könne eine Behandlung zur medikamentösen Auflösung des Blutgerinnsels erfolgen, weil die Patienten schnell genug eingeliefert würden.
Laut Kraft gibt es in Deutschland derzeit knapp 300 zertifizierte Stroke Units. Dennoch gebe es Behandlungen, die nur in sehr wenigen Krankenhäusern ausgeführt werden könnten. Die Wiederöffnung verschlossener Blutgefäße durch mechanische Rekanalisation werde fast nur an Unikliniken gemacht, so Kraft. In solchen Fällen werde der Patient nach Würzburg verlegt. Das Kreiskrankenhaus Lohr ist seinen Worten nach an ein Schlaganfall-Netzwerk angeschlossen.
Ein Mann bemängelte, dass die Nachsorgesituation nach einem Schlaganfall in der Region sehr schlecht sei, weil man kaum einen Neurologen finde. Kraft räumte ein, dass diese Fachärzte im ländlichen Raum oft große Gebiete zu versorgen hätten und befürchtete, dass die Lage in Zukunft eher noch schlechter werde. Nach einem Schlaganfall sei eine Nachbehandlung über ein Jahr hinweg sinnvoll. Diese Therapien könne theoretisch aber auch ein Hausarzt verschreiben, so Kraft.
Ein anderer Mann erkundigte sich danach, ob ein Patient mit beginnender Parkinson-Krankheit die Möglichkeit habe, sich im Kreiskrankenhaus behandeln zu lassen. Derzeit habe das Krankenhaus keine Kassenzulassung für ambulante Patienten, so Kraft. Lediglich bei Privatpatienten sei dies möglich.