„Es ist viel los in Main-Spessart“. Dieses Lob über die Integration von Menschen mit einer Behinderung verteilte Irmgard Badura bei ihrem Vortrag im Festsaal des Gemündener Kreuzklosters. Die Beauftragte der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung hatte sich zuvor in Einrichtungen im Landkreis ein Bild über den Stand der Inklusion gemacht.
Vor allem die Barrieren in den Köpfen und Herzen der Menschen gelte es zu beseitigen, so Badura. Auch bei den Behörden und Einrichtungen. Als Beispiel nannte sie, dass viele Broschüren, die eigentlich helfen sollen, in einer unverständlichen Sprache verfasst werden und für Frust sorgen.
Es sei auch ein langer Weg, bis die notwendigen Induktionsschleifen für Hörgeschädigte eingerichtet und Dolmetscher für Gebärdensprache bei Veranstaltungen selbstverständlich sind, mahnte Badura, die ihre Tätigkeit seit Januar 2009 zunächst ehrenamtlich und seit 11. September 2014 hauptamtlich ausübt.
Für die zehn Prozent der Menschen im Freistaat, die mit einer Behinderung leben, gelte es, die UN-Behindertenkonvention von 2011 zügig umzusetzen. Der Landkreis Weilheim-Schongau habe als erster konsequent mit der Umsetzung begonnen.
„Wird über Inklusion und Barrierefreiheit gesprochen, sind meist Kindergärten und Schulen die Themen“, skizzierte Bezirksrat Johannes Sitter die aktuelle Situation. Inklusion und Barrierefreiheit sei aber mehr. „Inklusion heiße in einfacher Sprache ausgedrückt: Alle Menschen sind selbstverständlich dabei. Kein Mensch wird ausgeschlossen.“
Inklusion und Barrierefreiheit mit Inhalten füllen und mit Augenmaß umsetzen, gehöre zum „Masterplan 2030“ für einen „Sozialen Landkreis“, so der CSU-Kreisvorsitzende Thorsten Schwab. Es sei das Ziel, „Menschen mit Behinderung die gleichen Chancen angedeihen zu lassen, wie allen anderen.“ Zudem regte Schwab an, für Einrichtungen, Kommunen und Landkreise, die sich besonders erfolgreich um die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention kümmern, mit einem Siegel oder einem Prädikat kenntlich zu machen.
Betroffene schilderten bei der anschließenden Diskussion Fälle aus ihrem Alltag. „Die Unterschrift unter die UN-Behindertenkonvention war kostenlos, alles andere aber kostet viel Geld“, so überschrieb der Rektor eines Gymnasiums die Umsetzung der Vereinbarungen. An seiner Schule weigerte sich das Landratsamt Würzburg, wo eine Schülerin wohnt, die Kosten für den Transport des behinderten Mädchens in das Schullandheim zu übernehmen, wo ihre Klasse untergebracht war. In einem anderen Fall war der Sachbearbeiter mit der Verlängerung der Zuteilung von Betreuungsstunden für einen Schüler überfordert und kürzte diese vorsichtshalber.
Mehrfach klagten Vertreterinnen aus Kindergärten über das Prozedere beim Stellen von Wiederholungsanträgen für die Zuteilung von Betreuungsstunden für Kinder mit Behinderung. So könne das benötigte Personal oft nicht oder nicht rechtzeitig vorgehalten werden, weil die Bearbeitung unnötig lange dauert.
Der Vorsitzende eines Elternbeirates, selbst Rollstuhlfahrer, hat die Erfahrung gemacht, dass oft zunächst von den Behörden geprüft wird, ob nicht jemand anderes für eine Maßnahme zahlen muss. Sein Appell: „Vieles kann jeder selber machen“. Anstatt nach Verboten zu rufen, sollte jeder beispielsweise die einfachsten Regeln der Straßenverkehrsordnung beachten und sein Fahrzeug so parken, dass auch Menschen mit Rollstühlen, Rollatoren, Gehhilfen oder Kinderwagen passieren können.
Irmgard Badura
Die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung wurde am 5. Januar 1973 in Amberg geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Nürnberg. Die „Botschafterin für Menschen mit Behinderung“ hat von Geburt an eine degenerative Netzhauterkrankung, so dass sie langsam erblindet.
Als Bachelor schloss sie im April 2009 ein Studium in „Politik- und Verwaltungswissenschaften“ an der Fern-Universität Hagen ab. Viele Jahre setzte sie sich ehrenamtlich für die Verbesserung der Lebensbedingungen vor allem der Menschen mit einer Sehbehinderung ein. hn