Es war am Ende für die Zuhörer ein glücklicher Moment, dass sich der Stucksaal des Homburger Gebsattel-Schlosses am Samstagabend nicht vollends füllen wollte. Denn die schwülen Wetterverhältnisse setzten den historischen Tasteninstrumenten wie den Gästen etwas zu. Aber letztlich ließ das brillante Konzert der 1978 in Antwerpen geborenen Pianistin Els Biesemans, das sicher unter die Höhepunkte der langjährigen Schlosskonzerte zu zählen ist, über manche Widrigkeit hinwegblicken
Hausherr Michael Günther hatte seine Kollegin eingeladen und sie bewunderte die hervorragende Sammlung spielbereiter, historischer Original-Instrumente in Homburg. „Sturm und Drang“ lautete das Thema eines Abends, bei dem die Entwicklung des Klavierspiels in Klassik und Romantik deutlich wurde.
So war mit dem Italiener Muzio Clementi (1752-1832) ein heute etwas unbekannterer Zeitgenosse Mozarts an den Beginn des Programms gesetzt worden, der die Technik des Musizierens am Hammerflügel wesentlich beeinflusste. Sein Capriccio a-Moll (Op. 35) interpretierte Biesemans spielerisch und ließ die ausgeprägte Improvisationskunst jener Zeit erahnen. Virtuos hatte der Komponist die bewegte Sonate in ES-Dur (Op. 12 Nr. 4) geschaffen, die der Spezialistin für historische Aufführungspraxis an Klavier und Orgel eine technisch bereits sehr anspruchsvolle Gestaltung ihres Anschlags abverlangte.
Mit „Sturm und Drang“ veränderte Ludwig van Beethoven (1770-1827) die musikalische Welt seiner Zeit. „Er wollte die Grenzen sprengen, mehr Tasten, größere Instrumente, lauter spielen“, so fasste Biesemans ihre Eindrücke zusammen und lieferte mit der berühmten „Waldstein-Sonate“ (Nr. 21, C-Dur) einen ausdrucksstarken Beleg ihrer These. Für viele Gäste war das das musikalische Glanzlicht an diesem Abend.
Wurden die Werke bis dahin auf einem gerade restaurierten Stuttgarter Hammerflügel aus dem Jahr 1815 präsentiert, folgte nun ein Wechsel an einen zehn Jahre älteren Giraffenflügel aus Bamberg. Dieser bietet zusätzliche Kraft in den tiefen Lagen, allerdings ist er technisch etwas „bockiger“ und die schwingenden Klänge dringen weniger frei ans Ohr des Zuhörers.
Robert Schumanns Kreisleriana gelten als ein Schlüsselwerk romantischen Musikempfindens. Der Name greift E. T. A. Hofmanns fiktive Figur eines Kapellmeisters aus, der als Inbegriff des Künstlertums jener Tage gelten sollte. Els Biesemans stellte eine Auswahl von fünf Sätzen aus dem Zyklus vor, in dem Schumann auch ein musikalisches Portrait seiner künftigen Frau Clara entwerfen wollte. Die Pianistin erfüllte den höchst unterschiedlichen Charakter der Stücke in fingerfertig-virtuoser Technik mit einem Höchstmaß an Ausdruck und Leben. In einigen Passagen wirkten einzelne Elemente unerhört modern, in anderen Passagen glaubte man, noch barocke Anklänge zu hören.
Das Publikum erklatschte sich begeistert drei Zugaben und freute sich über Michael Günthers Versprechen, Els Biesemans noch weitere Male aus ihrem Wohnort Zürich an den Main einzuladen.