Bayerstürmer
Lohr ist halt doch einzigartig. Das haben die Stadt und ihre Bewohner in dieser Woche einmal mehr bewiesen. Denn wo sonst kommt es in Zeiten des von magersüchtigen Models geprägten Schönheitsideals vor, dass eine gut vier Zentner schwere Frau Begeisterung entfacht? Die Lohrer jedoch haben da keine Berührungsängste. Jedenfalls hat das Kuscheln und Heranrücken keine Ende, seit das neue Schneewittchen auf ihrer Parkbank in der städtischen Anlage Platz genommen hat. Es ist aber auch adrett. Das Gewicht sieht man der Märchengestalt auch nicht an.
Ganz im Gegenteil, grazil und fast zerbrechlich wirkt das von Bettina Seitz gestaltete Schneewittchen, womit es einen ganz wunderbaren Kontrast liefert zum knorzigen Wittstadt-Schneewittchen. Mit dem haben die Lohrer bekanntlich nach der ersten Begegnung ziemlich gefremdelt. Mittlerweile hat sich der Schrecken weitgehend gelegt, was auch damit zu tun haben dürfte, dass man gemerkt hat, welch genialer Werbecoup der Stadt beim 1. Lohrer Kunstpreis mit der Entscheidung für die verschrobene Gestalt gelungen ist, wenn auch unfreiwillig.
Jedenfalls ist aus der Sache eine ganz wunderbare Entwicklung erwachsen. Die Lohrer haben Schneewittchen mehr denn je ins Herz geschlossen. Die ganze Integrationskraft rund um die Märchengestalt zeigt das nachfolgende Bild (Foto: Hegel), entstanden bei der Serenade der Stadtkapelle in der Anlage.
Schneewittchen, eine echte Löhrerin also.
Während die Lohrer durch das Wittstadt-Schneewittchen gelernt haben, das Beurteilen von Schönheit nicht so bierernst anzugehen, könnte es in dieser Hinsicht schwierig werden, wenn erst mal der Schneewittchenspiegel an der Kellereischeune aufgehängt und befragt wird, wer denn nun die Schönste im Lande sei. Denn ein Spiegel lügt bekanntlich nicht. Vielleicht sollte der Lohrer Spiegel von Anfang an zum sprechenden Spiegel aufgerüstet werden, um Besuchern Trost spenden zu können: „Die Schönste bist nur du allein, wenn du bist allein daheim“, könnte es via Lautsprecher aus dem Spiegel flüstern. Oder: „Ich bin ein Spiegel, tritt näher heran, dann siehst du, was ich sehen kann.
“ Wenn der Anblick gar zu schlimm ist, könnte der Spiegel womöglich mit folgender Aussage Schaden von sich abwenden: „Eine Antwort, glaube mir, ist nicht möglich, jetzt und hier.“ Oder: „Ich, der Spiegel, bin jetzt still, weil ich noch länger leben will.“ In diesem Sinne wünscht er ein schönes Wochenende und schweigt jetzt, Euer Bayerstürmer (jun)