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Bayerstürmer: Land der ungeahnten Möglichkeiten
jun
 |  aktualisiert: 23.12.2015 12:08 Uhr

Bayerstürmer

Wie jedes Jahr, wenn im Frühling die Temperaturen steigen, hat sie wieder begonnen: die Zeit der Krötenwanderung. Allüberall tragen Helfer die Tierchen in Eimern über die Straße, um zu verhindern, dass sie unter die Räder kommen. Der nun folgende Gedankensprung mag ein wenig gewagt sein, sei aber dennoch gestattet: Das gleiche Schicksal wie den Kröten droht manchem Verein und manch alteingesessener Tradition. Auch sie könnten irgendwann unter die Räder kommen, und zwar dann, wenn nicht genug Kröten wandern – in die jeweilige Kasse, die dazu da ist, laufende Kosten zu decken.

Betrachten wir beispielsweise die Karfreitagsprozession. Sie ist seit Jahrhunderten fester Bestandteil im Lohrer Jahreslauf – eben weil immer genug Mittel zusammengetragen werden konnten, um die einzelnen Figuren zu pflegen, bei Bedarf zu reparieren oder zu ergänzen.

Doch kann man sich darauf verlassen, dass das ewig so bleiben wird?

Vor dem Hintergrund dieser Frage gebührt der Christlich Sozialen Union (CSU) aufrichtiger Dank.

Auf den ersten Blick hätte man der Bayerischen Staatspartei in dieser Woche fast ein bisschen böse sein können. Böse dafür, dass sie ohne zu fragen ein Bild der Karfreitagsprozession hergenommen, ihr eigenes Parteilogo draufgepappt und beides zusammen ins Internet gestellt hat. Ein solches Gebaren könnte man als freche Vereinnahmung einer von Anderen gepflegten Tradition interpretieren.

Doch damit täte man der CSU sicher unrecht. Denn wahrscheinlich war die Aktion mit dem Parteilogo auf dem Prozessionsbild nur ein gut gemeinter Hinweis an die Lohrer. Die CSU wollte schlicht vor Augen führen, wie man mit der Karfreitagsprozession ohne großen Aufwand Kröten einsammeln kann, um den Fortbestand der Prozession auf alle Zeiten zu sichern: durch Vermarktung.

Man muss den von der CSU gegebenen Gedankenanstupser nur dankbar aufnehmen, um schnell zu erkennen, dass sich aus der Karfreitagsprozession tatsächlich eine hübsche Melkkuh machen lassen könnte. Betrachten wir nur einige der Stationen. Beispielsweise „Jesus am Ölberg“. Müsste es nicht möglich sein, aus dem Kreise der Mineralölkonzerne einen Sponsor zu finden, der bereit ist, für ein entsprechendes Entgelt sein Logo auf die Steinmauer kleben zu lassen, vor der die Jesusfigur kniet? Oder die Station „Ecce Homo“ – sehet, der Mensch. Für sie könnte ein Optikerfachgeschäft seinen Namen und Sponsorengeld hergeben.

Mit den „Fünf Wunden Jesu“ könnte das Klinikum Main-Spessart werbetechnisch auf sich aufmerksam machen. Der „Kreuzschlepper“ böte sich für Fitnessstudios oder Physiotherapeuten als Werbefläche an, das „Heilige Abendmahl“ für die Gastronomiebranche und die „Kleiderberaubung“ für den Textileinzelhandel.

Mit etwas Einfallsreichtum ließen sich sicher auch alle übrigen Figuren geldbringend vermarkten.

Als Dank für den ertragreichen Gedankenanstoß sollte jedoch eine Figur dauerhaft der CSU für deren Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden. Wie wäre es beispielsweise mit der „Verspottung Jesu“, fragt sich Euer Bayerstürmer (jun)

 
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