Einmal vor Zehntausenden Zuschauern auf dem heiligen Rasen des FC Bayern stehen – das haben 1986 einige Burgsinner, Mitglieder des FC Bayern München Fanclubs Burgsinn 1980, erlebt. Und sie standen da nicht nur, sondern gewannen in einem „Shoot Out“ in der Halbzeitpause des Spiels Bayern gegen Bochum im Münchner Olympiastadion obendrein gegen einen anderen Fanclub. Während die Bayern durch Tore von unter anderem Rummenigge, Matthäus und Augenthaler 6:1 gewannen, obwohl die Bochumer den späteren Torschützenkönig Stefan Kuntz in ihren Reihen hatten, siegten die Burgsinner mit 3:2.
„Das war schon was ganz Besonderes, im Olympiastadion Fußball zu spielen“, berichtet der Fanclub-Schriftführer Roland Herget. Auf der großen Stadion-Anzeigetafel in riesigen Lettern der Name Burgsinn, der Applaus Tausender Zuschauer. Beim „Shoot Out“ lief immer ein Spieler von der Mittellinie mit dem Ball an und hatte zehn Sekunden Zeit zum Torschuss. Je fünf Feldspieler und der Torwart traten an. Zwar ging ein Burgsinner Schuss Richtung Eckfahne, aber Anton Klübenspies, von Beginn an Kassier im Fanclub, konnte dafür drei Schüsse abwehren.
Der Burgsinner Bayern-Fanclub ist nach dem Frammersbacher, der nur ein paar Tage voraus ist, der älteste im Landkreis Main-Spessart. 29 Burgsinner, geschätzter Altersdurchschnitt: 20, gründeten ihn am 30. August 1980 in der Gastwirtschaft Schelbert („Bei Conny“). Damals, in den 80ern, ging es noch etwas anders zu im deutschen Profifußball, berichten Schriftführer Herget und Kassier Klübenspies, beide Gründungsmitglieder, in einem Gespräch mit der Main-Post. Damals seien Grätschen an der Tagesordnung gewesen. „Es wird viel mehr abgepfiffen heute“, hat Bayern-Fan Roland Herget beobachtet. Zudem werde heute „gleich genäht und getackert“. „Damals hast du halt einen Verband drangekriegt und es ist weitergegangen.“
Auch selbst war man vor 30 Jahren noch etwas wilder. „Da sind erstmal 15 Kästen Bier in den Bus geladen worden“, erzählt Anton Klübenspies. Heute seien es vielleicht noch fünf bis sechs. Im Bus war Stimmung, Lieder wurden geschmettert. Aber bei so viel Bier blieb auch der ein oder andere auf der Strecke: „Manche“, erinnert sich der 57-jährige Klübenspies, „haben im Stadion geschlafen, weil sie so viel Bier getrunken hatten.“ Aber, das betonen die beiden, es sei nicht ausgeartet, wie sie es heute manchmal bei anderen Fanclubs erleben.
„Bei uns geht's friedlich zu, bei uns wird kein Asbach-Spender in die Windschutzscheibe gehängt.“ Und Gewalt verbietet die Vereinssatzung, bei Zuwiderhandlung folgt der Rausschmiss. Friedlich, aber lustig geht es zu bei den Burgsinnern. Einmal, so berichtet Roland Herget, fuhren sie in einem Zug zu einem Europacup-Spiel. Mit dabei der Vereinsmetzger. „Die anderen Leute haben natürlich geguckt, wie wir unseren Schwartenmagen ausgepackt haben.“ Dabei hatten sie auch einen Sack voller Weck.
Ein Erfolg aus den Anfangsjahren der Fanclub-Mannschaft war der 1. Platz bei einem Turnier in Freyung im Bayerischen Wald 1982. Weil der Organisator des Bayerwald-Cups bei der Bundesbahn in Aschaffenburg arbeitete, fuhr von dort ein Sonderzug in den Bayerischen Wald. Die Burgsinner stiegen in Gemünden zu. „Die Aschaffenburger haben sich warm gemacht vor dem Spiel“, erzählen Herget und Klübenspies. „Wir haben ein Bier getrunken.“ Das End vom Lied: „Dann haben die Bäuerlich aus dem Spessart den Pokal gewonnen.“ 1990 stand der Fanclub dann erneut im Olympiastadion auf dem Rasen. Beim deutschlandweiten Opel Cub der Fanclubs belegten die Burgsinner den dritten Platz.
1982 ging der Bayern-Fanclub auch einmal fremd, zumindest was die Sportart anbelangt. Damals war die große Zeit der Handballer des TV Großwallstadt. Also fuhren die Burgsinner zum Saisonfinale hin und feierten anschließend mit den Großwallstädtern die Deutsche Meisterschaft. Die Burgsinner waren sogar im Fernsehen zu sehen, weil sie es waren, die die Handballer auf den Schultern trugen.
Wie es war, wenn sie nicht zu Spielen fahren konnten, beschreib Roland Herget so: „Samstagnachmittag, wenn du vom Schaffen irgendwann heimgekommen bist, hast du dich in die Badewanne gelegt und den Radio angemacht.“ Und abends gab's die Sportschau. So „Pfürz“ wie Live-Übertragung von Bundesligaspielen im Fernsehen gab es damals noch nicht. Anpfiff für alle Spiele der Bundesliga war damals samstags um 15.30 Uhr. Weil das so war, konnte man als Fanclub damals noch ein Rahmenprogramm planen, etwa eine Brauereibesichtigung vor dem Spiel. Da man heute erst drei Wochen vorher erfahre, wann genau ein Spiel ist, lässt sich so etwas nicht mehr planen, beklagt Herget.
Was er auch beobachtet hat: Heute gibt es vielmehr „Klimbim“ für Bayern-Fans, jedes Fanclub-Mitglied bekommt einen ganzen Katalog zugeschickt mit Dingen wie FCB-Waffeleisen, FCB-Klopapier und FCB-Kinderstrumpfhosen. In den Anfangsjahren hab es halt einen Schal, ein Trikot und vielleicht noch eine Mütze gegeben, das war's.
Ein schockierendes Erlebnis ist in den Annalen des Bayern-Fanclubs auch verzeichnet, Herget führt hier akribisch Buch. 1985 starb ein 21-jähriger Frammersbacher bei einem Fußballspiel in Wiesen ohne Fremdeinwirkung. Das Spiel gegen die Burgsinner wurde abgebrochen.
Mehr als ein Bayern-Fanclub
Von Anfang an war der Burgsinner Bayern-Fanclub mehr als ein Verein, der nur zu Bayern-Spielen fährt. Die Burgsinner wandern zusammen, grillen, kegeln und karten gemeinsam, spielen Schach. Die Geselligkeit zählt. In den 80ern, als es noch viel mehr Hobbykickerturniere gab als heute, hatte auch der Bayern-Fanclub eine eigene Mannschaft, zum Teil mit aktiven Spielern der SG Burgsinn.
Ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte war der Besuch des damaligen Bayern-Präsidenten Fritz Scherer bei der Fanclub-Weihnachtsfeier 1988. 1990 kam er zum zehnjährigen Gründungsfest wieder, mit dabei damals Bayern-Geschäftsführer Karl Hopfner, der heutige Bayern-Präsident. Dutzende Pokale sammelte der Verein bei Freizeitturnieren ein, aber auch Dinge wie einen Weinrömer vom Gambacher Weinfest als Dank fürs Kommen in zehn aufeinanderfolgenden Jahren.
Frauen waren in Burgsinn von Beginn an mit von der Partie. Heute führt mit Ulrike Volpert sogar eine Frau den Fanclub. Der Verein ist stolz darauf, in den 90er Jahren mit einer hohen fünfstelligen Summe die höchste Spende zum Bau der Burgsinner Mehrzweckhalle beigetragen zu haben. Und 2005 spendete der Fanclub einen vierstelligen Betrag für das Burgsinner Freibad.