Zur Erntedankandacht hatte der Kreisverband Main-Spessart des Bayerischen Bauerverbands in die Wallfahrtskirche "Maria im grünen Tal" nach Retzbach eingeladen. Zum Abschluss der Haupternte galt es Rückschau zu halten und für den Ertrag dankbar zu sein. Gleichzeitig feierten die rund 40 anwesenden Mitglieder, Ortsbäuerinnen und Ehrengäste das Jubiläum "75 Jahre Bayerischer Bauernverband".
Kreisobmann Reinhard Wolz wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass die Gründung des Bauernverbandes wichtig war und es immer auch schon schwierige Zeiten gab. "Aber es ging auch immer weiter und das Jubiläum ist ein Anlass zur Freude. Wir sichern die Ernährung und stärken die Landwirtschaft ", so Wolz.
Blick in die Geschichte des Bauernverbandes
Stefan Köhler, Präsident des Bayerischen Bauernverbands in Unterfranken, blickte auf 75 Jahre Agrarpolitik zurück. Gegründet wurde der Verband am 7. September 1945 und direkt nach dem Krieg hatte die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln oberste Priorität. Ein erster Grundstein war die Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957, die die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) besiegelte. 1968 war das Jahr der agrarpolitischen Reformpläne, unter anderem des Mansholt-Plans.
Heftige Widerstände durch die Bauernverbände verhinderten umfassende Rationalisierungsmaßnahmen in der europäischen Landwirtschaft, die Bildung größerer Wirtschaftseinheiten und die schrittweise Einstellung sämtlicher Subventionen. Ein Meilenstein war 1969 das Bayerische Landwirtschaftsförderungsgesetz unter Hans Eisenmann, in dem erstmals der Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft als Leistung der Landwirtschaft festgehalten wurden. Im Jahr 1984 wurde die Milchquote zur Produktionssteigerung eingeführt und 2015 wieder abgeschafft.
Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß sorgte 1987 für Aufsehen, als er in der Münchner Olympiahalle vor 14 000 Bäuerinnen und Bauern einen Jahrhundertvertrag mit der Landwirtschaft ankündigte. 2001 gab es mit Renate Künast die erste grüne Landwirtschaftsministerin. Und auch in den folgenden Jahren gab es immer wieder Agrarreformen. 2019 war das Volksbegehren "Artenvielfalt – Rettet die Bienen" das erfolgreichste Volksbegehren in der Bayerischen Geschichte. Für die Jahre 2021 bis 2027 sind weitere Agrarreformen geplant und der Bauernverband muss sich mit den Zukunftsthemen Digitalisierung, Anpassung an den Klimawandel, Flächenreduktion, Biodiversität und dem Anbau neuer Produkte befassen. Köhler forderte: "Die hohen deutschen Standards müssen auf weltweite Standards übertragen werden und wir müssen unseren Mitgliedern Änderungen besser erklären."
Dankbarkeit und Wertschätzung
Pastoralreferentin Barbara Stockmann, die die Andacht hielt, dankte den Bäuerinnen und Bauern nicht nur für die Produktion von Lebensmitteln, sondern auch für immaterielle Dinge wie Freundschaft und Liebe und für die Beratung und Bildung für die vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter durch den Verband: "Dankbarkeit und Wertschätzung tun einem selbst, aber auch anderen gut!" Musikalisch begleitete Franziska Lang an der Orgel die Andacht.
Zum Abschluss wies Kreisbäuerin Maria Hoßmann auf die Broschüre "Erntedank 2020 – 75 landwirtschaftliche Produkte mit ihren Inhaltsstoffen und Heilwirkungen" hin. Die Idee dazu stammt von Silke Behl und soll als Ersatz für die wegen Corona nicht mögliche Geburtstagsfeier dienen.