
"Wir sind hier einigermaßen glimpflich davongekommen." So hat Josef Harth, stellvertretender Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr, den sogenannten Bauernkrieg vor 500 Jahren in der Region zusammengefasst. Anderswo ging die Aufstandsbewegung alles andere als glimpflich ab, erläuterte Historiker Winfried Mogge in einer Gemeinschaftsveranstaltung mit der Volkshochschule am Dienstag in der Alten Turnhalle.
Mogges Vortrag unter dem Titel "Empörung des gemeinen Mannes wider die Obrigkeit" vor rund 70 Zuhörerinnen und Zuhörern sei nicht der erste für den Geschichts- und Museumsverein, aber der erste als Lohrer, stellte Harth fest. Der Historiker sei nach Lohr gezogen. Sein Vortrag beleuchte eine Aufstandsbewegung, die als Begriff Bauernkrieg den meisten bekannt sei, während Details den wenigsten geläufig seien.
Wegen des 500-Jahre-Jubiläums sprach Mogge von einem Thema, "dem sie in den folgenden Wochen und Monaten nicht entkommen werden". Während früher vor allem die Gewaltexzesse hervorgehoben worden seien, werde die Aufstandsbewegung heute eher positiv gesehen: wegen der Forderungen nach Freiheitsrechten und Mitbestimmung.
Der Begriff Bauernkrieg stammt laut Mogge von Zeitgenossen, wobei "Bauer" abwertend gemeint sei. Diese Kennzeichnung liege nahe, weil vor 500 Jahren 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung auf dem Land gelebt hätten. Aber auch Adelige, Geistliche, vor allem schlecht bezahlte Landpfarrer, städtische Bürger und fürstliche Beamte hätten sich an den Aufständen beteiligt. Der Bauernkrieg sei auch kein Religionskrieg gewesen.
Es habe lange gedauert, bis sich die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass die Aufstände nicht monokausal zu erklären seien: "Wirtschaftliche, soziale, politische und religiöse Motive fließen zusammen." Der Wunsch nach Veränderungen sei auch wegen apokalyptischer Ängste in der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden gefallen. Denn eine Abkühlung des Klimas mit Missernten und Unwettern habe zunehmend die Lebensgrundlagen bedroht.
Im 14. und 15. Jahrhundert habe es im Reich bereits soziale und religiöse Unruhen gegeben, die mit brutaler Gewalt niedergeschlagen worden seien, "aber die Ideen ließen sich nicht aufhalten". Durch die Reformation hätten die Ideen neue Brisanz gewonnen, durch die Erfindung des Buchdrucks seien sie verbreitet worden.
Wichtigste Schrift der Aufständischen
Mogge zitierte aus den "Zwölf Artikeln der Bauernschaft", der wichtigsten Schrift der Aufständischen, die der Historiker eine "Reihe von moderaten Reformwünschen" nannte. Es sei kein revolutionäres Programm gewesen, sondern der Wunsch nach der Rückkehr der alten Ordnung, die sich religiös begründen ließ. Die Aufständischen hätten Rechte zurückgefordert, die sich der Adel im Laufe der Jahrhunderte angeeignet habe.
So fordern die "Zwölf Artikel" die Abschaffung der drückenden Abgaben, nur der Zehnte sollte bleiben, weil er schon in der Bibel vorkommt. Die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Reduzierung und Bezahlung von Frondiensten, die Rückgabe der Jagd- und Fischereirechte an die dörflichen Genossenschaften, die Wahl der Pfarrer durch die Gemeinden und die Reform des Strafrechts sind weitere Anliegen.
Damit hätten die oberen Schichten aber ihre Lebensgrundlagen verloren. Die Aufstandsbewegung habe ihren Anfang 1524 auf dem Gebiet der heutigen Schweiz genommen und sich 1525 immer weiter nach Norden bis Franken und Sachsen ausgebreitet, bis der größte Teil des heutigen Süddeutschlands erfasst worden sei. Die Bauernhaufen hätten auf ihrem Weg Hunderte Burgen, Schlösser und Klöster zerstört.
Zwischen Ostern und Pfingsten 1525 seien bei der Gegenoffensive der Obrigkeit Tausende Bauern und Söldner in zwei brutalen Schlachten niedergemetzelt worden. Im Juli 1525 sei der Krieg zugunsten der Obrigkeit und ihrer professionellen Truppen entschieden gewesen, letzte Kämpfe habe es 1526 gegeben. Beim anschließenden Strafgericht habe es viele Hinrichtungen gegeben, so dass in manchen Dörfern keine erwachsenen Männer mehr gelebt hätten.
In Franken habe die Stadt Würzburg den Aufständischen zwar ihre Tore geöffnet, die Belagerung der Festung Marienberg sei aber gescheitert. Bischof Konrad von Thüngen sei nach der Niederlage der Aufständischen durch sein Land gezogen und habe die Anführer hinrichten lassen.
Graf verständigt sich
Für Lohr und Umgebung liegt laut Mogge kaum Quellenmaterial vor, weil hier vergleichsweise wenig passiert sei. Sowohl die Aufstandsbewegung als auch die Reaktion des Landesherrn, des jungen und unerfahrenen Grafen Philipp III. von Rieneck, seien "auffallend moderat" gewesen. Philipp habe sich mit den Bauern und Bürgern verständigt.
Nach der bisherigen Quellenlage seien in Lohr keine Gewalttaten vorgekommen. In Frammersbach habe es kleinere Kämpfe gegeben. Allerdings sei mit dem Zusammenbruch der Aufstandsbewegung auch das Ende der Zugeständnisse gekommen. Die Lohrer hätten sich kleinlaut für ihren Ungehorsam entschuldigt. Der Graf habe Lohr die städtischen Freiheiten für zehn Jahre entzogen, laut Mogge weitaus kürzer als anderswo.
Dass die Lohrer dennoch eine besondere Beziehung zum Bauernkrieg hätten, liege am Heimatdichter Nikolaus Fey, der in Lohr lebte. Von ihm stamme das Stück "Florian Geyer" über den adeligen Unterstützer des Aufstands, das 1924 drei Mal in Lohr aufgeführt worden war (mit Fey in der Titelrolle) und 1925 als Buch erschienen sei.
Die Ideen bleiben
Gewinner des sogenannten Bauernkriegs waren nach den Worten des Historikers Fürsten und hoher Adel auf dem Weg zum absolutistischen Staat, die Verlierer die Aufständischen, die ihre alten Rechte wiederhaben wollten und um Jahrzehnte zurückgeworfen worden seien. Aber die Ideen seien nicht mehr aus der Welt zu schaffen gewesen.