
"Großes Kino." So steht es zusammenfassend über die Band "Gankino Circus" im Programm des Rudolstadt-Festivals geschrieben. Bei eben diesem größten Folk- beziehungsweise Weltmusikfestival Deutschlands und einem der größten in Europa werden die vier fränkischen Musiker die begehrte Auszeichnung "Festival-Ruth" in Empfang nehmen. "Wir haben uns schon so oft beworben, um bei dem Festival überhaupt spielen zu können, und jetzt bekommen wir auch noch diesen Preis", freut sich Maximilian Eder. Er stammt aus Büchold und ist jetzt in Karlstadt beheimatet.
Die Bezeichnung "Festival-Ruth" kommt vom eingedeutschten Begriff "Root" (englisch: Wurzel), der für Musik steht, die sich auf ihre Ursprünge besinnt. Die Band wird am ersten Wochenende im Juli in der Stadt an der Sächsischen Saale gleich dreimal auftreten, dabei einmal im mehrere tausend Menschen fassenden Innenhof der Heidecksburg und einmal im Heinepark, wo die größe Bühne dieses Riesenfestivals überhaupt steht. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Festival mit 100 000 Gästen einen Besucherrekord.
Allesamt Profimusiker
Die Freude bei den Gankino-Musikern ist auch deshalb besonders groß, weil sie bei anderen Preisen schon mehrmals ein bisschen Pech hatten. Sie passen bei den Wettbewerben oft nicht so recht in die ausgeschriebenen Kategorien. "Für Kabarettpreise machen wir zu viel Musik und für Musikpreise zu viel Kabarett", schildert Maximilian Eder.
Der 34-Jährige mit dem markanten Bart hat eigentlich Schlagzeug studiert, spielt aber vor allem Akkordeon. Auch die anderen sind studierte Musiker. Das Markenzeichen von Johannes Sens (Schlagzeug, Trompete) sind die durchgeschwitzten Hemden. Simon Schorndammer gibt auf der Bühne den zu steif geratenen Saxofonisten und Klarinettisten. Gitarrist Ralf Wieland ist so etwas wie der Bandsprecher, der federführend das Publikum durchs Programm führt.
Im Würzburger Bockshorn geprobt
Diese Moderation hat bei "Gankino Circus" inzwischen dasselbe Gewicht wie die Musik. Daher haben die Ansagen auf dem neuesten Album "Die letzten ihrer Art" auch eigene Titelnummern. Sie wurden unter der Regie von Mathias Repiscus im Würzburger Bockshorn geprobt. Das neueste Album ist zugleich das erste Live-Album. Eder: "Wir waren erst skeptisch, ob wir das machen sollen, aber die Nachfrage war so groß."
Damit kommt das rüber, was die Show der vier Franken wesentlich ausmacht. Zumindest zum Teil. Denn beim Anhören würde man schon gerne sehen, worüber das Publikum gerade lacht. Etwa, weil Simon Schorndammer gerade als Flieger auf den Füßen des auf dem Rücken liegenden Johannes Sens schwebt und dabei Klarinette spielt.
Hymnen auf den Gastwirt
Als roter Faden zieht sich der "Weizenbier-Charly" durch die Doppel-CD. Er war der Wirt in der "Heiligen Gans" in Dietenhofen, bei dem die "Gankinos" angeblich ihre ganze Jugend verbrachten. Das Kunststück ist es nun, die Musik um diesen Wirt und den verschrobenen mittelfränkischen Ort zu spinnen. Denn zunächst haben die Titel in der Regel dazu überhaupt keinen Bezug. Vielmehr steuert jeder der Musiker irgendwelche Ideen aus dem "musikalischen Gemischtwarenladen Europas und der Welt" (Werbetext der Band) bei.
Gemeinsam ist diesen, dass sie einen Bezug zur Volksmusik - oder Rootsmusik - haben. Das kann ein jiddischer Nigun sein, das kann das deutsche Volkslied "Es geht ein dunkle Wolk herein" sein, und das kann eine Rock'n'Roll-Nummer sein, die ein Ansbacher GI-Soldat der Legende nach in die "Heilige Gans" eingeschleppt hat. Dabei zaubern die Musiker aus teils einfachstem Material kunstvolle Gebilde, etwa wenn bei "Horch, was kommt von draußen rein", 7/8- und 6/8- und 4/8-Takt sich abwechseln. Toll auch die Improvisation von Max Eder auf dem Bonofon aus Schweine- und Rinderknochen, die er über das Schlagzeugspiel von Johannes Sens legt.
Zu Bier-lastig?
Zieht sich das Bier nun zu sehr durchs Programm? Wird gar dem Alkoholkonsum das Wort geredet? Maximilian Eder hält dagegen: "Ich meine, der ,Weizenbier-Charly' ist eher ein Anti-Held."
Kritische Töne sind weniger das Ding von "Gankino Circus" und kommen somit eher beiläufig vor, etwa als sich die Band gezwungen sah, nach dem Tod vom "Weizenbier-Charly" in die griechische Gaststätte von Dietenhofen zu wechseln: "Wir hatten erst unsere Vorbehalte gegenüber dem Griechen, denn wir waren ja vorher noch nie drinnen gewesen." Und im nächsten Satz: "In Deutschland eine griechische Kneipe aufzumachen ist das Einfachste der Welt, denn solange genug Fleisch aufm Teller ist, fressen die Deutschen alles." Zur Frage nach der Gesellschaftskritik sagt Maximilian Eder: "Es gibt so viele, die am Tag drauf das aufs Korn nehmen, was die Merkel gesagt hat, da braucht's nicht noch mehr davon."