Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden in Aura im Sinngrund die Firmenschilder ausgetauscht. Aus der Firma Accellent wurde das Unternehmen „Lake Region Medical“. Noch steht dieser Namen an der Fassade des Zulieferers für Medizintechnik und Lebensmittelindustrie, aber nicht mehr lange. Denn die in den USA beheimatete Integer-Gruppe, zu der „Lake Region Medical“ gehörte, hat diese Sparte verkauft.
Der börsennotierte Konzern will schnell wachsen, er konzentriert sich auf andere Geschäftsfelder. Als Zulieferer vor allem für medizintechnische Instrumente ist man in Aura jedoch in einem „eher konservativen Geschäftsfeld“ unterwegs, erläutert Geschäftsführer Christian Geppert. Neuer Eigentümer wurde die ebenfalls US-amerikanische Firma Medplast, bisher Hersteller von Kunststoffteilen für Medizintechnik. Sie übernahm die auf Metallprodukte spezialisierte „Lake Region Medical“ nach Angaben des Finanzjahrbuchs Deutschland (FYB) für rund 523 Millionen Euro.
Kunststoff- und Metallsparten vereint
Für Christian Geppert, den Geschäftsführer des Werkes in Aura mit seinen rund 250 Mitarbeitern, ergänzen sich beide Sparten gut. In modernen medizinischen Geräten werde praktisch immer beides benötigt – Bauteile aus Kunststoff und aus Metall. Die könnten Medizintechnik-Hersteller bei Viant künftig aus einer Hand beziehen, erläutert er.
Viant, das ist der Name, unter dem das durch die Übernahme neu entstandene Unternehmen künftig firmiert. Er wird in Kürze in Aura an der Fassade zu lesen sein. Die Zentrale des neuen Zusammenschlusses hat ihren Sitz im US-amerikanischen Bundesstaat Massachusetts, in der Kleinstadt Foxborough unweit von Boston. Medplast brachte neben der Zentrale 14 Werke in das neue Unternehmen ein, „Lake Region Medical“ zehn.
Einziges Werk in Deutschland
Das Werk in Aura ist das einzige in Deutschland. Zwei weitere Werke in Europa sind in Frankreich und Großbritannien. Standorte finden sich außerdem in China, Mexico und Costa Rica. Die übrigen Werke sind in den USA und auf der von den USA verwalteten Karibikinsel Puerto Rico.
Während sonst bei Firmenübernahmen oft ein Großer von einem noch größeren geschluckt wird, ist das im Fall von Viant anders. Hier hat ein Großkonzern mit Milliardenumsatz eine seiner Sparten einem deutlichen kleineren, in Privatbesitz befindlichen Unternehmen überlassen. Das bringt auch einen Stilwandel mit sich, hat Geschäftsführer Geppert beobachtet, einen positiven. „Es gibt wieder die Möglichkeit, freier zu gestalten“, sagt er.
„Vor Ort verantwortlich“
„Für die operative Entwicklung und Weiterentwicklung sind wir vor Ort verantwortlich.“ Klar seien auch die neuen Eigentümer fordernd, meint Geppert. „So ist Wirtschaft.“ Wenn es um die Anschaffung einer kleinen neuen Maschine geht, dann muss aber nicht mehr der ganze schwerfällige Apparat bis zur Konzernspitze in Bewegung gesetzt werden.
Jetzt „schauen wir's uns an, begründen es, und dann treffen wir die Entscheidung“, so der 50-Jährige, der seit ziemlich genau drei Jahren in Aura ist. Es gebe viel schnellere Reaktionszeiten als im Großkonzern. Viant, das sind für Geppert kleine, reaktive Einheiten, die auf der einen Seite alle Vorteile mittelständischer Unternehmen mitbringen, auf der anderen Seite aber die Sicherheiten, Kontakte und Logistik eines weltweit tätigen Unternehmens genießen.
In Aura im Sinngrund, wo das 1953 im hessischen Bad Orb als Süddeutsche Feinmechanik gegründete Werk seit 1962 ansässig ist, werden hochpräzise Edelstahlrohre gefertigt und veredelt. Manche von ihnen sind so dünn, dass gerade einmal ein Haar hineinpasst. Biegen, Aufweiten, Verschweißen, Schleifen und viele andere Techniken werden eingesetzt, um aus dem Ausgangsmaterial ein montagefertiges Produkt herzustellen.