Sie hatte eine der letzten Hebammen-Schichten auf der Geburtsstation im Karlstadter Krankenhaus, hat das letzte Baby aus Eußenheim mit auf die Welt geholt (wir berichteten) und dann das Klinikgebäude so schnell wie möglich verlassen. „Mit dem Wissen, da geht man nicht mehr hin, war die Schicht natürlich schwer und man wird wehmütig“, erzählt Heike Kralik.
Rund 20 Jahre mit Unterbrechungen war Heike Kralik Beleghebamme in der Karlstadter Geburtshilfe. Doch viel Zeit zum Nachtrauern hat sie sich nicht gegeben. Denn natürlich laufen Vor- und Nachsorge sowie Kurse in ihrer Hebammenpraxis in Karlstadt weiter. Und auch das Thema Hausgeburt hat durch die Nachricht der Schließung der Geburtshilfestation kurzfristig erhöhte Aufmerksamkeit bekommen.
„In meinem letzten Vorbereitungskurs haben sich tatsächlich spontan zwei Frauen dazu entschieden, eine Hausgeburt zu machen“, erzählt die Hebamme, die als Einzige im Raum Main-Spessart Hausgeburten anbietet. „Aber Mengen sind es nicht, die jetzt kommen.“
Sieben Hebammen haben auf der Geburtshilfestation im Karlstadter Krankenhaus gearbeitet. Als Beleghebammen waren sie dabei nicht fest angestellt, sondern arbeiteten auf selbstständiger Basis, das heißt außerhalb der Arbeit im Krankenhaus betreuen sie Frauen in der Vor- und Nachsorge und geben Kurse.
„Allein davon zu leben, ist aber schwierig“, sagt Petra Interwies. Zehn Jahre hat sie als Hebamme in der Klinik in Karlstadt gearbeitet. Wie es bei ihr nun weitergeht, weiß sie noch nicht, denn die Konkurrenz ist vor allem durch viele junge Mitbewerberinnen groß, der Stellenmarkt überschaubar.
Stellen sind dünn gesät
Bei Elke Lamberts hat es bereits geklappt. Fünf Jahre lang war sie Beleghebamme in Karlstadt auf der Geburtenstation. Nun möchte sie die Arbeit in einer Geburtsklinik nicht mehr missen und hat sich wieder vermehrt nach einer Anstellung umgeschaut – mit Erfolg. Sie hat eine neue Stelle als Beleghebamme gefunden. Fährt sie zurzeit noch in die Nähe von Erlangen zum Arbeiten, wird sie bald in Bad Kissingen im St. Elisabeth-Krankenhaus anfangen. „Ich möchte nicht wieder in die Dauerbereitschaft wechseln und unter ständiger Rufbereitschaft stehen“, beschreibt sie, warum sie sich für den kilometermäßig weiteren Weg, aber dafür für die geregelteren Arbeitszeiten entschieden hat.
Auch Katrin Fuchs hatte Angebote aus einer Frankfurter Geburtsklinik. Die ehemalige Karlstadter Beleghebamme mit Wohnsitz in Aschaffenburg hat vor acht Monaten ein Kind bekommen. Damit sie ihren Beruf als Hebamme in Karlstadt weiter ausüben konnte, hatte sich die Familie damals entschieden, dass der Vater Elternzeit nimmt und sie sobald wie möglich wieder arbeiten geht. „Jetzt mussten wir die Entscheidung rückgängig machen und mein Mann geht wieder arbeiten“, erzählt sie.
Das Stellenangebot aus Frankfurt hat sie abgelehnt. Rund 800 Euro hätte sie bei der Dreiviertelstelle an Gehalt herausbekommen. „Damit kann man keine Familie ernähren“, erzählt sie. Zudem seien die Stellen meist Vertretungsstellen, befristet auf ein Halbes- oder Dreivierteljahr.
Auf der Straße stehen wird Katrin Fuchs nach dem Ende ihrer Elternzeit trotzdem nicht, denn es gibt genügend zu tun: Gemeinsam mit Hebammenkollegin Heike Kralik sowie mehreren Hebammen aus dem Raum Würzburg soll im Frühjahr ein Geburtshaus gegründet werden. Aufgrund der notwendigen Nähe zu einer großen Geburtsklinik wird der Standort aber nicht Main-Spessart, sondern Würzburg heißen.
Im Klinikum Main-Spessart wartet man derweil auf die Genehmigungen der Regierung, die den Umzug der Verwaltungsabteilung von Marktheidenfeld in die ehemaligen Räume der Geburtshilfe nach Karlstadt ermöglichen. Und auch wenn Kreißsaal & Co. erst Stück für Stück zurückgebaut werden – Geburten können hier keine mehr stattfinden.
Nur noch für Notfälle
Das einzige, was hier noch speziell für eine Geburt zur Verfügung steht, ist ein Geburtspäckchen mit Nabelschnurschere und Klemme. „Seit dem 1. Januar ist die Geburtsstation zu. Da kann sich keiner darauf verlassen, dass da noch eine halbe Station vorhanden ist“, erläutert der stellvertretende Klinikreferent Günter Betz. Und sollte doch einmal ein Kind via Sturzgeburt oder Notfall bereits in Karlstadt auf die Welt kommen wollen? Leiste man laut Betz selbstverständlich Erste Hilfe – wie in jedem anderen Krankenhaus ohne Geburtsstation auch.