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Steinfeld
Badisches Amt Steinfeld: Künstliches Gebilde zum Scheitern verurteilt
Aus der Geschichte Main-Spessarts (82): Das Großherzoglich-badische Amt Steinfeld wurde 1819 wieder fränkisch. Es war ein eigenes Ländchen mit elf Dörfern und einem Kloster. Die Bewohner feierten den Anschluss an Bayern.
Steinfeld mit Blick auf Hausen und auf die Anhöhe bei Mariabuchen, Postkarte um 1960. Als Steinfeld zum Großherzoglich-badischen Amt gehörte, war es umgeben von den Nachbardörfern Hausen, Rohrbach, Stadelhofen und Urspringen, die alle zum Großherzogtum Würzburg gehörten.
Foto: Martin Loschert | Steinfeld mit Blick auf Hausen und auf die Anhöhe bei Mariabuchen, Postkarte um 1960. Als Steinfeld zum Großherzoglich-badischen Amt gehörte, war es umgeben von den Nachbardörfern Hausen, Rohrbach, Stadelhofen und ...
Martin Loschert
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:01 Uhr

Vor über 200 Jahren „brach heller Jubel“ unter den Bewohnern im damaligen Großherzoglich-badischen Amt Steinfeld aus, denn dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Einwohnern und dem Kloster Mariabuchen wurde im Jahr 1819 wieder fränkisch und dem Königreich Bayern zugeteilt. Davon versprach man sich „goldene Berge“, wie Peter Apfelbacher später schrieb, der ehemals Lehrer in Karbach und Bezirksschulrat war.

Grafik Badisches Amt Steinfeld
Foto: Sebastian Ruppert | Grafik Badisches Amt Steinfeld

Greußenheim, Birkenfeld, Karbach, Zimmern, Erlach, Pflochsbach, Sendelbach, Steinfeld, Waldzell, Ansbach und Roden sowie das Kloster Mariabuchen bildeten in der Zeit von 1806 bis November 1819 ein eigenes Ländchen und wurden unter dem Namen Amt Steinfeld dem Großherzogtum Baden zugeteilt.

Wie es zum Badischen Amt Steinfeld kam

Jahrhundertelang gehörten die elf Dörfer dem Fürstbistum Würzburg an. Kaiser Napoleon verschob nach seinen militärischen Erfolgen die Landesgrenze zwischen Frankreich und Deutschland an den Rhein und enteignete die geistlichen Fürstentümer, darunter das Fürstentum Würzburg. Die weltlichen Fürsten in Deutschland, darunter Fürst Löwenstein, erhielten zur Entschädigung für Gebiete, die sie jenseits des Rheins an Frankreich abtreten mussten, die ehemals kirchlichen Gebiete.

Steinfeld zu Beginn des 19. Jahrhunderts – ein Dorf mit Dorfmauer, vier Toren und einer mächtigen Zehntscheune. Bei dieser Karte von Steinfeld, das dem badischen Amt seinen Namen gab, handelt es sich um eine Uraufnahme aus dem Jahr 1839. 
Foto: Repro Loschert | Steinfeld zu Beginn des 19. Jahrhunderts – ein Dorf mit Dorfmauer, vier Toren und einer mächtigen Zehntscheune. Bei dieser Karte von Steinfeld, das dem badischen Amt seinen Namen gab, handelt es sich um eine ...

Im Februar 1806 kam es zu weiteren Besitzveränderungen. Fürst Löwenstein verlor die volle Staatsgewalt über das Amt Rothenfels. Die elf Dörfer links des Mains bekam der Großherzog von Baden als Belohnung für seinen Beitritt zum Rheinbund, einem Bündnis deutscher Staaten mit Napoleon. Der Großherzog von Baden bildete aus den elf Ortschaften links des Mains das Badische Amt Steinfeld und übernahm die Gerichtsbarkeit. Dieses Amt hatte als Exklave keine direkte Landverbindung zu Baden. Karbach wurde Verwaltungssitz, da es der einzige Marktflecken und das größte unter den elf Dörfern war. Dort hielten badische Beamte aus Wertheim auch ihre Gerichtstage ab.

„Galgenvögel“ flüchten über die nahen Landesgrenzen

Die lang gestreckte Grenze des schmalen und sehr kleinen badischen Amtes bot gewissen Leuten allerlei Vorteile. Peter Apfelbacher schrieb: „Entlassene Soldaten und Kriegsinvaliden verbanden sich mit allerlei Gesindel, überfielen kleinere Dörfer und einsam liegende Mühlen, ohne fürchten zu müssen, erwischt zu werden; denn bis ein badischer Gendarm eintraf, waren die Halunken längst über die Grenze ins Würzburgische geflüchtet, wo dem badischen Sicherheitswächter jede Amtshandlung untersagt war, wie auch umgekehrt der würzburgische Landjäger rat- und tatenlos dastand, wenn ein Missetäter ins badische Ländlein gelangte. Schlupfwinkel fanden die Galgenvögel da und dort in Steinbrüchen, Ziegelhütten und Höhlen.“

Höhe Zölle, Zehnt und Fronarbeit belasteten die Bauern

Eine große Last waren auch „die vielen Zollschranken für alle erdenklichen Erzeugnisse.“ So musste zum Beispiel ein Häfner aus Hafenlohr, der seine Waren auf dem Markt in Karbach verkaufen wollte, Zoll entrichten. Die Einhebung der Zölle „wurde meist mit großer Strenge betätigt“. Jedes der elf Dörfer hatte seinen eigenen Zoll- und Verzehrsteuer-Einnehmer, Karbach und Steinfeld zudem jeweils einen Obereinnehmer. Außerdem lagen die badischen Steuersätze um die Hälfte höher als die in Franken.

Schwer belastet mit vielfältigen Abgaben waren die Bauern, die nicht die Eigentümer von Grund und Boden, Gebäuden und Vieh, sondern nur eine Art Pächter waren. So gab es in Karbach den Fronhof. Dieser bildete „eine einzige geschlossene Hofriet mit fünf Wohnhäusern und zwei Scheunen sowie 120 Morgen Grundstücken. Grundherr war das Hochstift Würzburg“, berichtet Apfelbacher. Diesem mussten die beliehenen fünf Bauern jährlich neun Malter Korn und fünf Malter Haber als Lehen oder Gült geben. Daneben gab es in Karbach unter anderem  noch den Juliusspitalhof und den Freihof der Sickinger, in Steinfeld beispielsweise den Schafhof.

Heute erinnert in Steinfeld, das dem Amt den Namen gab, ein Detail im Wappen an diese kurze Zeitspanne in der 1200-jährigen Dorfgeschichte. Ein altes Gemeindesiegel aus dem 18. Jahrhundert mit dem Heiligen Sebastian bildete die Grundlage des Gemeindewappens. Der Großbuchstabe N aus dem Wappen des Klosters Neustadt erinnert an die Zugehörigkeit von Steinfeld zu diesem Kloster. Der fränkische Rechen bezieht sich auf die bis zum Ende des Alten Reichs 1803 währende Landesherrschaft des Hochstifts Würzburg. Der goldene Schild mit dem roten Schrägbalken ist das Wappen von Baden und erinnert an die kurze Zugehörigkeit der Gemeinde bis 1819 zum Großherzogtum Baden.
Foto: Martin Loschert | Heute erinnert in Steinfeld, das dem Amt den Namen gab, ein Detail im Wappen an diese kurze Zeitspanne in der 1200-jährigen Dorfgeschichte. Ein altes Gemeindesiegel aus dem 18.

Keinem Bauern war es möglich, vom Grund und Boden etwas zu verkaufen. Wollte die Familie nach dem Tod des Bauern auf der Hofriet bleiben, musste die Witwe beim Grundherrn um Neubelehnung bitten. Dafür hatte der Bittsteller als Zeichen der Unterwürfigkeit das beste Stück Vieh, das sogenannte „Besthaupt“, abzugeben.

Die Zehntscheune in Steinfeld, von der heute nur noch die Grundmauern stehen, wurde 1627 vom Kloster Neustadt errichtet. Es war ein mächtiges Gebäude, ursprünglich aus Holz, später in Stein gebaut. Das Gebäude war jahrhundertelang ein Symbol für den Herrschaftsanspruch der Zehntherren. Heute erinnern nur noch die Grundmauern und die originale Bautafel an das historische Gebäude.
Foto: Franz Schaub | Die Zehntscheune in Steinfeld, von der heute nur noch die Grundmauern stehen, wurde 1627 vom Kloster Neustadt errichtet. Es war ein mächtiges Gebäude, ursprünglich aus Holz, später in Stein gebaut.

Zusätzlich forderten die Grundherren den Zehnt, den zehnten Teil der Ernten von Getreide, Rüben, Kartoffeln sowie Baum- und Gartenfrüchten. Die Bauern durften ihre eigene Ernte nicht eher einfahren, bis sie die Abgaben für die Grundherren in die Zehntscheune gebracht hatten. Die lehenspflichtigen Bauern mussten auch Frondienste leisten, unter anderem Reparaturen an der Burg Rothenfels vornehmen, Treiber für die wochenlange Jagd der adeligen Herren abstellen und die Spessartwege unterhalten. Zusätzlich stark belastet waren die Untertanen durch die vielen Kriege in der Napoleonischen Zeit. So mussten sie Kriegssteuer zahlen, durchziehende Truppen einquartieren und selbst Soldaten für Napoleon abstellen.

„Religionsfeindliche Maßnahmen“

Die evangelische Regierung von Baden wollte auch den Einfluss der katholischen Geistlichkeit in den Dörfern einschränken. So war es den Priestern untersagt, ohne Erlaubnis der Regierung ein bischöfliches Schreiben zu verkünden. Ab 1809 begann Baden mit der Schließung und dem Abbruch von Privatkapellen. Dies traf zum Beispiel die Ägidi-Kapelle an der Straße Birkenfeld-Karbach. Die Wallfahrtskirche in Mariabuchen wurde zu einer Nebenkapelle erklärt und der bisherige Sonntagsgottesdienst eingestellt.

„Angedungene Handwerker, ausgediente Soldaten und verdorbene Studenten“

In einem Edikt legte Baden die Organisation der Dorfschulen fest. Unterricht sollte das ganze Jahr gehalten werden, da „sonst die Kinder immer im Sommer die Hälfte dessen wieder vergessen, was sie den Winter über gelernt haben“. Kinder, die mutwillig die Schule versäumten, wurden „durch mäßige Züchtigung oder bei Schuld der Eltern durch kleine Geldstrafen oder Einsperrung ins Bürgerhäuslein bestraft“.

Wie Apfelbacher berichtete, litt der Schulbetrieb darunter, dass meist „angedungene Handwerker, ausgediente Soldaten und verdorbene Studenten“ unterrichteten. Erschwerend kam hinzu, dass die Schulkinder „eng eingepfercht mit der Familie des Lehrers beisammen in einem finsteren, niedrigen Raum saßen“ und „der Mangel an Lehr- und Lernmitteln unbeschreiblich groß war“.

„Künstliches Gebilde zum Scheitern verurteilt“

Für Apfelbacher war das Amt Steinfeld „ein künstliches Gebilde“ und deshalb zum Scheitern verurteilt: „Das Amt Steinfeld war zu klein und „seine Lostrennung von Baden und Zurückführung zum Lande Franken ließ sich nicht aufhalten.“ Am 20. Juli 1819 beschlossen Österreich und Bayern vertraglich, Baden müsse das Amt Steinfeld zunächst an Österreich, dieses das Amt am selben Tag an die Krone Bayern abtreten.

Die Gedenktafel, die der Steinmetz Niklas Dienstl angefertigt hatte, vor dem historischen Gasthaus Stern in Karbach, wo vor 200 Jahren die Besitznahme des badischen Amtes Steinfeld durch das Königreich Bayern erfolgte.
Foto: Martin Loschert | Die Gedenktafel, die der Steinmetz Niklas Dienstl angefertigt hatte, vor dem historischen Gasthaus Stern in Karbach, wo vor 200 Jahren die Besitznahme des badischen Amtes Steinfeld durch das Königreich Bayern erfolgte.

„Der Jubel über die Zuteilung des Amtes Steinfeld an Bayern löste in Karbach und wohl auch in den anderen zehn Gemeinden hellen Jubel aus“, heißt es bei Karl Barthels in seinem Beitrag zur Chronik "Steinfeld bei Lohr am Main". Der Übergabeakt mit der Übergabekommission aus Würzburg und Wertheim erfolgte in Karbach „in den oberen Localitäten“ im Gasthaus Stern. Am frühen Morgen fand in der Kirche eine lateinische Messe statt, extra komponiert vom Steinfelder Pfarrer Carl Leim, ehe am Abend im Gasthaus zum Grünen Baum die Gemeinde „wohl etlichen Wein spendierte und das tanzlustige Volk sich bayerisch austoben konnte“.

Am 22. November 1819 vereinigte man das großherzoglich-badische Amt Steinfeld mit dem Untermainkreis. So wurde „ein alter Bestandteil des ehemaligen Fürstentums Würzburg wieder mit dem Mutterlande verschmolzen“, heißt es bei Barthels. 

Literatur: Peter Apfelbacher: Das vormalige Großherzoglich-badische Amt Steinfeld bei Lohr am Main, in: Aus der guten alten Zeit der Stadt Lohr und ihres Landkreises, Hrsg. Keller Friedrich, I. Band, Lohr 1949; Karl Barthels, Steinfeld bei Lohr am Main, Beiträge zu einer Chronik, 2. Heft, Lohr 1957 ; Theo Köllisch, Die Teilnehmer am Rußlandfeldzug 1812/1813 aus dem ehemaligen badischen Amt Steinfeld, in: Heimatland, Band 3, o. J.

Zum Autor: Martin Loschert ist Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Steinfeld-Hausen-Waldzell und hat zahlreiche historische Artikel für die Main-Post verfasst. Er war Schulleiter der Grund- und Mittelschule Eußenheim, seit 2018 in Pension.

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart

 
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  • C. L.
    Vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel.
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