Die Menschen auf den Bildern haben ihre Scheu vor der Kamera abgelegt und erlauben Einblicke in ihr alltägliches Leben. Ein Pärchen auf einem Bett. Er legt zärtlich den Arm um sie, beide strahlen Zufriedenheit aus. Ein Mann bei seiner täglichen Arbeit, er schaut kurz in die Kamera. Ein anderer in der Werkstatt. Eine Frau auf dem Laufband, sie nimmt die Kamera scheinbar gar nicht mehr wahr.
60 Porträts für einen Fotoband und eine Ausstellung
Dies sind nur drei Bilder von 60, die Luan Buki ab Samstag in der Dorfgemeinschaft Hohenroth ausstellt. In der Dorfgemeinschaft leben erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung in Begleitung ihrer Betreuer. Die Bilder zeigen die Menschen, wie sie leben und arbeiten. Sie sind mit sehr viel Respekt vor den Menschen aufgenommen.
Der erst 20 Jahre alte Buki ist Student an der Fachhochschule für Gestaltung im vierten Semester und für seine Semesterarbeit hatte er die Aufgabe, ein Bildband mit Porträts zu erstellen. Als Thema war das Stichwort „peripher“ vorgegeben. „Ich dachte dabei gleich an die Dorfgemeinschaft Hohenroth“, sagt Buki, der im Nachbarort Aura aufgewachsen ist, jetzt aber in Mannheim lebt.
Auf die Dorfgemeinschaft passe das Wort peripher. Sie sei am Rande gelegen und bildet im besten Sinne des Wortes eine eigene Insel, peripher der Gesellschaft.
Vertrauen zu den Bewohnern aufbauen
Das Thema war gefunden und die Erlaubnis zum Fotografieren hat Buki auch bekommen. Es ist ihm auch gelungen, schnell Vertrauen zu den Bewohnern aufzubauen. Denn es war seine Absicht, die Menschen in aller Würde in ihrem alltäglichen Leben zu zeigen. Da ist es am besten, wenn man als Fotograf gar nicht mehr beachtet werde. Eine ganze Woche lebte er in der Dorfgemeinschaft.
Trotzdem war Buki mit seinem ersten Versuch nicht zufrieden. Er hatte eine Digitalkamera für die Fotos gewählt. Diese habe sich aber nicht als das geeignete Werkzeug erwiesen. Sie verleite dazu, zu hektisch zu werden. „Es ist schnell auf den Auslöser gedrückt und das Ergebnis ist fertig“, sagt er.
Eine eigene, entschleunigte Welt
Er erlebte die Dorfgemeinschaft als eigene und entschleunigte Welt, in der Computer, Hektik oder WLAN keine Rolle spielen. Daher wählte er bei seinem zweiten Aufenthalt für die Porträts eine analoge Mittelformatkamera. Diese ist fünf bis sechs Kilo schwer und sie muss vor ihm auf einem Stativ aufgebaut werden. Schon dadurch braucht der Fotograf länger für den Bildaufbau. „Das hat viel besser zu den Menschen dort gepasst“, lautet das Fazit von Buki.
Vorteile der analogen Fotografie
Die analoge Fotografie hat für Buki noch einen weiteren Vorteil. „Man überlegt länger, bevor man ein Bild macht.“ Denn jedes Bild muss erst entwickelt werden. Das kann wohl jeder bestätigen, der früher analog fotografiert hat. Mit dem Übergang zur digitalen Fotografie veränderte sich auch die Art zu fotografieren. Digitale Bilder sind schnell geknipst und schnell gelöscht.
Das Ergebnis gibt Buki recht. Es ist ihm gelungen, in seinen Bildern den Charakter und das Lebensgefühl der Dorfgemeinschaft abzubilden. Der Bildband und die Fotografien werden auf der Vernissage am Samstag, 8. April, verkauft, wobei der komplette Erlös der SOS-Dorfgemeinschaft zugutekommt. Die Vernissage ist öffentlich und beginnt um 18 Uhr. Im Anschluss sind die Bilder in der kommenden Woche tagsüber zu sehen. Musikalisch untermalt wird der Eröffnungsabend von dem DJ-Duo Stonekult & Rascus.
SOS-Dorfgemeinschaft
Auf einer Anhöhe oberhalb der Stadt Rieneck, etwa 50 Kilometer nördlich von Würzburg, liegt die Dorfgemeinschaft Hohenroth. Dort leben heute 160 Bewohner mit geistiger Behinderung in 20 Hausgemeinschaften. Auch eine Außenstelle in Burgsinn und zwei Außenstellen im benachbarten Schaippach gehören dazu. Das alltägliche Leben spielt sich in einem geschlossenen, dorfähnlichen Umfeld ab.
Das Erwachsensein ist in unserer Gesellschaft definiert durch Arbeit. Auch in der Dorfgemeinschaft ist dies der Fall. Die Betreuten können in Landwirtschaft, Gartenbau, Hauswirtschaft, Bäckerei, Molkerei, Textilwerkstatt, Schreinerei und im Café arbeiten.
In den 20 familienähnlichen Hausgemeinschaften leben jeweils acht bis zehn Männer und Frauen mit geistiger Behinderung und ein Hauselternpaar mit der eigenen Familie. Jede Familie wird von einem Familienhelfer, der das Hauselternpaar zeitweise vertritt, einer Haushaltshilfe und gegebenenfalls einem Praktikanten unterstützt.
Der Bildband „Zwischen Anthroposophie und Nächstenliebe“mit den 60 Aufnahmen von Luan Buki sowie die Fotografien werden auf der Vernissage verkauft. Der Erlös geht als Spende an die SOS-Dorfgemeinschaft.