
Die Vielfalt ist der Reiz und das Markenzeichen der 34. Jahresausstellung der Künstlergruppe Spess-Art in der Alten Turnhalle in Lohr. Das sagte Dritte Bürgermeisterin Ruth Steger in der Vernissage der Werkschau mit dem Motto "Wechselwirkung". Sie war mit rund 100 Interessierten sehr gut besucht.
Der Publikumszuspruch beweist nach Stegers Worten, dass die Eröffnung einer Ausstellung von Spess-Art nach wie vor als Ereignis gilt. Der Krieg in der Ukraine werfe ein besonderes Licht auf die Werkschau, in der unter anderem das Triptychon "Requiem für die Ukraine" von Hartwig Kolb und das Bild "Mariupol" von Cornelia Krug-Stührenberg zu sehen sind.
"Kunst lehrt uns sehen", meinte die Dritte Bürgermeisterin. Die Künstler lebten in der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung. Die bildende Kunst sei die Kunst, Außergewöhnliches an gewöhnlichen Menschen und Situationen zu entdecken, formulierte Steger in Anlehnung an einen Ausspruch des Schriftstellers Boris Pasternak.
Zwei Jahre Pause
Nach zwei Jahren gebe es Spess-Art wieder, "diesmal unter entspannten, relativ normalen Umständen", sagte Cornelia Krug-Stührenberg für die Künstlergruppe. Sie erinnerte daran, dass 2020 eine Ausstellung versucht, wegen der verschärften Corona-Regeln aber abgebrochen wurde. Im vorigen Jahr verzichtete Spess-Art wegen des Unfalltods von Roland Schaller auf eine Ausstellung. An ihn wird im Foyer erinnert.
Das Ausstellungsmotto "Wechselwirkung" ist nach den Worten von Udo Breitenbach "in eine Zeit hineingesprochen, die man eine Wendezeit nennt". Herausforderungen gebe es viele: "Wir hatten den Eindruck, dass wir reaktiv geworden sind. Wir gestalten nicht mehr."
Der Partensteiner Objektkünstler nimmt die Ironie als "Strategie, mit schwierigen Situationen umzugehen". So weist ein Schaukelobjekt darauf hin, dass das Klima vor dem Kipp-Punkt steht. Aus einem alten Heizkörper, dem Unterkörper einer Schaufensterpuppe und einem kreisförmigen Objekt hat er eine Installation geschaffen, die die Distanz während der Coronazeit und das Fehlen menschlicher Wärme symbolisiert.
Bildhauerin Bettina Seitz, die für die Vernissage aus Irland angereist war, überrascht mit einer knapp zehnminütigen Video-Installation. Unter dem Titel "Ancestors" (Vorfahren) zeigt sie das Leben vor einigen Generationen auf einer irischen Insel ohne Strom- und Wasserversorgung. Dazu stellt sie ihre lebensgroßen Skulpturen in die Landschaft.
Natur als Gegenpol
Cornelia Krug-Stührenberg thematisiert in Aquarellen einer Flusslandschaft in Südfrankreich die Erhabenheit der Natur und die Faszination des Menschen dafür. Nach eigenen Angaben ging es ihr in den vergangenen Jahren verstärkt um die Wechselwirkungen mit der Natur, ihrer Schönheit und Wildheit als "Gegenpol zu all der Zerstörung, die die Menschen auf dem Globus anrichten – aber wie lange noch?"
Hartwig Kolb stellt in seinen Bildern den Menschen in den Mittelpunkt. Ihm gehe es um die Situation menschlicher Befindlichkeiten in einer aus den Fugen geratenen Welt, sagte Kolb, der seine Künstlerwerkstatt in Steinbach hat. Die Menschen in seinen Bildern wichen den täglichen Bedrohungen und Frustrationen in eine geschützte Privatzone aus.
Gastkünstler der Ausstellung sind die Würzburger Gertraud Naber und Werner Winterbauer. Naber, die früher an der Lohrer Realschule tätig war, zeigt Bilder, in denen sie versucht, Ausdrucksmöglichkeiten für das Tanztheater von Pina Bausch in der Malerei zu finden. Krankheitsbedingt fehlte Naber bei der Vernissage. Sie wird am 18. November von 11 bis 15 Uhr in der Ausstellung anwesend sein.
Ein neues Mitglied
Autodidakt Werner Winterbauer zeigt Bilderserien, die narrativ und surreal sind, wie Bühnenbilder für das Theater des Lebens wirken und Bezug auf Krisen und Probleme unserer Zeit nehmen. Seine Arbeitsweise beschrieb Winterbauer so: "Man fängt einfach an. Ich bin selbst erstaunt, was hinterher 'rauskommt."
Für den musikalischen Rahmen der Vernissage sorgte die in Rothenfels lebende Konzertpianistin Luise Königshausen mit Stücken von Addinsell, Schostakowitsch und Mozart. Cornelia Krug-Stührenberg gab bekannt, dass Königshausen, die bereits bei einigen Ausstellungen der Künstlergruppe gespielt hat, neues Spess-Art-Mitglied geworden ist. "Wir haben uns in Richtung Musik erweitert, was wir als eine Bereicherung betrachten."
Die Ausstellung in der Alten Turnhalle in Lohr ist noch bis zum 20. November jeweils von Freitag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr zu sehen.