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KARLSTADT
Ausspannen im Demenzklinikhotel
Stößt Türen auf: Rudi Gosdschan aus Karlstadt, Stadtrat und Altenpfleger mit Herzblut, will ein Demenzklinikhotel für Patienten und pflegende Angehörige eröffnen. Das wäre eine Weltneuheit.
Foto: Joachim Storch | Stößt Türen auf: Rudi Gosdschan aus Karlstadt, Stadtrat und Altenpfleger mit Herzblut, will ein Demenzklinikhotel für Patienten und pflegende Angehörige eröffnen. Das wäre eine Weltneuheit.
Von unserem Redaktionsmitglied Martina Amkreutz-Götz
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:48 Uhr

Es ist ein Demenzklinikhotel, das Rudi Gosdschan aus Karlstadt plant:. „Ein ganz neues Konzept, das Demenzkranke und ihre pflegenden Angehörigen gemeinsam Urlaub machen lässt, herausführt aus der Anspannung des Tages daheim in die Entspannung eines Hotels mit besonders ausgebildetem Pflegepersonal“ – bezahlbar für alle.

Laut Rudi Gosdschan, der in Karlstadt Stadtrat ist und die Otto-und-Anna-Herold-Altenheim-Stiftung lei- tete, gibt es diese Symbiose von Klinik und Hotel für Demenzkranke und ihre pflegenden Angehörigen auf der ganzen Welt noch nicht. „Es ist keine Utopie, ein Haus anzubieten, in dem Demenzkranke und ihre pflegenden Angehörigen bei einem gemeinsamen Urlaub Angebote bekommen, die auf die Bedürfnisse beider zugeschnitten sind.“

Der 58-Jährige erläutert: Es gibt pflegende Angehörige, die auch im Urlaub oder wenn sie für sich selbst eine Auszeit vom Pflegestress nehmen müssen, sich nicht von der zu pflegenden Person wie Vater, Mutter oder Lebenspartner trennen möchten. In seinem Klinikhotel sind beide getrennt und trotzdem nah in zwei nebeneinander liegenden Zimmern oder einer kleinen Wohnung mit Rückzugsräumen – eine Art Mutter-Kind-Kur für Demenzkranke und ihre Angehörigen in einem Haus mit Komfort und Annehmlichkeiten eines Vier-Sterne-Hotels.

Gosdschan zitiert im Gespräch mit der Main-Post die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, die schätzt, dass es jährlich etwa 300 000 Neuerkrankungen ab 65 Jahren gibt. Zurzeit leiden etwa 1,4 Millionen Deutsche an Demenz. Gosdschan: „Bis 2050 wird diese Zahl wohl auf drei Millionen ansteigen.“ Schon seit 2008, noch als Leiter des Karlstadter Altenpflegeheims, beschäftigt Gosdschan dieser Gedanke eines Rundum–Sorglos-Urlaubs in einem Klinikhotel. Der Autor des erfolgreichen Buches und TV-Dramas „Wohin mit Vater?“, ein anonym bleibender Berliner Journalist, besuchte ihn damals im Karlstadter Heim. Es hat sich unter Gosdschan deutschlandweit einen sehr guten Ruf erworben, weil es erfolgreich nach der Pflegemethode von Erwin Böhm arbeitet.

Zudem gelang es dem 58-Jährigen mit 40 Jahren Erfahrung in der Pflege und 30 Jahren Leitungserfahrung, die Auerbach-Stiftung zu begeistern, die ihm 280 000 Euro in drei Jahren für den Aufbau eines Kompetenzzentrums, für Qualifizierungs- und Personalkosten sowie für die Bildung eines Netzwerkes zur Verfügung stellen wollte. Gosdschans Pläne für die Umsetzung eines Klinikhotels in Karlstadt – der Platz war laut früherem Heimleiter vorhanden – verschwanden in einer Schublade im Landratsamt, bedauert er. Über das Geld der Auerbach-Stiftung dagegen kann Gosdschan weiter verfügen. 2009 verließ er die Herold-Stiftung und leitete bis 2011 ein Seniorenheim im Chiemgau. Die Idee für ein Demenzklinikhotel verfestigte sich bei ihm immer mehr.

Großen Zuspruch erhielt er von Dr. Krista Mertens in Berlin. Bis zur Pensionierung 2010 war die Expertin für Snoezelen Professorin an der Humboldt-Universität und als Dozentin mit Lehraufträgen auch in Würzburg tätig. „Mit ihr will ich mein Projekt verwirklichen“, sagt der Karlstadter.

Neben Mertens mit ihrer Erfahrung und der Auerbach-Stiftung mit ihrer Anschubfinanzierung baut sich Gosdschan ein politisches Unterstützer-Netzwerk mit MdB Wolfgang Zöller, MdL Barbara Stamm und Joachim Unterländer, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik im Landtag und Vorsitzender der CSU-Familienkommission auf.

„Wir wollen es so verwirklichen, dass keiner wegen drei bis sechs Wochen Urlaub an seinem Geldbeutel scheitert.“
Rudi Gosdschan zur Pflegefinanzierung

Seine wichtigste Aufgabe aber ist die Suche nach Investoren und nach einem geeigneten Gebäude, „am besten ein Kloster oder ein Gutshof“, und erklärt: „Sie bieten die Räumlichkeiten und die Umgrenzung, die wir benötigen. Die großen Gebäude haben viele Räume, die wir umbauen, einen Park für einen Streichelzoo, der Kindheitserinnerungen wachruft, und einen Garten mit Blumen und Kräutern, den die Demenzkranken betreuen, wie sie es auch schon in ihrem früheren Leben auf dem Lande taten.“ Und sie haben eine Einfriedung um den beschützten Bereich, die Demenzkranke nicht als Grenze empfinden.“

„Wir wollen es so verwirklichen, dass keiner wegen drei bis sechs Wochen Urlaub an seinem Geldbeutel scheitert.“ Über Kurzzeitpflege und geriatrische Rehabilitation für die Patienten sowie psychosomatische Begleiterkrankungen und Erschöpfungszuständen bei den Pflegenden gebe es verschiedene Abrechnungsmodalitäten bei Krankenkassen.

Gosdschan, der auf einer eigenen Homepage wirbt, präsentierte im März seine Pläne bei der Fachtagung Gerontopsychiatrie beim Bildungswerk Irsee. Er reist durch Deutschland und verhandelt mit Investoren. Natürlich würde er gern sein Klinikhotel in der heimischen Region umsetzen, aber seine Reisen zeigen, wie viele schöne Plätze es in Deutschland gibt.

Infos: www.demenz-klinik-hotel.de

Auerbach, Böhm und Snoezelen

Die Auerbach-Stiftung wurde 2005 von Tjark Auerbach, einem Gesellschafter der Firma Avira (Computer-Antivirus), in Nürnberg gegründet und wird finanziell aus den Verkaufserlösen unterstützt. Sie fördert Menschen und Einrichtungen in Jugend-, Alten- und Behindertenhilfe, in Bildung, Erziehung, Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur. Erwin Böhm, 1940 in Wien geboren, entwickelt das psychobiografische Pflegemodell, nach dem beispielsweise das Karlstadter Altenpflegeheim seine Bewohner betreut. Nach Böhm wirken Körper, Geist, soziales Umfeld und die persönliche Biografie ständig zusammen. Das Prinzip des Pflegemodells ist, dem Demenzerkrankten wieder Selbstständigkeit zu vermitteln und seine im Leben angeeigneten Fähigkeiten und Fertigkeiten zu reaktivieren.

Snoezelen ist eine Wortschöpfung aus dem Niederländischen: snuffelen (schnüffeln, schnuppern) und doezelen (dösen, schlummern). Es ist der Aufenthalt in einem gemütlichen, angenehm warmen Raum, in dem man, bequem liegend oder sitzend, umgeben von leisen Klängen, Melodien und Lichteffekten, entspannen kann. Snoezelen soll die sensitive Wahrnehmung verbessern und der Entspannung dienen. Wohlriechende Düfte wecken schöne Erinnerungen und laden zum Träumen ein. Laut Expertin Professor Krista Mertens reichen schon Betttücher, Bilder, Duftkerzen, Musik und Lampen mit bunten Stoffen darüber für das Snoezelen zu Hause aus. MATZ

 
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