Seit dem 21. April 2012 war der Karbacher Achim Engelhorn auf der Walz. Nun, nach fast viereinhalb Jahren, ist der Maurer in seine Heimat zurückgekehrt. Hinter ihm liegt eine unvergessliche Zeit, die ihn geprägt hat wie kein anderer Lebensabschnitt zuvor. Er hat erfreuliche und traurige Dinge erlebt, arme und reiche Menschen kennengelernt, genau wie ihm nahe und fremde Kulturen. Der heute 24-Jährige könnte gleich mehrere Bücher über seine Abenteuer füllen. Zahlreiche Stempel und Arbeitszeugnisse in seinem Wanderbuch künden von der langen Reise.
Als es im Frühjahr 2012 für Achim Engelhorn losging, war die Umstellung für ihn noch nicht gar so groß. Und das, obwohl er wusste: Mindestens drei Jahre und einen Tag würde er Karbach nicht mehr wiedersehen. Denn es ist Gebot, dass ein Wandergeselle seinem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen darf. Dieser „Bannkreis“ darf nur in extremen Situationen, wie beim Tod oder bei schwerer Krankheit eines Angehörigen, überschritten werden.
Seine erste Arbeitsstelle fand Engelhorn in Straubing: Zusammen mit einheimischen Maurern half er beim Bau eines Einfamilienhauses. Außerdem baute er am größten Pizzaofen Deutschlands mit, der stolze zehn mal zehn Meter misst. Über Arbeit auf der Walz brauche man sich keine Sorgen zu machen, sagt Engelhorn. „Die Baubranche boomt und gute Handwerker werden immer gebraucht.“
Eine Herausforderung waren für Engelhorn die Arbeiten am Schloss Zerbst in Sachsen-Anhalt, das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden war. Zusammen mit drei „Kollegen“ war er verantwortlich für Logistik, Verpflegung und Unterkunft von 40 weiteren Wandergesellen – Maurer, Tischler, Steinmetze und Schmiede. „Das war eine Station, die mich weitergebracht hat“, sagt Engelhorn.
Um sich fortzubewegen, durfte der junge Karbacher kein Geld ausgeben – so wollte es der Ehrenkodex, dem er sich verpflichtet hat. „Meine Wohnung war der Schlafsack und mein Kleiderschrank das Jackett“, sagt Engelhorn. Er habe oft im „1000-Sterne-Hotel“ geschlafen, also unter freiem Himmel, und dies sehr genossen. Bei extrem schlechtem Wetter oder bei großer Kälte übernachtete er auch mal im Vorraum einer Bank. Doch immer wieder fand er auch Unterschlupf bei netten Mitmenschen, bei ehemaligen Wandergesellen oder in Pfarrhäusern. „Mich hat überrascht, wie gastfreundlich die Leute waren, denen ich begegnet bin“, sagt Engelhorn.
Natürlich zog der 24-Jährige nicht nur durch Deutschland. Er bereiste die Niederlande, Dänemark, Rumänien, Österreich, Italien, Kroatien, die Türkei und Schweden. Dort, in Lappland, errichtete er mit anderen Handwerkern ein Hotel – keines aus Stein, sondern aus Eis. Außerhalb Europas führte Engelhorns Weg unter anderem nach Australien. Zusammen mit seinem Freund Sven Neugebauer aus Hamburg-Hamm, einem fast 29 Jahre alten Gesellen im Spenglerhandwerk, war er ein halbes Jahr „down under“.

Neugebauer ist dort mit seiner Freundin „hängengeblieben“, hat sich sesshaft gemacht. Trotzdem besteht die langjährige Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern weiterhin – zu viel haben sie miteinander erlebt, um sich einfach so aus den Augen zu verlieren.
In Australien errichtete Engelhorn nach alter deutscher Handwerkertradition eine Veranda, er arbeitete für Ärzte und die deutsche Botschaft. Bleibende Eindrücke hinterließ bei ihm die Great Ocean Road, eine 243 Kilometer lange Straße, die entlang der australischen Südküste im Bundesstaat Victoria verläuft.
Weitere positive Erinnerungen verbindet Engelhorn besonders mit seiner Reise durch Südamerika. In Bolivien nahm er bei einem Volksfest an einer traditionellen Wasser-schlacht gegen die Dorfgemeinschaft teil – und schlug sich wacker. Doch es gab auch Momente, in denen es schwer war, sehr schwer sogar. 14 Stunden stand Engelhorn zusammen mit zwei Weggefährten und einem Fahrer, der sie mitgenommen hatte, auf der schlechtesten Straße Boliviens in einem „Monster-Stau“.

Alles, was sie hatten, waren eine Flasche Wasser, sechs kleine Kekse, zwei Zigaretten und ein Viertelliter Rum. „Wir waren fast schon dehydriert“, erinnert sich Engelhorn. Zu allem Überfluss brach dann auch noch die Antriebsachse des Autos. Zum Glück wussten sich der Fahrer und ein anderer Mann in dieser Ausnahmesituation zu helfen. „
Es war bewundernswert, mit welcher Ruhe sie das Problem mitten auf der schlammigen Straße behoben haben“, erzählt Engelhorn. Der Stress war schnell vergessen, als die Reisenden den Titicacasee erreichten, der auf fast 4000 Metern Höhe liegt.

Doch auch die schönste Tour ist irgendwann einmal zu Ende – und so ging es für den Karbacher schließlich wieder nach Deutschland. Die letzte Woche seiner „Tippelei“ führte ihn von Forchheim über Bamberg, Bad Kissingen, Würzburg, Homburg, Erlenbach, Marktheidenfeld und Urspringen zurück nach Karbach. Am dortigen Ortsschild wurde Engelhorn von seiner Familie, Freunden und Bekannten empfangen. Mit im Schlepptau hatte der 24-Jährige zwei Dutzend weiterer Wandergesellen. Eine zünftige Abschiedsfeier auf dem Grillplatz der „Gladiators“ am Mühlberg machte Engelhorn den Abgang von der „internationalen Bühne“ ein wenig leichter.
Engelhorns Fazit nach seiner langen Wanderschaft: „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.“ Gerne hätte er noch mehr gesehen, noch mehr Erfahrungen bei der Arbeit in weiter Ferne gesammelt. Aber dem 24-Jährigen ist klar, dass es nicht ewig so weitergehen kann. Er drückt das so aus: „Jetzt wird es Zeit, wieder in die Gleise zu kommen.“