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Mittelsinn/Burgsinn
Bürger protestierten: Aus für Biomasse- und Recyclingpark in Mittelsinn
Jürgen Gabel
 |  aktualisiert: 13.02.2024 17:50 Uhr

Bürgermeister Peter Paul und der Gemeinderat von Mittelsinn beugten sich der Petition von fast der Hälfte der Bürgerschaft sowie dem Druck des Landratsamtes und zeigten dem geplanten "Biomasse- und Recyclingpark Sinngrund" die rote Karte.

Nach der Zustimmung des Gemeinderats zu den Plänen am 30. Juni rumorte es im Dorf. Eine Unterschriftensammlung gegen das vom Burgsinner Entsorgungsfachbetrieb Sachs geplante Vorhaben machte die Runde. Zwischenzeitlich erreichten Geruchsbeschwerden das Landratsamt und das Bauamt der VG Burgsinn empfahl, den jüngsten Beschluss zurückzunehmen, da keinerlei Genehmigung für den seit 2009 laufenden Betrieb auf dem Lagerplatz nördlich des Mittelsinner Bahnhofs vorliegt.

25 Zuhörer im Sitzungsaal

Die zwischenzeitlich aufgetretenen starken Geruchsbelästigungen, die beim Umschlag von Rechengut besonders über den südlichen Dorfbereich waberten, hatten die Bürgerschaft aufgebracht, sodass rund 25 Mittelsinner sich als Zuhörer im Sitzungssaal drängten, teils ohne Sitzgelegenheit.

Bürgermeister Paul erteilte zuerst Firmenchef Udo Sachs das Wort, der kurz über die Verlagerung der Recyclingsparte seines Betriebs nach Mittelsinn sprach. Rund 15 Arbeitsplätze sollten hier einmal geschaffen werden. Leider sei die von ihm geplante Informationsveranstaltung vom Landratsamt mit Hinweis auf das Veranstaltungsverbot nach der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verboten worden.

Bereits jetzt wurden erste Zwischenrufe laut: "Warum hat es neulich so bestialisch gestunken?" Udo Sachs stellte nochmals den Reinigungsvorgang der Kunststoffboxen mit Rechengut aus Kläranlagen vor und bestätigte jetzige Geruchsbelästigungen. Die werde es jedoch nach der Einhausung nicht mehr geben. Die Zwischenrufe wurden intensiver und die Gemeinderäte hatten zu tun, für Ruhe zu sorgen, um die Sitzung fortsetzen zu können.

"Warum stank es neulich so bestialisch?"

Petitionsführer Jürgen Beckmann fragte: "Warum stank es neulich so gravierend?" 636 Personen, davon 390 Mittelsinner, haben auf den Listen gegen das Vorhaben unterschrieben, führte er aus. "58 Prozent der Mittelsinner Bevölkerung wollen diese Anlage nicht. Wir fordern eine Rücknahme des Gemeinderatsbeschlusses vom 30. Juni. Ansonsten streben wir ein Bürgerbegehren an."

Die Gemeinderäte Marco Sachs, Philipp Kuhn und Alexander Fischer warfen Beckmann nicht ausreichende und nicht korrekte Information bei der Unterschriftensammlung vor. "Was mir nach dem Gemeinderatsbeschluss vom 30. Juni für Parolen nachgesagt wurden, ging mir echt unter die Haut und ich hinterfragte, ob ich mir das Ratsmandat weiter antue", sagte ein frustrierter Marco Blum. Die klare Aussage des Gremiums habe gelautet: Es darf die Bürger nicht belasten. "Es werden auf dem Lagerplatz viele Sachen wie Hackschnitzel, Bauschutt, Grünschnitt umgeschlagen, die uns keineswegs belasten", betonte Blum.

Dirk Schiefer rief jedoch Gemeinderatsbeschlüsse aus dem Jahr 2009 in Erinnerung, die das Erstellen eines Bebauungsplans für den Umschlag von Rechengut klar ablehnten. Dieser alte ablehnende Beschluss habe noch Gültigkeit, der Beschluss vom 30. Juni sei formell ungültig.

Bürgermeister Paul stellte fest, dass dieser Beschluss nur einer internen Willensbildung diente, nicht vollzogen und nicht nach außen kommuniziert worden war. Die Ratsneulinge Marco Sachs und Fabian Klein warfen Paul vor, dass er die alten Vorgänge und Beschlüsse vorenthalten habe.

Der Bürgermeister verlas ein aktuelles Schreiben des Landratsamtes, in dem Geruchsbelästigungen bestätigt werden. Der Lagerplatz der Firma Sachs sei 2009 errichtet und bis heute ohne Genehmigung betrieben worden. Jetzt plane die Firma, für das Grundstück einen Antrag für eine immissionsschutzrechtliche Anlage zur Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen zu stellen, wozu ein vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendig sei. Solche nicht unproblematischen Verfahren dauerten mindestens ein bis zwei Jahre.

Noch 2019 lehnte der Rat eine Entwicklung des Gebiets ab

"Aufgrund der Beschwerden und dem öffentlichen Interesse kann so lange nicht zugewartet werden", schreibt die Behörde. Vielmehr wird die Gemeinde aufgefordert, binnen eines Monats zu erklären, warum sie den Zustand auf dem Grundstück geduldet hat und wie sie zur aktuellen Nutzung des Geländes steht. "Das Landratsamt hat klipp und klar Fakten geschaffen", erklärte Jürgen Beckmann unter Applaus der Besucher. Er forderte den Gemeinderat auf, dem Wunsch der Bürger gerecht zu werden.

Wolfgang Volpert vom Baumt der VG verlas eine Stellungnahme seines Amtes, in welcher chronologisch die Vorgänge und ablehnenden Beschlüsse des Gemeinderates aufgelistet waren. So sei noch im Januar 2019 ein Ratsbeschluss erfolgt, dass man eine Weiterentwicklung des Grundstücks direkt an der Bahnlinie nicht haben möchte. Volpert kommentierte abschließend: "Jetzt ist die Gemeinde am Zug".

"Wenn ich jetzt die Hand hebe, mache ich eine Existenz kaputt", erklärte Philipp Kuhn und auch Marco Blum verweigerte sich einer "Hop- oder Top-Methode". Letztlich wurde mit 7:2 Stimmen entschieden: Der Gemeinderatsbeschluss vom 30. Juni 2020 wird aufgehoben. Es wird nochmals bekräftigt, dass die Gemeinde Mittelsinn keine planerische und erschließungstechnische Weiterentwicklung für das Grundstück der Firma Sachs in die Wege leiten wird. Dies bedeutet, dass es weder eine Änderung des Flächennutzungsplans hin zu einem Gewerbegebiet, noch eine Zustimmung zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gibt.

"Wir müssen die Interessen der Bürger über die wirtschaftlichen Ziele der Firma Sachs stellen", kommentierte Hans-Georg Linke abschließend die Entscheidung:. Ein Zuhörer sagte: "Zwölf Jahre lang ist illegal Rechengut verarbeitet worden. Kein Mensch hat sich darüber aufgeregt oder hat sich dafür interessiert."

 
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