Vollzählig war der Gemeinderat zur brisanten Sitzung um die Straßenabrechnungen des "Schustersgraben" angetreten und die Zuhörer, meist Straßenanrainer, nahmen den Raum der großen Halle ein. Über allem schwebte, vielleicht ungewollt, eine explosive Spannung. Den Spezialisten der VG, Wolfgang Volpert und Michael Schnall, gelang es durch Ruhe und Souveränität, befürchtete Eskalationen im Keim zu ersticken. Mehrere Redner warfen Bürgermeister Wolfgang Blum vor, die Gemeinderäte und die Anlieger nicht immer ausreichend informiert zu haben. Persönliche Beteiligung oder Verwandtschaft sorgt für zusätzliche Brisanz.
Die Diskussion eröffnete Artur Brasch mit der Erinnerung an den Erschließungsbeitragsbescheid von 1996, in welchem alte Maßnahmen in Höhe von 76 000 Euro enthalten wären. Bauamtsleiter Wolfgang Volpert votierte nach wie vor zu einer Abrechnung nach der Ausbaubeitragssatzung. "2016 hat der Gemeinderat für den Ausbau des alten Teilstücks mit einem Ausbaubeitrag von 70:30 entschieden", erklärte Alexandra Kreuzer-Hofmann. "Ohne den alten Beschluss aufzuheben, gibt die Verwaltung plötzlich neue Bescheide mit 90:10 raus. Ich verstehe die Welt nicht mehr".
Nach Dietmar Hofmanns Einschätzung sollen die Anwohner jetzt für damals gemachte Fehler verantwortlich gemacht werden. "Dass beim Straßenbau Mitte der 1960er-Jahre die Anlieger nicht zur Kasse gebeten wurden, ist nicht deren Problem", klagte Hans Brasch an. Weiter warf er Blum und der Verwaltung vor, den Gemeinderat nicht über den der Verjährungsablauf informiert zu haben. Kreuzer-Hofmann richtete scharfe Vorwürfe an Bürgermeister Blum, der heimliche Absprachen und Verhandlungen mit Anrainern geführt hätte und zielte besonders auf die mangelhafte Informationspflicht Blums.
Strab-Abschaffung zwang die Gemeinde zum Handeln
David Pahls dankte Bauamtsleiter Volpert für den informativen Vortrag: "Erst jetzt habe ich die ganzen Vorgänge verstanden". VG-Geschäftsführer Michael Schnall hob klar heraus, dass die Verwaltung nur die Beschlüsse des Gemeinderates umsetzt. "Die Abschaffung der Strabs 2018 zwang die Gemeinde zum Handeln und die jetzt versandten Erschließungsbeitragsbescheide sind nur ein Schutz der gemeindlichen Forderungen."
Drastisch trug Alexandra Kreuzer-Hofmann ihre Gefühle vor und wollte wissen, wie die Verwaltung mit anderen Ortsstraßen verfährt, die noch abgerechnet seien. Auf den mehrmaligen Einwand nach dem 2016 erfolgten Abrechnungsschlüssel 70:30 sagte Volpert, dass der Gemeinderat den Straßentyp feststellt. Hier war es eine sogenannte Anliegerstraße, die keinem innerörtlichen Durchgangsverkehr ausgesetzt ist.
Michael Schnall erklärte auch die Frage, warum die Gemeinde ohne Beschluss jetzt neue Erschließungsbeiträge mit 90:10 in Rechnung stellen kann. "Es war nie das Ziel der Widerspruchsführer, dass die Straße 90:10 abgerechnet wird", sagte ein Zuhörer. Vehement warf er dem Bürgermeister das Versäumnis vor, alle Anlieger zu einem Gespräch mit dem Ziel einer vernünftigen Lösung einzuladen. "Wir haben bereits dreimal bezahlt". "Die vier Widerspruchsführer des hinteren Teilstücks des "Schustersgrabens" haben jetzt die 90:10-Bescheide losgetreten", schoss Kreuzer-Hofmann eine Breitseite an die Nachbarn ab. Anschließend betonte Michael Schnall: "Der Schustersgraben ist nur in einem Stück zu sehen und kann nicht aufgeteilt werden".