Seit diesem Schuljahr dauert der Weg zum Abitur für die jetzige 5. und 6. Jahrgangsstufe in Bayern wieder neun Jahre. Doch für die Schüler, die das Abitur in acht Jahren machen wollen, soll es eine Überholspur geben. "Individuelle Lernzeitverkürzung" heißt dieses neue Konzept, mit dem das bayerische Kultusministerium es besonders begabten Schülern ermöglichen will, schneller zum Abitur zu kommen. Ist das ein gutes Konzept? Wir haben mit den Schulleitern der Gymnasien in Main-Spessart gesprochen.
"Das ist ein tolles Angebot", sagt Walter Fronczek, der Leiter des Johann-Schöner-Gymnasiums in Karlstadt, was etwas verwundert, denn Fronczek gilt als ausgewiesener Verfechter einer längeren Schulzeit. Als stellvertretender Vorsitzender des bayerischen Philologenverbands in Bayern hat er lange Zeit und schließlich erfolgreich für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium gekämpft.
"Passt in die Zeit"
Wenn Walter Fronczek jetzt von einem tollen Angebot spricht, dann hat er die Schüler im Blick, die zwischen der 10. und 12. Jahrgangsstufe einen Auslandsaufenthalt einlegen wollen. "Es schafft Luft, in ein fremdes Land zu gehen", meint er, "und dies passt in die Zeit einer zusammenwachsenden Welt."
Daher werde es, wie vom Gesetzgeber verlangt, diese Möglichkeit am Johann-Schöner-Gymnasium geben. "Da sind wir ganz loyal, das bieten wir an", so Fronczek. Die Schüler, die ab der 9. Jahrgangsstufe diesen Weg gehen, können sich bis zuletzt offen lassen, ob sie dann tatsächlich von der 10. in die 12. Klasse springen. "Dies ist wie bei einer Bushaltestelle, man kann einsteigen, aber auch wieder aussteigen", sagt Fronczek. Er wünscht sich, dass ein Auslandsaufenthalt mit Stipendien unterstützt wird, sodass dies auch für Schüler möglich ist, deren Eltern nicht so viel Geld haben.
Gut für die Charakterbildung
Ähnlich äußert sich Harmut Beck, Schulleiter des Balthasar-Neumann-Gymnasiums in Marktheidenfeld. Die Schüler könnten dieses Angebot auf zwei Arten nutzen. Sie können die Schulzeit verkürzen, was nach Ansicht von Beck nur besonders begabten und motivierten Schülern vorbehalten ist. Die zweite Art ist der Auslandsaufenthalt, was er für sinnvoller hält. Diese Möglichkeit habe schon das alte G9 geboten. Doch sei diese mit dem G8 verloren gegangen. Allenfalls seien beim G8 vier Wochen Auslandsaufenthalt möglich gewesen, aber kein halbes oder ganzes Jahr.
Mit dem neuen G9 gebe es wieder diese Möglichkeit, sagt Beck. Und sie werde sogar unterstützt, da die Schüler in der 9. und 10. Klasse Förderunterricht bekommen. Daher findet Beck das Angebot sehr gut, wenn es für einen Auslandsaufenthalt genutzt wird. "Die Schüler lernen nicht nur sprachlich jede Menge dazu", sagt er, "auch für ihren Charakter ist dies eine wertvolle Erfahrung."
Ein Drittel für die Überholspur geeignet
Bernd Rottenbacher, Schulleiter am Franz-Ludwig-von-Erthal Gymnasium Lohr, schätzt, dass etwa ein Drittel der Gymnasiasten in der Lage ist, dass Abitur in acht Jahren zu machen. Einem weiteren Drittel könne dies mit viel Förderung gelingen. Und für ein letztes Drittel gehe das eher nicht. Dass es im neuen G9 eine Überholspur gibt, findet Rottenbacher daher gut und er ist gespannt, wie viele Schüler diesen Weg gehen werden.
"In zwei Jahren wissen wir mehr", meint er. Begabte Schüler können es schaffen, die 11. Klasse zu überspringen, "denn wir lehren unsere Schüler Kompetenzen". Mit diesen können sie auch den Stoff der 12. Klasse begreifen, ohne die 11. besucht zu haben. "Der Lehrstoff habe sich entfernt von reinem Pauken beispielsweise von Jahreszahlen im Geschichtsunterricht", sagt er.
Nur wenige werden abkürzen
"Die Überholspur ist eine gute Idee", meint auch Reiner Plass, stellvertretender Schulleiter am Friedrich-List-Gymnasium in Gemünden. Er bezeichnet dies als einen Turbo-Weg für besonders leistungsstarke Schüler. Organisatorisch sei dies zu schaffen, denn er glaubt nicht, dass viele Schüler diesen Weg gehen.
Ähnlich äußert sich Robert Wolz, Schulleiter der Theodosius-Florentini-Schule in Gemünden. Es sei keine Frage, dass dieser Weg auch an seiner Schule eingerichtet wird. "Da schließen wir uns an", sagt er. Dass eine verkürzte Schulzeit für besonders talentierte Schüler möglich sein wird, begrüßt Wolz, ebenso auch die Möglichkeit, dieses übersprungene Schuljahr für einen Auslandsaufenthalt zu nutzen.