zurück
MARKTHEIDENFELD
Auf der Suche nach Sinn und Orientierung
Freude über eine gelungene „Zwiesprache“ im Franck-Haus: (von links) Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder, Alexander Dettmar und Jürgen Doppelstein (Ernst-Barlach-Gesellschaft Hamburg).
Foto: Martin Harth | Freude über eine gelungene „Zwiesprache“ im Franck-Haus: (von links) Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder, Alexander Dettmar und Jürgen Doppelstein (Ernst-Barlach-Gesellschaft Hamburg).
Martin Harth
Martin Harth
 |  aktualisiert: 02.02.2018 02:59 Uhr

Es mag schon etwas kurios erscheinen, dass ein Künstler, der von sich sagte, dass er seine Werke nur für sich selbst schuf, auch 80 Jahre nach seinem Tod zu den bekanntesten deutschen Bildhauern zählt. Denn die Werke von Ernst Barlach (1870–1938) zählen auch heute noch zu den Publikumsmagneten in der deutschen Kunstwelt der Gegenwart.

Dies verdeutlichte Jürgen Doppelstein, der sich als Vorsitzender der Ernst-Barlach-Gesellschaft um das Lebenswerk des Bildhauers, Zeichners und Schriftstellers bemüht, am Freitag vor rund 120 Gästen bei der Eröffnung der Ausstellung „Zwiesprache“ im Franck-Haus.

In Zusammenarbeit mit der Hamburgers Publikumsgesellschaft sind dort bis zum 8. April, dem 70. Jahrestag der Stadterhebung Marktheidenfelds, 23 Plastiken von Barlach zu sehen. Sie stehen im Zusammenklang mit über 30 Ölgemälden des Künstlers Alexander Dettmar, dessen Atelier in Leipzig beheimatet ist und der zu den bedeutenden Vertretern der Freilichtmalerei der Gegenwart zählt.

Dass dessen expressiv anmutende, farblich ausdrucksstarke Architekturdarstellungen aus deutschen Städten nicht zur bloßen Kulisse für die teilweise sehr bekannten Bronze-Figuren Barlachs werden, liegt an einer durchdachten Inszenierung der Ausstellung und an der überzeugenden Qualität der Gemälde aus 30 Schaffensjahren. So treten sie in einen echten Dialog mit den realistischen, reduzierten und tief bewegenden Darstellungen Barlachs. Gerade Beispiele seiner frühen Plastik nach einer Russland-Reise im Jahr 1906, die Barlach stilprägend beeinflussen sollte, beeindrucken den Betrachter neben den bekanntesten Darstellungen wie „Der singende Mann“ oder „Der Flüchtling“ zutiefst. Die Skulpturen Barlachs, dessen Werke einst vor seinem Tod in der nationalsozialistischen Diktatur als „entartet“ diffamiert wurden, korrespondieren in ihrer hohen Emotionalität und klaren Formensprache bestens mit den anregenden Farben und der konsequent klaren Formensprache von Dettmars Gemälden.

So zeigte sich Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder bei der Vernissage stolz über einen ersten, herausragenden Höhepunkt zum 20-jährigen Jubiläum des Franck-Hauses. Dass sich Dettmar im Herbst bei einem Besuch künstlerisch mit Marktheidenfeld auseinandersetzte und nun vier Darstellungen aus der Stadt an bevorzugter Stelle präsentiert würden, freue sie und berühre die Herzen der Besucher sicher in besonderer Weise.

Jürgen Doppelstein ging in seiner Eröffnungsrede auf die konzentrierten Figuren Barlachs und Dettmars ruhige Bilder in Erdtönen ein. Im einstigen Haus des Marktheidenfelder Weinhändlers Franck sei ein mystischer Raum der künstlerischen Begegnung über Generationen hinweg entstanden.

Barlachs aufwühlende Figuren atmeten die norddeutsche Küstenlandschaft, die der Bildhauer schätzte und die auch Dettmars Architektur-Gemälden entspreche. Die Skulpturen zeigten verzweifelte, strauchelnde Menschen auf der Suche nach Sinn und Orientierung. Man blicke in den Darstellungen, die zur Zeit Barlachs im Kontrast zu vielen anderen, modernen Kunstströmungen standen, in die Seele des Individuums auf seinem Weg.

Auch Dettmar stehe im Gegensatz zu seiner Zeit, wenn er der Langsamkeit, der Stille und der Imagination in seinen Werken Raum zwischen Abbild und Fantasie einräume. Er werde zum Spurensucher und zeige, in welchen Räumen und Häusern Menschen lebten und arbeiteten, in welchen Kirchen und Synagogen sie zu Gott beteten. Unsere Städte drohten im allgegenwärtigen Wandel glatt zu werden. Dettmar distanziere sich von der Oberflächlichkeit und mache Geschichte offenbar.

Alexander Dettmar meinte, dass der Künstler das Privileg besitze, sich mit seiner Arbeit den Zwängen des Alltags entziehen zu können. So gesehen sei er ein „asoziales Wesen“, das seine Entscheidungen allein für sich selbst treffen könne.

Die Ausstellung „Zwiesprache“ ist bis 8. April im Franck-Haus zu sehen: von Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr (am Faschingswochenende 10. und 11. Februar geschlossen). Am Mittwoch, 7. März, findet um 19 Uhr ein Vortrag des Kunsthistorikers Thomas Huth zum Thema „Ernst Barlach – Leben und Werk“ statt.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Marktheidenfeld
Martin Harth
Ausstellungen und Publikumsschauen
Bildhauer
Deutsche Bildhauer
Formensprache
Helga Schmidt-Neder
Skulpturen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top