Hitzesommer, Starkregenereignisse, Trockenperioden – der Klimawandel stellt Kommunen bei der Stadtentwicklung vor Herausforderungen. Wie sich diese meistern lassen und das Stadtklima günstig beeinflusst werden kann, will die Stadt Lohr als einer von acht Teilnehmern am bayerischen Modellprojekt "Klimagerechter Städtebau" herausfinden. Am Ende des Prozesses sollen klare Empfehlungen für das künftige Handeln stehen, beispielsweise bei der Beurteilung von Bauprojekten oder für den Umgang mit Frisch- und Kaltluftschneisen.
Doch zuächst steht die Bestandsaufnahme auf dem Programm. Über deren bisherige Erkenntnisse gab am Montag in der Sitzung des Stadtrats das beauftragte Kasseler Büro Burghardt & Partner einen Zwischenbericht. Es hat in den vergangenen Monaten eine Vielzahl Daten zur klimatischen Situation im engen Lohrer Talkessel gesammelt. Das Spektrum umfasste zum Beispiel das Erfassen von begrünten oder bebauten Flächen, auch das Ermitteln von Kaltluftschneisen oder Bereichen, in denen sich Frischluft bildet. Senken, die bei Starkregen den Wasserabfluss puffern können, wurden ebenso identifiziert wie Wärmeinseln.
Kaltluft muss ins Tal fließen können
Ingenieur René Burghardt unterstrich in seinen Ausführung das, was in Lohr schon lange immer wieder Thema ist: Für das Klima im Talkessel ist es besonders wichtig, dass die in der Nacht vor allem auf freien, unbebauten Flächen gebildete Kaltluft über Schneisen ins Tal fließen kann. Die Kaltluft bewege sich dabei "wie zähe Flüssigkeit", veranschaulichte Burghardt. Da durch den Klimawandel Wetterlagen mit großem natürlichen Luftaustausch abnähmen, seien diese lokalen Systeme der Luftströme umso wichtiger.
Eine solche Schneise stellt in Lohr der Grünzug zwischen Sackenbach und Lindig dar. Er ist auch im Regionalplan als Luftschneise festgeschrieben. Dennoch gab es in der Stadtpolitik in den vergangenen Jahren immer wieder auch Begehrlichkeiten, schließlich sind für eine Bebauung infrage kommende Flächen im Talkessel Mangelware.
Um die Bedeutung des Grünzugs genauer beurteilen zu können, wurde laut Burghardt dort nun besonders intensiv gemessen. Die vorläufige Einschätzung laute, dass der Grünzug zwischen Sackenbach und Lindig "auf jeden Fall eine wichtige Bedeutung" für die Durchlüftung des gesamten Talkessels habe, so Burghardt. Bürgermeister Mario Paul betonte, dass dies außer Frage stehe. Bei der Frage einer möglichen Bebauung gehe es lediglich um einen rund 10.000 Quadratmeter großen Teilbereich oberhalb des Umspannwerks.
Keine pauschalen Lösungen
Insgesamt, so Paul, bekomme man durch die nun laufende Untersuchung und das Projekt zum klimafreundlichen Städtebau für künftige Projekte eine Entscheidungshilfe an die Hand. Generelle Handlungsempfehlungen seien jedoch nicht zu erwarten, machte Burghardt klar. Vielmehr müsse jede Einzelmaßnahme beleuchtet werden.
Dies ließen auch Antworten Burghards auf Nachfragen aus dem Gremium erkennen. So erklärte er, dass man die Frage, ob große Bäume in der Innenstadt per se gut für das Stadtklima seien, so nicht beantworten könne. Stünden diese Bäume beispielsweise in einer engen Straße, könnten die Baumkronen den Luftaustausch bremsen und die Anreicherung von Schadstoffen begünstigen. Auch die Frage, ob Innenverdichtung generell besser sei als neues Bauland, lasse sich nicht pauschal beantworten. Es gebe auch in Lohr Bereiche, in denen eine Verdichtung des Gebäudebestands gut möglich sei. An anderen stellen sei es sinnvoller, "in die Fläche zu gehen", so Burghardt.
Seiner Vorstellung nach sollte die Stadt eine dauerhafte Personalstelle schaffen, die unter Berücksichtigung der derzeit erarbeiteten Erkenntnisse Bauvorhaben beurteilt. Hierfür gebe es Fördergelder. Dort, wo eine vertiefende Betrachtung erforderlich sei, brauche es dann mikroklimatische Gutachten. Die Kosten für diese müssten laut Burghardt Bauherren tragen.
Die begonnenen Untersuchungen laufen weiter. Mit einem Abschluss ist wohl im Herbst zu rechnen.