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STEINFELD
Auf den Hirsch gekommen: Steinfelder Unternehmer hält Rotwild
Die Rothirsche, die Unternehmer Georg Weidner aus Steinfeld im hessischen Lohrhaupten hält, sind recht zahm.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Rothirsche, die Unternehmer Georg Weidner aus Steinfeld im hessischen Lohrhaupten hält, sind recht zahm.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:03 Uhr

Die Rothirsche im Gehege des Steinfelder Unternehmers Georg Weidner in Lohrhaupten, knapp vier Kilometer von der Bayerischen Schanz entfernt, machen einen entspannten und zahmen Eindruck: „Wir wollen ja stressfreies Fleisch und keine Tiere, die gegen den Zaun springen“, sagt Weidner. Ruhig kommen sie an, als er vorfährt, manche mit mächtigem Geweih, fressen Gerste direkt in der Halle oder aus Schubkarren davor. Nach einer Weile trollen sie sich wieder. Von irgendwoher aus dem 17-Hektar-Gehege ertönen letzte Brunftrufe, das „Halligalli“ der Brunftzeit ist fast vorüber.

Weidner, 60, ist Inhaber des Unternehmens BGW Bohr in Steinfeld, spezialisiert auf Zulieferteile für die Betonfertigteilindustrie. 50 Mitarbeiter hat er in Steinfeld und in China nach eigener Angabe noch einmal 150. Zuletzt hörte man von ihm, als er 2014 die insolvente Willy Kreutz GmbH übernahm. Gerade ist er dabei, eine neue Halle am Kreisel zwischen Steinfeld und Hausen zu errichten. Und jetzt vermarktet er das Fleisch der Hirsche. „Es muss sich ja tragen.“

Eigentlich Ausgleichsflächen gesucht

Wie kommt der Unternehmer zu Hirschen im Spessart? Das Ganze habe damit angefangen, erzählt er – offenbar recht unempfindlich gegen morgendliche Kühle im Polohemd –, dass er vor rund zehn Jahren eine Anzeige aufgab, er suche für den Bau einer Fertigungshalle Ausgleichsflächen. Es meldete sich ein Hanauer Großmetzger, der ursprünglich aus Lohrhaupten stammt, und bot ihm sein Rotwildgehege an. Als Ausgleichsfläche war es, da in Hessen liegend, zwar nicht geeignet, aber Weidner griff zu.

Der Unternehmer und seine Frau schießen die Tiere selbst, etwa 60 Stück im Jahr. Die Zubereitung übernimmt ein Metzger. Insgesamt leben 120 bis 180 Tiere im Gehege, je nachdem ob Kälber da sind. Beim Schießen muss immer darauf geachtet werden, dass im Hintergrund des zu erlegenden Tieres ein Kugelfang ist, damit die Kugel in den Boden eindringt und nicht unkontrolliert weiterschwirrt oder ein anderes Tier trifft, sagt der Steinfelder.

Hirschspezialitäten waren erst nur für seine Kunden gedacht

„Was wir hier machen, sind eigentlich Weihnachtsgeschenke für unsere Kunden“, sagt Weidner. Es sollte etwas Besonderes sein, und so bekamen sie Gulasch, Schinken und Bratwurst vom Hirsch. Daniel Kolos, Sohn von Weidners Frau und für Marketing und Vertrieb bei den Unternehmen des 60-Jährigen und auch beim Wild zuständig, sagt, dass die Kunden so angetan gewesen seien, dass sie sich Pakete mit Wildprodukten nach Hause schicken ließen. „Der Versandhandel über weidner-wild.de ist eher durch Zufall entstanden.“

Auch die frisch abgeworfenen Geweihe verkauft Weidner – als Kaumaterial für Hunde. Immer wieder würden ihm jedoch aus dem Gehege Geweihe geklaut. Er hat selbst schon jemanden gesehen, der schwarz maskiert angefahren kam. „Wenn du sie nicht selber schnell sammelst, kriegst du keins“, sagt der Hirschhalter.

Hirsche aus Bayern, Sachsen, Karpaten und England

Als Georg Weidner das Gehege übernahm, hatte der Vorbesitzer bereits alle Tiere verkauft. Damit die Genehmigung nicht erlischt, musste der Unternehmer das Gehege innerhalb eines Jahres neu bestücken. Also holte er sich Hirsche aus dem Bayerischen Wald, aus dem sächsischen Crimmitschau und Tiere von einem Züchter bei Leipzig. Der Leipziger Züchter hat Hirsche aus den Karpaten, die größer seien als heimisches Rotwild, aber dafür weniger stattliche Geweihe hätten. Aber Weidner holte auch Tiere aus England, wo die Hirsche kleiner seien, aber Geweihe mit vielen Enden hätten. Sein Hirsch mit dem größten Geweih ist ein achtjähriger 36-Ender.

Als im März 2015 eine Wölfin bei Bad Soden-Salmünster überfahren wurde, informierte sich Weidner, ob es einen Zuschuss gibt, wenn er sein Gehege gegen Wölfe und Luchse schützt. Es gebe nichts, da solche Raubtiere hier nicht vorkämen, wurde er damals beschieden. Er hofft, dass seine Hirschkühe genug Mutterinstinkt haben, dass sie ihre Kälber verteidigen, jetzt, wo der Wolf angekommen ist. Er selbst muss, will er Kälbern Ohrmarken verpassen, eine dicke Jacke anziehen, weil ihn dann oft gleich mehrere Kühe mit ihren Läufen attackieren. Für ihn ein gutes Zeichen.

Er soll Unterstände bauen, kriegt sie aber nicht genehmigt

Das Veterinäramt möchte nun, dass er Unterstände für seine Tiere baut. Das würde er auch gerne tun, habe schon Bauanträge gestellt, aber er bekomme sie nicht genehmigt. Demnächst habe er deshalb eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt gegen die Gemeinde. Dass seine Tiere nicht gleich weglaufen, wenn jemand kommt, brachte ihm von irgendwem eine Anzeige, weil sie angeblich verhaltensgestört seien, ärgert er sich.

Seine Hirsche sind im tiefen Spessart aber natürlich nicht die einzigen ihrer Art. Im nahen Joßgrund etwa gibt es riesige Rudel. Von außen versuchen oft frei lebende Hirsche in das Gehege einzudringen. „Einen normalen Wildzaun legen die in einer Nacht um.“ Er hat seinen Zaun an den entscheidenden Stellen zusätzlich mit Baustahlmatten versehen. Nicht selten hingen Geweihe oder Stücke davon im Zaun, sowohl von seinen Tieren als auch von wilden. Er hat beobachtet, dass Hirsche mit abgebrochenem Geweih trauerten und weniger Selbstbewusstsein hätten.

50 Tonnen Gerste im Jahr

Weidner füttert seine Tiere außer mit Gerste mit Mineralfutter, Heu und Grassilo. Er braucht etwa 50 Tonnen Gerste im Jahr, die er auf eigenen Äckern anbaut. Dass sich seine Tiere am Getreide überfressen und dann verenden, fürchtet er inzwischen nicht mehr. „Weil sie es gewöhnt sind und ohne Stress fressen können.“ Um Lohrhaupten lohne sich das Dreschen auf manchen Äckern aber mitunter kaum, weil das wilde Rotwild so große Schäden anrichte.

Von seinen Wiesen kommen etwa 200 bis 300 Rundballen Heu im Jahr, einen Teil davon verstreut er im Gehege als Dünger und damit der Boden nicht abgeschwemmt wird, was bei Starkregen ein großes Problem ist. Damit genug Gras wächst, bringt er im Jahr zudem etwa 200 Kilo Grassamen aus.

Fast täglich ist Weidner bei den Tieren, meistens abends und nachts. Die rund 45 Minuten Fahrstrecke brauche er, um abzuschalten, runterzukommen.

„Wir wollen stressfreies Fleisch und keine Tiere, die gegen den Zaun springen.“
Georg Weidner, Unternehmer und Tierhalter
Weidners Gehege ist 17 Hektar groß.
Foto: Björn Kohlhepp | Weidners Gehege ist 17 Hektar groß.
Gelassen blickt dieser Hirsch den Besucher an.
Foto: Björn Kohlhepp | Gelassen blickt dieser Hirsch den Besucher an.
 
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