Der musikalische Begleiter Wilhelm Schwerdhöfer hatte auf seiner Zither vielleicht unbewusst ein wenig von den Themen vorgegeben, die Main-Spessarts Sozialdemokraten im Marktheidenfelder Franck-Haus-Keller beschäftigen sollten, wo man der Gründung der bayerischen Sozialdemokratie vor 120 Jahren gedachte.
„Heute ist der Tag des Herrn“ hatte er den Genossen vorgespielt, was bereits ein wenig die Frage nach der Verwurzelung der ältesten demokratischen Partei Deutschlands in der einst katholisch-klerikal geprägten Wittelsbacher Monarchie aufwarf. Auf eine musikalische Randnotiz ließ sich auch der Kreisvorsitzende Harald Schneider ein, als er in seiner Begrüßung auf die kaum bekannte Tatsache hinwies, dass mit dem Hamburger Gewerkschaftssekretär Michael Englert ein gebürtiger Marktheidenfelder 1916 die Parteihymne „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit“ von Hermann Claudius vertont hatte.
Der Festvortrag von Professor Dr. Klaus Schönhoven überraschte. Der in Reichenberg und Paris lebende Politikwissenschaftler zählte nicht nur die Verdienste der bayerischen Sozialdemokratie auf, sondern versuchte seinen politischen Freunden in Main-Spessart auch Kritik und Rat für aktuelle Aufgaben zu vermitteln. In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg sei die Sozialdemokratie in Bayern wohl am stärksten gewachsen: „Seid euch bewusst, dass 1912 vor 100 Jahren prozentual mehr sozialdemokratische Abgeordnete im bayerischen Landtag saßen als heute!“
Die frühe bayerische SPD habe mit ihrem Gründungsvater Georg von Vollmar ausgezeichnet, dass sie schon 1892 vom revolutionär-doktrinären Kurs der SPD August Bebels abgerückt sei. Sie habe sich aus ihrer Lage im ländlichen, katholischen Bayern von vornherein als demokratische Reformpartei verstanden.
Im Jahr 1933 bestanden auch Bayerns Sozialdemokraten auf dem legalen Widerstand gegen Hitler und seien nicht zum offenen Kampf angetreten. Aber sie widersetzten sich dem Ermächtigungsgesetzen, die auch in München im Parlament zur Abstimmung standen. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Alfred Roßhaupter fand sich schon kurz nach seiner mutigen Landtagsrede mit vielen anderen Sozialdemokraten im Konzentrationslager wieder.
Stolz dürfe Bayerns Sozialdemokratie auf ihren zweimaligen Ministerpräsidenten und Vater der modernen Bayerischen Verfassung Wilhelm Hoegner sein. Er habe entscheidende Grundlagen für das heutige Bayern gelegt. Den Blick auf Hoegners Vierer-Koalition von 1954 bis 1957, die gegenwärtig gerne als Vorbild für eine Zukunftsoption bemüht wird, sah Schönhoven eher skeptisch: „Ehrlich gesagt, bei Aiwanger und seinen Freien Wählern sehe ich das politische Potenzial dazu nicht.“
Mit Blick auf die Wahlen im Saarland mahnte der Festredner: „Wenn junge Leute scharenweise der unsäglichen Ein-Themen-Partei der Piraten zulaufen, dann muss die Sozialdemokratie programmatisch etwas versäumt haben!“