
Es dauert nur rund eine halbe Stunde. Und schon hat die Zahl der Aale im Main zwischen Erlach und Neuendorf um rund 15 000 zugenommen, die der Karpfen um rund 1000. Die Fischerzunft Lohr hat Fische ausgesetzt.
Der Mainabschnitt, für den die Zunft seit langer Zeit die Fischereirechte hält, zieht sich von knapp oberhalb Erlach mainaufwärts bis hinter Neuendorf, genau von Flusskilometer 191,6 bis 206. Tausende Fische setzt die Zunft in diesem Bereich Jahr für Jahr aus, einerseits, um den Fischbestand generell zu stärken, andererseits auch, um die Voraussetzung für einen erfolgversprechenden Angel- und Fischereibetrieb zu schaffen.
Gerade der in seinem natürlichen Wanderverhalten durch Schleusen und Kraftwerke stark eingeschränkte Aal wäre ohne diesen Besatz binnen weniger Jahre wohl komplett aus dem Main verschwunden, sagen Experten. Es sind jedoch nicht nur diese Hindernisse, die der als bedroht geltenden Art zusetzen.
Glaube an Potenzsteigerung
Seit einigen Jahren gibt es noch eine andere Gefahr für den Aalbestand: Asiatische Essgewohnheiten. In Fernost gelten ganz junge Aale nicht nur als Delikatesse. Man sagt ihnen dort auch eine potenzsteigernde Wirkung nach.
Die jungen, nur wenige Zentimeter langen und nicht mal ein Gramm schweren Fische werden auch Glasaale genannt, da sie fast durchsichtig sind. Der Export von in Europa gefangenen Glasaalen ist seit 2010 verboten. Doch es blüht ein illegaler Handel. Die Gewinnspannen sollen dabei denen des Drogen- oder Waffenhandels ähneln. Kostet ein Kilo Glasaal in Europa einige Hundert Euro, sind es in Asien zigtausend.
Gefährliche und lange Reise
Immer wieder stellt die Polizei beispielsweise am Flughafen in Frankfurt illegale Glasaal-Lieferungen sicher, so beispielsweise erst im Dezember 2018, als rund 100 000 für Vietnam bestimmte Fischchen entdeckt wurden, verpackt in mit Wasser gefüllten Plastikbeuteln.
Der illegale Handel könnte den Aalbestand in manchen Binnenwässern zusätzlich dezimieren. Denn eine Verknappung des Angebots an Glasaalen durch illegalen Handel lässt es teurer werden, womöglich zu teuer für die Fischerzünfte, um in großem Stil Glasaale auszusetzen.
Dass dieser Besatz unerlässlich ist, liegt an einer Besonderheit im Leben des schlangenförmigen Flussfisches: Es ist bislang nicht gelungen, Aale zu züchten. Die natürlichen Laichgewässer liegen viele tausend Kilometer von Europa entfernt, in der Sargassosee östlich von Kuba und Florida. Dort geschlüpfte Glasaale wandern getragen vom Golfstrom quer durch den Atlantik zu Europas Westküsten. Dort schwimmen sie in die Flüsse.

Doch in vielen Flüssen versperren Schleusen und Kraftwerke die natürlichen Wanderwege. Deswegen werden an Europas Westküste Jahr für Jahr mehrere Dutzend Tonnen Glasaale gefangen und von Menschenhand in die Oberläufe der Flüsse gebracht. Ohne dieses Aussetzen wäre der Aal auch aus dem Main in rund zehn Jahren weitgehend verschwunden, sagt Wolfgang Silkenat, Fischereiberater des Bezirkes Unterfranken.
Die ausgesetzten Aale leben nur rund acht bis zehn Jahre im Main. In dieser Zeit wachsen sie bis zu knapp einem Meter Länge und bis zu zwei Kilo heran. Dann erwacht der Wandertrieb in der Tieren. Sie machen sich auf die lange Reise zurück Richtung Sargassosee.
Turbinen und hohe Preise

Doch meist endet diese Reise schnell und jäh. In den Turbinen der Kraftwerke werden die Aale zerhackt oder vom dort herrschenden hohen Druck schwer verletzt oder getötet. Nur ein Bruchteil der wandernden Aale dürfte die Laichgewässer erreichen. Dies wiederum mindert die Vermehrungsrate. Fischereiberater Silkenat sagt, dass an den Westküsten Europas heute nur noch etwa ein Zwanzigstel der früheren Glasaalmenge ankommt.
Den Zustand des Aalbestandes im Main sei "prekär". Aufgrund der Zahl von 34 Kraftwerken entlang des Flusses "schneidet der Main bei der Abwanderung des Aals sehr schlecht ab", sagt Silkenat. Jede Schleuse sei für die Tiere "wie russisches Roulette". Die Fischtreppen, die den Aalen den Weg um die Schleusenturbine herum ermöglichen sollen, funktionierten in der Praxis kaum oder gar nicht.
Allerdings gibt es laut Silkenat auch Hoffnung. Seit einigen Jahren erhole sich der Aalbestand etwas. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Fischerzünfte wieder mehr Tiere aussetzen. Zwischendurch habe es nicht zuletzt aufgrund der Preisentwicklung bei den Glasaalen "eine Delle beim Besatz" gegeben, so Silkenat, weil sich die Zünfte die Menge an Aalen schlichtweg nicht mehr hätten leisten können.