
Die Archäologen finden in Karlstadt reichlich Betätigung. Das liegt am historisch-wertvollen Boden mit Zeugnissen aus einer sehr frühen Besiedlung und beweist, dass in Karlstadt baulich einiges vorangeht. Wenn wie auf dem Kirchplatz 2009 und aktuell in der Maingasse die Oberfläche saniert oder neu bebaut wird, geht es zunächst einmal in die Tiefe. Ein neues Suchgebiet der Archäologen für mögliche Rettungsgrabungen liegt demnächst außerhalb der Altstadt – im geplanten Gewerbegebiet „Hirschfeld“.
Auf zwölf Hektar sollen sich bald – Bauamtsleiter Herbert Werthmann nennt 2014 – neue Unternehmen ansiedeln und heimische expandieren können. Im ersten Bauabschnitt südlich der Verbindungsstraße von der Bundesstraße 26 zum Kreisel Hammersteig droht aber für die 14 Grundstückeigentümer erst noch Ungemach.
Auf der etwa zwei Hektar großen Fläche vermutet das Landesamt für Denkmalpflege eine Neolithische Siedlung oder Flachgräber der Urnenfelderzeit und der Hallstattzeit, wie Bauamtsleiter Werthmann auf Nachfrage erklärt: „Wir haben alle Eigentümer angeschrieben und baten um Rückmeldung, ob sie eine Grabung auf ihren Grundstücken gestatten.“ (Siehe Grafik.)
Eigentümer müssen zahlen
60 Cent pro Quadratmeter Grabung fallen für die Eigentümer an, denn archäologische Untersuchungen müssen die Grundstückseigentümer bezahlen. Der Bauamtsleiter rät den Eignern, für die künftige Verwertung ihrer Grundstücke den Grabungen zuzustimmen. Sorge, dass einige sich verweigern und damit vielleicht den ganzen ersten Bauabschnitt des neuen Gewerbegebietes in Frage stellen, hat Werthmann nicht: „Es kauft ja keiner die Katze im Sack. Wenn jemand später sein Grundstück doch verkaufen will, rücken die Archäologen wieder an.“
Doch dann müsse der eine Eigentümer den ganzen Aufwand von der Vergabe über die Grabung bis zur Dokumentierung selbst organisieren und bezahlen. Und die Erschließungskosten müsse der sich verweigernde Grundstückeigner sowieso bezahlen. „Die Stadt wird finanziell in Vorleistung gehen und dann die Grabungskosten bei der Baulandumlegung berücksichtigen“, sagt Werthmann zu.
Die Archäologen sollen bald beginnen. „Es hieß nach der Ernte, und die ist fast zu Ende“, sagt Werthmann. In dem Gebiet werden der Mutterboden abgetragen und Suchschlitze von zwei Metern Breite etwa 40 Zentimeter tief – unterhalb der Flugscharte – auf einer Gesamtschnittlänge von 300 Metern gegraben. Auch im zweiten Bauabschnitt ganz im Süden des künftigen Gewerbegebiets vermuten die Archäologen historische Funde.
Eine weitere Verzögerung könnte laut Werthmann die frühere sogenannte Sandgrube entlang der Bundesstraße 26 bis zum Hammersteig bringen. Der Name Sandgrube verharmlost, was im Boden wirklich steckt: Müll der Bürger – verfüllt bis zur kontrollierten Entsorgung durch die Stadt ab den 60er Jahren in einem Teil der Benkert-Kiesgruben bis zur Öffnung der Kreismülldeponie 1977.
So erinnert sich Gerhard Kralik, dass sich die Bürger dort nach dem Zweiten Weltkrieg Sand holten und später unkontrolliert ihren Hausmüll entsorgten, lange bevor ein Abfallbeseitigungsgesetz die Müllentsorgung in feste Regeln presste.
Altbürgermeister Karl-Heinz Keller bestätigt, dass in seiner Amtszeit beim Bau der Unterführung von Bahn und Bundesstraße 26 Müll herausgeholt wurde.
Diese Altlasten werden laut Herbert Werthmann auf chemische Belastungen untersucht. Gefunden wurden schon Plastik, Dosen, Ziegel, Beton, Schlackereste, Zement, Asbest, Ölreste und Glas. Für die ständige Grundwasseruntersuchung stehen bereits Brunnen im Hammersteig. Herberth Werthmann erläutert die Vorgehensweise so: „Es werden Proben entnommen. Die Umweltbehörden entscheiden dann, was passieren muss. Bislang haben die Proben für das Grundwasser nur eine geringe Überschreitung der Messwerte ergeben. Noch sehen die Grundwasserbeobachter keinen Handlungsbedarf.“
Die am Gewerbegebiet interessierten Unternehmer müssen sich gedulden. Realistisch ist für Herbert Werthmann Frühjahr 2014. Das hängt aber davon ab, was die Archäologen im Boden finden – und von der Höhe der Umweltproblematik.
Neolithikum, Hallstattzeit und Urnenfelderkultur
Die Jungsteinzeit, auch Neolithikum (altgriech. neos = neu, jung sowie lithos = Stein), ist die Menschheitsepoche mit dem Übergang vom Jäger und Sammler zu sesshaften Bauern in Dorfgemeinschaften mit Haustieren und Pflanzen. Nahrungsproduktion und Vorratshaltung bildeten die Basis für Bevölkerungswachstum. Dieser Prozess vollzog sich vor etwa 12 000 Jahren erstmals in der Südtürkei. Das Ende der Jungsteinzeit wurde mit der Verarbeitung von Kupfer eingeleitet, deshalb Kupfersteinzeit.
Die Hallstattzeit bezeichnet einen Abschnitt der älteren Eisenzeit. Sie wird nach den Funden in einem Gräberfeld oberhalb des Ortes Hallstatt im Salzkammergut (Österreich) benannt. Die Hallstattzeit liegt zwischen 1200 und 450 v. Chr. Dazu gehört die bronzezeitliche Urnenfelderkultur von 1000 bis 800 v. Chr. Ihr Name geht auf den damaligen Bestattungsritus zurück: Die Leichen wurden auf einem Scheiterhaufen verbrannt, ihre Asche dann in Urnen beigesetzt.