Die Apfelernte in Deutschland fällt nach Schätzung der Obstbauern heuer nur etwa halb so groß aus wie im Durchschnitt der Vorjahre. Viele erwarten Einbußen. Dabei sieht es im Raum Lohr ganz unterschiedlich aus.
Während Wolfgang Kübert von der gleichnamigen Kelterei in Rodenbach wohl nur an zwei statt der sonst üblichen sechs Tage keltern wird, zeigt sich der Halsbacher Obstbauer Peter Stenger entspannt. Zwar rechnet auch er mit einem Verlust von zehn bis 20 Prozent bei den Äpfeln. Dennoch spricht er von einem kuriosen Erntejahr.
Extreme Wetterbedingungen im Frühjahr
Der Grund für die schlechte Ernte lag an den extremen Wetterbedingungen im Frühjahr. Erst der warme März, dann Schnee und Minusgrade im April. Dabei ist der winterliche Einbruch im April nur die eine Hälfte des Problems. Die andere war der ungewöhnliche warme März mit Temperaturen von mehr als 20 Grad. Innerhalb kürzester Zeit trieben die Knospen aus und bildeten sich Blüten – etwa vier Wochen früher als normal. In der Woche nach Ostern dann ließen plötzliche Minusgrade die meisten Blüten erfrieren. Ein Großteil fiel ab.
Generell sei der Untermain jedoch stärker betroffen als die Region um Lohr, gibt Obstbauer Stenger an, dessen Apfelbäume in den Plantagen seines Obsthofes in Halsbach üppig bestückt sind. Rot glänzende Gala Royal und weitere 15 Apfelsorten bilden einen Kontrast zur allgemeinen Lage in deutschen Anbaugebieten.
Peter Stenger verwundert über gute Ernte
Stenger hat auch keine richtige Erklärung dafür, dass der Frost sein Obst weitgehend verschont hat. „Das ist wirklich kurios“ sinniert er. Ein Großteil seiner Bäume wächst an einer exponierten Hanglage, versucht er die Unterschiede zu anderen Obstbauern mit größeren Verlusten zu erklären. Somit kann die Kaltluft in der Senke über die etwa 50 Höhenmeter abfließen und die Bäume bleiben den frostigen Temperaturen nur für kurze Zeit ausgesetzt.
Zudem gibt es einen Unterschied zwischen der Blüteentwicklung von einjährigen und zweijährigen Holztrieben. Die Blüten der einjährigen Triebe waren weitaus weniger erfroren, da sich die Knospen durch die Halsbacher Höhenlage, wo es generell kühler ist, noch nicht ausgebildet hatten, als die Frostnächte im April aufzogen. Diese blühten erst danach und konnten umfangreich befruchtet werden.
Immense Einbußen nicht eingetreten
Stenger gibt an, dass sich das jetzige Bild nicht mit dem Bild, unmittelbar nach dem Frostschaden deckt, als mehr als die Hälfte der Blüten an seinen Bäumen abfielen. Damals ging er auch von immensen Einbußen am Ertrag aus, die sich jedoch nicht einstellten.
Die Auswirkungen der Frostnächte sind an vielen Äpfeln deutlich an den sogenannten Frostringen zu erkennen. Dies wird zu Einschränkungen in den Handelsklassen führen, führt Stenger aus. Allerdings handele es sich dabei ausschließlich um geringfügige optische Mängel.
Unterschiede bezüglich der Frostanfälligkeit gibt es auch bei der Apfelsorte. Boskop und Jona Gold sind heuer bundesweit am stärksten betroffen. Doch auch diese Sorten sind bei Stenger gut gewachsen.
Einen massiven Verlust beklagt Stenger bei Williams Christ Birnen und Mirabellen: „Da war kaum etwas zu retten.“ Seine Kirschbäume und Erdbeerpflanzen hatte er im Frühjahr rechtzeitig abgedeckt und so vor dem Frost geschützt. Bei den Äpfeln aber sei heuer mit einem leichten Preisanstieg zu rechnen, meint Stenger: Die Apfelernte falle in ganz Europa mäßig aus.
Rodenbacher will Kelterei offenhalten
Dieweil zeigt sich Wolfgang Kübert in der Rodenbacher Kelterei trotz mangelnder Anlieferung optimistisch. Er werde zur Annahme zu den üblichen Öffnungszeiten den ganzen September über bereit stehen und nach Bedarf keltern, erklärt er – auch wenn die Gespräche mit seinen Zulieferern und seine eigenen Erkundungen bis jetzt verraten, dass viele Bäume leer stehen.
Anstatt Fuhren mit Anhängern werden in diesem Herbst wohl nur ein paar Körbe gekeltert. Importe aus dem Ausland lehnt Kübert ab. Er bleibe seinem Grundsatz treu und werde – wie immer – ausschließlich lokale Ernten verarbeiten.