
Flüchtig streicht Lewin Krumpschmid eine Strähne seiner blonden Rockstar-Mähne zur Seite und setzt zum Finale von Frédéric Chopins "Scherzo Nr. 1 in h-Moll" an. Vielleicht nur ein Reflex, gibt es doch keine Notenblätter, auf die die Sicht verwehrt wäre.
Völlig frei glänzt der 21-jährige Nachwuchspianist am Freitagabend mit einem Querschnitt durch die Klavierkunst der Romantik, den er mit George Gershwins "Three Preludes" als furiosem Abstecher in den Jazz krönt.
Für den Laien sind die Vorlagen - im Falle Gershwins vor ziemlich genau einhundert Jahren zu Papier gebracht - nur schwarzer Federstrich auf weißem Grund und damit ein ähnliches Mysterium wie die lange Reihe monochromer Tasten des großen Flügels an der Stirnseite der Alten Turnhalle. Für das Musiktalent hingegen sind sie nur der erste Schritt, eine Orientierungshilfe, um sich die zeitlosen Ideen der alten Meister zu eigen zu machen. Für ein wirkliches Verständnis - ein Mitfühlen, das auch das Lohrer Publikum zum Innehalten und Lauschen animiert - bedarf es mehr. Das führt der Rienecker in seinem intensiven Recital vor.
Nuanciert und traumwandlerisch ertastet der junge Student der Folkwang Universität der Künste Chopins jähe Stimmungsschwankungen, Rachmaninoffs Wucht oder Debussys farbenfrohen Impressionismus. Krumpschmids aufregende Interpretation Gerschwins quittieren die 70 Zuhörer stehend mit langem Applaudieren, was den Künstler zu einer weiteren Kostprobe Frédéric Chopins animiert.
Krumpschmied, der am Sonntag, 23. Dezember, zum Abschluss seiner kleinen Konzertreihe sein Debüt beim Kissinger Winterzauber gibt, zeigt sich im Anschluss "sehr zufrieden", auch wenn es nicht leicht gewesen sei, dem ungewohnten Instrument die richtigen Töne zu entlocken.