Der letzte Freitag vor den Osterferien war für die katholischen Schüler der 9. Klassen in der Mittelschule Marktheidenfeld ein besonderer Freitag: Karin (alle Namen geändert), Martin und Ernst von den Anonymen Alkoholikern waren Gäste in den Klassen. Auch Petra und Anette, beide verheiratet mit alkoholkranken Männern, waren als betroffene Angehörige dabei. Drei Schulstunden nahmen sie sich auf Einladung von Religionslehrerin Tanja Simon für die Jugendlichen Zeit.
Alkohol ist für alle ein Thema, auch die jungen Zuhörer machten schon ihre Erfahrungen damit, heißt es in einer Pressemitteilung. Zunächst erklärten die Besucher, was es mit dem "anonym sein" auf sich hat: In der Selbsthilfegruppe redet man sich nur mit Vornamen an, alles andere wie Herkunft, Beruf, gesellschaftliche Stellung oder Vermögen, ist unwichtig. Alle verbindet, dass Alkohol ein Problem ist oder war und sie mit dem Trinken aufgehört haben oder aufhören wollen. Um das zu schaffen, erzählen sie einander in regelmäßigen Treffen ihre Lebensgeschichten. Auch die bleiben anonym: Nichts, was in der Gruppe erzählt wird, soll nach außen getragen werden.
Alkoholismus ist eine Krankheit, die die Persönlichkeit des Abhängigen verändert. Die Anonymen Alkoholiker (AA) sind eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die miteinander ihre Erfahrung, Kraft und Hoffnung teilen, um ihr gemeinsames Problem zu lösen und anderen zur Genesung vom Alkoholismus zu verhelfen. Die Angebote der AA sind kostenlos, ohne Mitgliedsbeiträge oder Gebühren. Sie sind mit keiner Sekte, Konfession, Partei oder Organisation verbunden. Ihr Ziel ist es, nüchtern zu bleiben und anderen Alkoholikern zur Nüchternheit zu verhelfen.
Betroffene erzählten von ihren Erfahrungen
Nachdem Karin einiges von der Gruppe der AA erzählt hatte, lauschten die Schüler den Lebensgeschichten. Die meisten hatten schon als Jugendliche mit dem Trinken angefangen und steckten 30 Jahre und länger in der Sucht fest. Der Alkohol hatte sie fest im Griff, zerstörte ihre Gesundheit und veränderte ihre Persönlichkeit. "Ich war nur noch ein besoffenes Skelett", erzählte Karin von ihrer schlimmsten Zeit. "Mein Mann hat unsere gesamte Firma versoffen, unsere Ehe zerstört und die Kinder traumatisiert", erklärte Anette, die mit einem Alkoholiker verheiratet war. "Ich hab schließlich bei der Polizei angerufen und ihn abholen lassen. Ich wollte mich und die Enkelkinder schützen", ergänzte Petra.
Bei den AAs oder der Gruppe für Angehörige haben die Besucher ihre Geschichte erzählen können, Wertschätzung und Respekt erfahren und gelernt, mit der Krankheit umzugehen und trocken zu werden. In regelmäßigen Meetings in Marktheidenfeld, Würzburg oder Lohr bestärken sie sich darin, trocken zu bleiben. Als trockene Alkoholiker, die sie heute sind, sind selbst winzige Restmengen Alkohol im Essen oder Medizin gefährlich und können einen Rückfall auslösen.
Sehr nachdenklich und beeindruckt starteten alle, Schüler wie Lehrer, in das Wochenende, vielleicht mit einer ganz neuen Sichtweise auf Party machen, Alkohol und Feiern.