Die im März von der Gemeinde versandten Erschließungsbeitragsbescheide für alle Anlieger des Schustersgrabens sorgen für hohe Wellen und haben besonders die dort wohnenden Bürger in zwei Lager zerstritten. In der eigens zur möglichen Klärung angesetzten Gemeinderatssitzung in der Mehrzweckhalle kochten nicht nur im Gremium die Emotionen hoch, auch einige der 17 Zuhörer sparten nicht mit Wortbeiträgen.
Uneingeschränktes Lob von Räten wie Anliegern erhielt die Stellungnahme des VG-Bauamtleiters Wolfgang Volpert, der fachlich fundiert von den 1960er Jahren bis heute die Straßenabrechnungen des Schustersgrabens vorstellte. VG-Geschäftsleiter Michael Schnall stellte in der Diskussion unmissverständlich fest, dass die Verwaltung keinesfalls die Ursache der Problematik sei.
Widersprüche mehrerer Anlieger des hinteren Teilstücks
Volpert definierte die gravierenden Unterschiede zwischen Erschließungs- und Ausbaubeiträgen, die gerade für diese Ortsstraße wichtig seien. 1993 wurde für den hinteren Teil des Neubaugebiets die Erschließungsstraße als Verlängerung des vorhandenen Schustersgrabens gebaut und diese neue Straße 1996 mit einem Anliegeranteil von 90:10 auf die fünf neuen Grundstücke abgerechnet. 2016 erfolgte der Ausbau des vorderen Teilstücks der Straße, das in einem sehr schlechten Zustand war. Mitte der 60er Jahre entstand der letzte Ausbau, der nicht als Erschließungsbeitrag abgerechnet wurde.
Im Einvernehmen mit der Rechtsaufsicht erhob die Gemeinde 2016 von allen Anliegern der Straße (es war ein Teilstreckenausbau) einen Ausbaubeitrag in fünf Raten im Verhältnis 70:30. Es folgten Widersprüche mehrerer Anlieger des hinteren Teilstücks und jahrelange Korrespondenz zwischen Anwalt, Gemeinde und Landratsamt.
Ziel der Widerspruchsführer ist zweifelsohne, vom Ausbaubeitragsrecht ins Erschließungsbeitragsrecht zu gelangen, hob Volpert klar heraus. Nach Eintragung ins Grundbuch im August 2018 hätte die Gemeinde die Schlussabrechnung stellen können. Der Freistaat Bayern schaffte jedoch zum 1. Januar 2018 die Straßenausbaubeiträge (Strabs) ab und die Gemeinde verlor die Rechtsgrundlage zur Forderung der letzten Rate. Für alle Anlieger des Schustersgrabens bedeutete dies, dass sie 20 Prozent des Ausbaubeitrags sparten.
Anlieger des Neubaubereichs können mit Rückzahlung rechnen
Mit der Abschaffung der Strabs änderte sich aber auch das Kommunalabgabengesetz: Gemeinden dürfen für Straßen, deren erstmalige Herstellung vor 25 Jahren begonnen wurde, keine Erschließungsbeiträge mehr erheben und der Stichtag für das Inkrafttreten dieser Verjährungsfrist war der 1. April 2021. In weiteren Gesprächen hatten Verwaltung und Landratsamt die Widerspruchsführer deutlich auf die Konsequenzen für alle Anlieger hingewiesen, falls die Widersprüche nicht zurück genommen werden. Doch diese betrieben ihre Einsprüche weiter. Daraufhin war die Kommune gezwungen, sich zu wappnen und der Gemeinderat beschloss am 28. Januar 2021 einstimmig die Neufassung der Erschließungsbeitragssatzung.
Am 16. März 2021 erließ die Verwaltung "vorsorgliche" Erschließungsbeitragsbescheide mit den Kosten beider Teilstücke, nachdem die Straße in ihrer Gesamtheit erst jetzt endgültig hergestellt worden ist, erklärte der Bauamtsleiter. Da die Anlieger des Neubaubereichs mit 1996 und 2016 bereits zweimal gezahlt haben, könnte sich eine Rückzahlung errechnen. Die Anlieger im vorderen Teilstück hingegen müssen mit einer erheblichen Nachzahlung rechnen.