Eine solche Aktion von einem Strafverteidiger haben vermutlich weder Strafrichter Sven Krischker, noch der Staatsanwalt Ingo Krist oder die anderen Anwesenden – bei der Verhandlung gegen einen Bauarbeiter am Amtsgericht Gemünden – je erlebt. Der Mann hatte seinen Vorarbeiter mit einer Schaufel geschlagen und musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Als es um den berechtigten Täter-Opfer-Ausgleich ging, zog der Anwalt ein 1000-Euro-Geldbündel für den Angeklagten zur sofortigen Begleichung der Auflage aus seiner Hemdtasche.
Sie waren eigentlich gute Kollegen, die für ihre Firma den Glasfaserausbau in Lohr voranbringen sollten. Doch am 16. Mai 2023 erhielt die Kameradschaft unter Arbeitskollegen einen Knacks. Der Vorarbeiter war mit der Arbeitsleistung seines Kollegen nicht zufrieden. "Es war eine einfache Strecke", sagte der 42-jährige Vorarbeiter als Zeuge am Amtsgericht Gemünden. Dennoch hat sein Kollege gearbeitet, ohne vorher ein Provisorium zu beseitigen. "Das muss aber dokumentiert werden, sonst erhält die Firma diese Arbeiten nicht bezahlt."
Mit Schaufel am Bein getroffen
Dies habe der Capo seinem Kollegen gesagt und betont, dass es sonst Ärger mit dem Chef geben könne. Das habe den 46-Jährigen nicht interessiert. Chef und Capo könnten ihn mal, habe er verlauten lassen, sich eine Schaufel genommen und diese in Kopfhöhe in Richtung seines Vorarbeiters geschlagen. Ein weiterer Mitarbeiter konnte diesen noch schnell zur Seite ziehen, so dass die Schaufel den Mann nur noch am Oberschenkel traf.
Zwar ließ sich der Vorarbeiter im Main-Spessart-Klinikum in Lohr behandeln und erstattete auch gleich Anzeige bei der Polizei in Lohr. Doch am nächsten Tag vertrugen sich die beiden Kontrahenten schon wieder. "Ich konnte ihn verstehen. Der war gestresst, weil er hier schon eine lange Zeit ohne seine Familie ist, die er gerne nach Deutschland holen will", meinte der Vorgesetzte, der diese Phase vor Jahren selbst durchgemacht hat.
Dennoch verfolgte die Staatsanwaltschaft Würzburg die Angelegenheit weiter und auch der Vorarbeiter verfolgte weiter seine Interessen als Nebenkläger. Deshalb hatte er auch eine Schmerzensgeldforderung über einen Anwalt im Adhäsionsverfahren geltend gemacht. Auf die Frage von Richter Krischker und dem Verteidiger, ob er überhaupt noch an einer Verurteilung seines Kollegen interessiert sei, antwortete der Mann mit "Nein". "Ich will nur, dass so etwas nicht noch einmal passiert."
Kosten trägt der Angeklagte
Daraufhin regte der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens unter der Voraussetzung an, dass sein Mandant die im Adhäsionsverfahren beantragte Schmerzensgeldzahlung vornimmt und die Kosten der Nebenklage übernimmt. Als Täter-Opfer-Ausgleich schlug er den Betrag von 1000 Euro als angemessene Zahlung vor. Vor den Augen aller übernahm der Angeklagte die 1000 Euro des Verteidigers und drückte sie seinem Capo in die Hand. Gleichzeitig entschuldigte er sich noch einmal für seinen Angriff. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.