Im Anfang des 19. Jahrhunderts war Goethes Doppelwerk Faust I und II ein absolut modernes Werk mit erstaunlichen Visionen. Der Mensch auf der Suche nach des "Pudels Kern" und nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, der zwischen Überheblichkeit und Hilflosigkeit schwankt, traf damals voll den Zeitgeist. Seitdem befassen sich zahllose kluge Köpfe und noch viel mehr Oberklassenschüler - freiwillig oder notgedrungen - mit diesem Großwerk. Doch jetzt sind knapp 200 Jahre vergangen. Haben Goethe und sein Faust in der heutigen Zeit noch eine ernstzunehmende Bedeutung?
Ein ganz klares Ja kommt von der Gruppe vom "Aktuellen Theater Karlstadt" (AKT). Mit drei Vorstellungen "Faust - ein Leben" wollen sie helfen, das Faustdrama heute zu verstehen und einzuordnen. Regisseur und Mitspieler Wolfgang Tröster sagt dazu: "Wir wollten das bedeutende Stück einfach mal nach Karlstadt bringen und vielen Leuten anbieten, sich mit einem der interessantesten Werke deutscher Literatur zu beschäftigen." Dabei versucht AKT die Handlung und die Botschaft populär und für alle gut verständlich zu halten.
Sehr nahe an der Lebenswirklichkeit unserer Zeit
Obwohl bei der Karlstadter Truppe "Faust II" im Fokus steht, ist es natürlich nötig, die Vorgeschichte aus dem ersten Part zu erhellen. Der Mensch Faust, der die Hintergründe, den eigentlichen Sinn des Daseins erkennen möchte, hin- und hergerissen zwischen der Transzendenz und platten Genuss, kann diesen Zwiespalt nicht auflösen. Er gleicht "eben dem Geist, den du erkennst, nicht mir".
AKT sieht gerade den zweiten Teil sehr nahe an der Lebenswirklichkeit unserer Zeit. Fast schon eine Vorwegnahme wesentlicher Züge der modernen Welt. Regisseur Tröster sieht die Brüchigkeit und Hinfälligkeit des Finanz- und Wirtschaftssystems mit seiner riskanten Geldpolitik. Dazu kommen die Gefahren bei der Erforschung der Gene, die Unbeständigkeit von Schönheit in der Glamourwelt, das Hineinschlittern in Kriege und Konflikte. "Der Widerspruch von blindem Fortschrittsglauben und drohender Zerstörung tritt offen zutage und die Frage, ob Fausts Leben einen Sinn hatte, spiegelt sich in der Frage nach der Verantwortung des Menschen für unseren Planeten", so Tröster.
Wer kennt schon Baucis und Philemon?
Interessant wird an dem Stück von AKT die Frage sein, wie man mit den Figuren der germanischen und griechischen Mythologie umgehen wird - schließlich sind diese heutzutage längst nicht mehr so präsent. Wer kennt schon Baucis und Philemon? Selbst die Gestalten der klassischen Walpurgisnacht seien schwer zu vermitteln, meint das Team. Festhalten will man aber weitgehend an der besonderen Sprache Goethes. Regie führten Wolfgang Tröster und die im August dieses Jahres verstorbene Roselinde Weigert.
Das Aktuelle Karlstadter Theater ist vor über 20 Jahren als Zusammenspiel von Volkshochschule und dem Theater in der Gerbergasse entstanden und beschäftigt sich mit zeitgeschichtlichen Themen, die auch - wie beispielsweise "King Kongs Töchter" im Jahr 2000 - dem Publikum sehr stark an die Nieren gehen können.
Premiere ist am Samstag, 26. November, um 19 Uhr im Theater in der Gerbergasse. Weitere Aufführungen sind am Mittwoch, 30. November und Freitag, 2. Dezember. Karten gibt es online unter www.theater-gerbergasse.de oder telefonisch bei Mahlo telecom, Tel.: (09353) 9099490.
