Im Jahr 1871 von 15 Veteranen des Deutsch-Französischen Krieges gegründet, steht beim TSV Retzbach ein großes Jubiläum an, das der Verein gebührend feiern will. Auch wenn der geplante Dreikönigs-Ball ausfallen musste, hofft der Verein mit seinen 763 Mitgliedern, dass ab dem Sommer die für das Jubiläumsjahr "150 Jahre TSV Retzbach" geplanten Aktionen und Veranstaltungen stattfinden können.
Doch es soll nicht nur gefeiert werden, auch das Sportprogramm soll nach der Krise möglichst schnell wieder aufgenommen werden. Das sportliche Spektrum beim TSV Retzbach ist erstaunlich breit. Eltern-Turnen, Seniorensport, Fußball vom Jugendbereich über das Bubble-Soccer-Turnier bis zur 2018 in die Bezirksliga aufgestiegene Erste Mannschaft, Tennis mit je zwei Jugend-, Herren- und Seniorenmannschaften bis hin zum Kampf-Sport Teakwondo mit eigenen Trainern bis hinauf zum zweiten Dan ("schwarzer Gürtel"). Der Klassiker "Turnabteilung" steht dabei laut dem Vorsitzenden Michael Zull hoch im Kurs: "Viele Kinder möchten Turnen." Wenn wundert es da, dass der Verein besonders hierfür Übungsleiter sucht.
Doch auch ältere Generationen werden nicht vergessen, etwa mit Kursen wie "Trittsicher". Dem Verein ist der Leistungsgedanke weniger wichtig als ein vielseitiges Angebot für Jung und Alt. Eine Lücke soll noch geschlossen werden. Welche Sportart würde Mädchen im Schulalter begeistern?
Neuer Auftakt am 12. Juni
Der neue Auftakt ins Jubiläumsjahr soll nun, so es die Corona-Situation zulässt, am 12. Juni mit einem Sporttag Fußball und Jugendfußballcamp sein. Das große Jubiläumswochenende beginnt dann am 24. Juli. Geplant sind von Samstag bis Montag ein Biergartenfest mitten im Ort (Nähe Wangertweg), ein Gottesdienst und ein Festzug. Vor allem ist eine Neuauflage von "Retzbach läuft" geplant, ähnlich wie beim Ortsjubiläum "1200-Jahre Retzbach".
Der klassische Kommersabend mit Ehrungen und mehr ist für den 16. Oktober in der Walter-Endrich-Halle vorgesehen. Der dieses Jahr vor Dreikönig nicht zustande gekommene Sportlerball soll dann als krönender Abschluss im Januar 2022 auf der Benediktushöhe nachgeholt werden.
Der Spielmannzug als Erbauer der Walter-Endrich-Halle ist für den TSV Retzbach übrigens mehr als befreundeter Verein, über 23 Jahre war er ein Teil von ihm. 1956 dazu gekommen, gründete er sich 1979 als eigenständiger Verein.
Überhaupt verrät die Chronik eine wechselvolle Geschichte. Am Anfang stand das Turnen samt Turngeräten im Garten des Gasthauses zum Anker als erstem Vereinslokal. 1899 veranstaltete man ein erstes großes Turnfest, mittlerweile beim Löwenwirt. 20 Jahre später sorgte ein gut organisiertes Bergfest mit Wettkämpfen für Geld in der Vereinskasse, 1923 kaufte man eine alte Scheune in Thüngersheim, um mit dem Holz eine eigene erste Turnhalle zu bauen.
Im Jahr 1927 verließen junge Turnmitglieder den Verein, um einen Fußballklub zu gründen. Dieser schloss sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1948 wieder mit dem neugegründeten Turnverein zusammen, der damit zum Turn- und Sportverein wurde.
Neben Fußball waren die Nachkriegsjahrzehnte vor allem die Zeit der Turnfeste und einer erfolgreichen weiblichen Jugend. 1958 richtete der TSV Retzbach das Gauturnfest aus, 1958 und 1968 nahm er aktiv an Deutschen Turnfesten in München und Berlin teil.
Sport in der Halle
Wichtig für die Entwicklung des Vereins war die Möglichkeit zum Sport in der Halle. Bis zum Bau der Turnhalle an der Grundschule 1976 teilte man sich die Halle in der Bahnhofstraße mit der Grundschule. Schon 1974 wurde ein Vertrag mit den damaligen Gemeinden Retzbach und Zellingen für die Finanzierung eines Sportgeländes "am Bühl" geschlossen. Der frühere Fußballplatz am Main, den Jüngere wohl nur noch als Festplatz (zuletzt Fischerfest) kennen, wurde immer wieder von Hochwasser verwüstet.
Erst 16 Jahre später konnte Vorsitzender Erich Göbel konkrete Pläne vorstellen, 1987 gab es unter der Vorstandschaft von Bernhard Hock mit der Einweihung des Vereinsheims samt zwei Tennisplätzen für die 1982 gegründete Abteilung und dem Rasenfußballfeld einen vorläufigen Abschluss. 1996 entstand zudem ein Rollschuh- und Streetball-Platz.
Am 16. April 1999 beschloss die Mitgliederversammlung ein Großprojekt: Den Neubau der Turnhalle in der Bahnhofstraße. Der Kostenvoranschlag des Architekten Arno Sohn belief sich auf 600 000 Mark. Inzwischen gab es Erweiterungen und Verbesserungen an der Halle und am Sportgelände, finanziell geht es dem Verein gut. "Wir sind seit zehn Jahren schuldenfrei", sagt Schatzmeister Heribert Zull stolz.
Viele Feste ausgerichtet
Wie schafft das ein Verein, der gleichzeitig sehr günstige Beiträge hat, von 35 Euro bei Kindern bis zu 100 Euro für ganze Familien im Jahr? Der Verein vermietet seine Halle auch für Familienfeiern, veranstaltet Kesselfleischessen, Faschingstreiben und Schafkopfturnier darin. Vor allem richtete er immer wieder Feste aus, wie bis 2006 40 mal das legendäre TSV-Weinfest in der Bahnhofstraße und von 2001 bis 2015 Beatabende. Dass das Zelt hierfür genau auf dem zum Jubiläum "125 Jahre" fertig gestellten Rollschuhplatz passte, war natürlich kein Zufall. Seit dem Jahr 2010 sorgen Photovoltaikanlagen auf der Turnhalle und dem Sportheim nicht nur für regenerativen Strom, sondern auch für Einnahmen.
Für das außergewöhnliches Jubiläumsjahr 2021 ließ sich der Festausschuss etwas besonderes einfallen: Die geplant Festschrift wird erst zum Ende des Jubiläumsjahres erstellt – mit Bildern desselben. Wie vor 25 Jahren gefeiert und gesportelt wurde, zeigt ein damals erstelltes Video. Es soll nicht nur im Rahmen des Jubiläumswochenendes gezeigt, sondern auch an Interessierte verkauft werden.