Wer bislang der Meinung war, ein Akkordeon sei lediglich der volkstümlichen Musik zuzuordnen, der wurde am Sonntag in Mariabuchen eines Besseren belehrt. Dass das Akkordeon ein virtuoses Konzertinstrument ist, das es in Ausdrucksstärke und Klangfarbe durchaus mit einer Orgel oder einer Violine aufnehmen kann, bewies der aus St. Petersburg stammende Musikprofessor Dmitri Gvozdov in seinem Konzert in der Wallfahrtskirche. „
Für das Akkordeon lassen sich gut Teile aus der Kultur herausragender Instrumente entnehmen“, sagt er. In seinem Repertoire eint er Werke großer Meister mit zeitgenössischer Musik und volkstümlichen Weisen aus Russland. Bereits in seinem ersten Stück „Kleine Orgel Preludium c-Dur“ von Johann Sebastian Bach wähnte man sich als Zuhörer in einem festlichen Orgelkonzert. Dies wiederholte sich in Bachs „Toccata und Fuge in d-Moll“, das zu den bekanntesten Orgelwerken europäischer Kunstmusik zählt.
Gvozdov meistert die schnellen Läufe und vollgriffigen Akkorde im Präludium mit scheinbarer Leichtigkeit, lässt sie mit enormem Feingefühl in Teile aus Mozarts „Sonate c-Dur“ und das „Rondo Allegretto“ hinüber gleiten und schließt in gleichermaßen hochprofessioneller Manier Musik aus seiner russischen Heimat an: Die „Jahreszeiten-Suite“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Dann die „Zigeunerweisen“ aus der Feder des spanischen Geigers und Komponisten Pablo de Sarasate und der feurige Flamenco „Malaguena“ aus der andalusischen Suite von Ernesto Lecuona. Beide ernten donnernden Applaus der Zuhörer. Die Elegie um ein trauriges Mädchen schrieb einst Alexander Sergejewitsch Puschkin, der große russische Dichter des 19. Jahrhunderts, für ein Theaterstück. Die Musik dazu komponierte der vor sechs Jahren verstorbene Russe Isaak Schwarz. Gvozdov nahm sie in ungemein sensibler Manier auf.
Auf das „Wolgalied“ schienen etliche der Gäste gewartet zu haben. Sie stimmten in die Operettenmelodie aus Franz Lehárs „Zarewitsch“ ein, die trotz ihrer melodischen Schlichtheit mit Wucht ergreift. Kaum wegzudenken aus einem Konzert eines russischen Musikers sind zwei der berühmtesten russischen Lieder: „Trojka“ und „Schwarze Augen.“ Von Letzterem wird vielfach angenommen, es entstamme einer Zigeunerweise, doch gehört es zu der 1884 veröffentlichten „Hommage Valse Opus 21“ des Deutschen Florian Hermann. Berühmt wurde das Stück im Jazz durch Louis Armstrong und als volkstümliche Weise durch Ivan Rebroff. Gvozdov schuf seine eigene Akkordeon-Version und sie ließ die Gäste strahlen, stehend Beifall spenden und Zugaben fordern.
Nach anderthalb Stunden Konzert folgten eine jazzige Musette aus Frankreich und der italienische Ohrwurm „O sole mio“. „Damit mache ich in Deutschland immer gutes Wetter“, scherzte Gvozdov angesichts der brütenden Hitze, die sich auch in der Kirche ausgebreitet hatte. Pater Paul brachte das Konzert so auf den Punkt: „Musik ist etwas Göttliches und Dmitri Gvozdov und seine Musik sind eins.“