
Ganz klar, man muss sozial eingestellt sein“, sagt Yvonne Sagert über die Voraussetzungen, die ein Altenpfleger braucht. Sie ist derzeit im zweiten Ausbildungsjahr. Angestellt ist sie im Kreisseniorenzentrum in Gemünden, zum Blockunterricht muss sie zur Altenpflegeschule in Marktheidenfeld.
Harald Weisensel gibt ihr Recht. Zudem müsse man eine gefestigte Persönlichkeit haben, meint der 35-Jährige. Er arbeitet in der Otto-und-Anna-Herold-Altersheimstiftung in Karlstadt und ist im ersten Ausbildungsjahr. Für die Altenpflege hat er sich entschieden, weil er dabei mit Menschen zu tun hat.
Beiden ist gemein, dass dies nicht ihre erste Berufsausbildung ist. Yvonne Sagert war zuvor zehn Jahre lang Friseurin gewesen und hat sogar die Meisterprüfung abgelegt. Harald Weisensel hat Ethnologie studiert, danach einige Jahre in Thailand verbracht. Nach der Rückkehr hat er verschiedene Jobs ausprobiert, bis er sich für den Beruf des Altenpflegers entschied.
Beide haben ihre Wahl bislang nicht bereut, obwohl die Perspektiven in der Altenpflege nicht die besten sind. Pflegenotstand, geringe Bezahlung, Pflege unter der Prämisse der Gewinnmaximierung – so lauten die Schlagwörter. Da ist oft kaum Zeit für ein persönliches Gespräch. Dazu kommt eine psychische und physische Belastung, denn schließlich haben die Altenpfleger es manchmal mit schwerkranken Menschen zu tun. Trotzdem: „Für uns ist der Beruf in gewisser Weise auch Berufung“, sagen sie.
Beide sind in einem Seniorenheim angestellt; das theoretische Wissen für ihre Arbeit lernen sie im Blockunterricht an der Altenpflegeschule in Marktheidenfeld. Dort werden sie unter anderem von der stellvertretenden Schulleiterin Monika Vogel-Roos und Lehrerin Susanne Sollanek betreut. „Ein später Berufseinstieg ist durchaus üblich“, bestätigen beide. Es gebe 16-Jährige unter den Schülern, manche seien aber auch über 50. Sollanek fügt hinzu, dass ein bisschen Lebenserfahrung für diesen Beruf nicht schadet. Diese helfe beispielsweise beim Small-Talk mit den alten Menschen. Aber sie kennt auch Jüngere, die dies souverän bewältigen.
Wer diesen Beruf wählt, muss neben einer sozialen Ader auch über Abgeklärtheit verfügen, sagen beide. Als Altenpfleger ist man immer wieder mit dem Sterben konfrontiert. „Das ist schlimm, wenn man eine Beziehung zu den alten Menschen aufgebaut hat“, sagt Sollanek. Man dürfe dies nicht zu nah an sich heranlassen, mancher scheitere daran. Sie empfiehlt jedem, mit einem Praktikum in den Beruf hineinzuschnuppern.
Für viele ein heikler Punkt ist die sogenannte Intimpflege, denn man ist „bei der Körperwäsche nah am Menschen“, drückt sich Sollanek vorsichtig aus. Das ist nicht jedermanns Sache. Allerdings sei dies nur ein geringer Teil des Berufsalltags, auch wenn dieser häufig darauf reduziert werde. Das Spektrum ist weit größer. Altenpfleger führen ärztliche Anordnungen aus und unterstützen mit allen geeigneten Mitteln die noch vorhandene Selbstständigkeit der alten Menschen. Darauf werden sie in der dreijährigen Ausbildung gut vorbereitet. „Das Studium war nicht viel anspruchsvoller“, meint dazu Harald Weisensel.
Die Arbeit ist nicht einfach, aber die Perspektiven für eine Anstellung nach der Ausbildung sind gut. „Es gibt viele Betriebe, die händeringend einen Pfleger suchen“, sagt Monika Vogel-Roos. Mit Flugblättern werde in der Schule um Altenpflegerinnen und Pfleger geworben. Da sei oft die Abschlussnote zweitrangig. Dies ist eine Folge des demografischen Wandels. Der Bedarf an Altenpflege wächst mit der älter werdenden Gesellschaft. Die Zahl der Pflegefälle nimmt zu. 40 000 Fachkräfte fehlen schon jetzt deutschlandweit, schätzt der Arbeitgeberverband Pflege. Bis zum Jahr 2020 sollen es 110 000 sein.
Dies macht den Berufsalltag nicht einfacher. „Schon jetzt sind viele Heime an ihrer Grenze angelangt“, sagt Sollanek. Sie erlebt, dass bereits Pfleger in der Ausbildung eingespannt werden, als wären sie eine volle Kraft. Sie müssten Dinge tun, die sie noch gar nicht gelernt haben. „Dies ist nicht förderlich“, meint Sollanek, die zugleich Verständnis für die Nöte der Einrichtungen hat.
Der Pflegenotstand macht erfinderisch. Mancher versucht sich mit Pflegekräften aus Osteuropa zu helfen. Auch wenn Sollanek angesichts der Personallage dafür Verständnis hat, könne dies nicht die Antwort auf den Pflegenotstand sein. Der Beruf müsse so attraktiv gestaltet sein, dass ihn genügend Einheimische wählen. Wichtig sei eine höhere gesellschaftliche Anerkennung, das habe natürlich auch mit der Bezahlung zu tun. Das Einstiegsgehalt liegt bei 1800 bis 2000 Euro brutto. Das reicht kaum, um eine Familie zu ernähren.
Doch die Bezahlung sei nicht das Entscheidende. Viel schlimmer ist, wenn im Arbeitsalltag jede Maßnahme unter Kostendruck und Gewinnmaximierung beurteilt wird. „Da hat man gerade mal ein bis zwei Minuten Zeit, einer alten Dame die Haare zu kämen“, sagt Sollanek. Als untauglich empfindet sie den Vorschlag, zur Verminderung des Pflegenotstands Hartz-IV-Empfänger als Pflegekräfte einzusetzen. Wer sich zu diesem Beruf nicht berufen fühle, könne ihn nicht ordentlich ausüben, winken Weisensel und Sagert ab.
Harald Weisensel fühlt sich berufen. Er kennt aufgrund seiner Arbeit im Seniorenheim all die Probleme, die der Pflegenotstand mit sich bringt. Trotzdem lässt er sich nicht entmutigen. „Der Beruf ist vielseitig und daher eine Herausforderung“, meint er. Es gebe auch Aufstiegsmöglichkeiten. Für ihn ist es wichtig, mit Menschen zu tun zu haben. Da ist ein Lächeln eine große Belohnung.
ONLINE-TIPP
Alle Texte der Serie „Heimat im Wandel“ unter www.mainpost.de/heimat
Ausbildung zum Altenpfleger und Altenpflegehelfer
Die Altenpflegeschule in Marktheidenfeld bietet die Ausbildung zum Altenpfleger und zum Altenpflegehelfer an.
Altenpfleger: Die Ausbildung dauert drei Jahre und gliedert sich in Theorie (2100 Stunden) und Praxis (2500 Stunden). In der Theorie lernen die Absolventen unter anderem die Grundlagen der Pflege, Recht und Verwaltung sowie Sozialkunde. Der praktische Teil erfolgt in einem Heim oder einer stationären oder ambulanten Pflegeeinrichtung. Voraussetzung ist mindestens ein mittlerer Abschluss oder ein Hauptschulabschluss mit abgeschlossener zweijähriger Berufsausbildung oder einer einjährigen Ausbildung zum Alten- oder Krankenpflegehelfer. Derzeit gibt es in der Altenpflege in Marktheidenfeld eine Klasse, die von knapp 20 Schülern besucht wird.
Altenpflegehelfer: Die Ausbildung ist deutlich kürzer. Sie geht über ein Jahr und gliedert sich in 800 Stunden Theorie und 650 Stunden Praxis. Die Altenpflegehelfer unterstützen Altenpfleger bei allen Tätigkeiten rund um Betreuung und Pflege älterer Menschen. Voraussetzung dafür ist ein Hauptschulabschluss. Derzeit gibt es in Marktheidenfeld eine Klasse mit 17 Schülern.