In den 1970er Jahren wurde dem Natur- und Umweltschutz in den Industrieländern weltweit große Bedeutung zuteil. Das Europäische Naturschutzjahr 1970 machte vielen Menschen die Bedrohung ihrer natürlichen Umwelt bewusst. Ein Jahr später wurde Greenpeace in Kanada gegründet, 1975 der Bund für Natur- und Umweltschutz Deutschland in Marktheidenfeld.
Die umweltpolitischen Entwicklungen weltweit waren für Aktivisten Grund, eine nationale Naturschutzbewegung zu formieren. Darunter war Bodo Manstein, der erster BUND-Vorsitzender wurde, sowie so prominente Männer wie Filmemacher Horst Stern, Tierfilmer und Fernsehmoderator Bernhard Grzimek, BN-Vorsitzender Hubert Weinzierl und Enoch zu Guttenberg, Dirigent und Vater des späteren Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Bis dahin vertrat alleine der Deutsche Naturschutzring Umweltbelange.
Am Sonntag, 20. Juli 1975, wurde der Bund für Natur- und Umweltschutz Deutschland (heute: BUND) in Marktheidenfeld gegründet. Die Wahl fiel auf das Städtchen am Main, weil es bei Naturschützern für seine schützenswerten Orchideen-Vorkommen bekannt war. Bei der Gründungsversammlung dabei war auch Hubert Weiger, heute Vorsitzender des BUND und des Bundes Naturschutz (BN) in Bayern. Die Aktiven trafen sich auf Initiative des Marktheidenfelders Friedrich Lechner, damals Vorsitzender der Kreisgruppe des Bundes Naturschutz, im Hotel „Zur schönen Aussicht“. Noch heute erinnert eine Tafel an der Außenmauer an das Ereignis.
Weiger erinnert sich: „Die Beteiligten und besonders die bayerischen Vertreter kannten sich größtenteils schon lange zuvor. So gelang es uns in sehr kurzer Zeit, ohne große Diskussion zu Detailfragen, mit wenig Bürokratie und hoher Effizienz rasch einen national tätigen Verband zu gründen.“
Heute gilt der BUND als einer der führenden Naturschutzverbände der Bundesrepublik. Der BN, der nach der Gründung des BUND dessen bayerischer Landesverband wurde, existiert seit 1913. Ziel des BN ist es, die natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen zu bewahren und wieder herzustellen.
Der BN ist parteipolitisch und konfessionell unabhängig. Er finanziert sich ausschließlich durch Spenden sowie Beiträge von Mitgliedern und Förderern. Auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes ist er als Umweltverband anerkannt und muss bei Eingriffen in den Naturhaushalt angehört werden.
Hafenlohrtal geschützt
In den 1930er Jahren begann der BN in ganz Bayern mit dem Ankauf von Schutzgebieten. 1974 gründete Fritz Lechner eine Kreisgruppe für Main-Spessart. Die Hauptanliegen der regionalen Arbeit waren, das Hafenlohrtal zu schützen und die ICE-Trasse Würzburg/Fulda durch das Sinntal zu verhindern.
Erich Perchermeier, heute MSP-Kreisvorsitzender des BN, kam 1976 nach Marktheidenfeld. Er erinnert sich noch gut an die Umweltpolitik von damals: „Die Gemeinden planten Gewerbegebiete auf grünen Wiesen. Flächen wurden einfach bebaut. Die Natur wurde überhaupt nicht berücksichtigt.“ Hier setzte die Arbeit des BN an – erfolgreich, wie Perchermeier bestätigt: „Ich habe gerade einen Flächennutzungsplan von Rothenfels zur Beurteilung vorliegen. Es gibt fast nichts zu bemängeln“, schmunzelt er. Trotzdem hat der BN Main-Spessart viel zu tun: B 26 n, Erweiterung des Steinbruchs durch HeidelbergCement in Lengfurt und ökologische Landwirtschaft sind nur einige aktuelle Themen.
Das Projekt „Streuobstwiese Main-Spessart“ ist bisher auf den südlichen Landkreis beschränkt, soll aber im kommenden Jahr auf das gesamte Gebiet ausgeweitet werden. „Die Bürger gehen keine Verpflichtung ein, außer dass sie ökologisch mit ihren Streuobstwiesen umgehen“, sagt Perchermeier. „Wir machen heute viel, was in der Gesellschaft gut ankommt“, so Perchermeier. Basisarbeit finde in den Ortsgruppen weiterhin statt: „Wir tragen nach wie vor Kröten über die Straße.“
Schwerpunkt Umweltbildung
Ein Schwerpunkt der Naturschutzarbeit im Landkreis Main-Spessart ist auch die Umweltbildung. So werden beispielsweise in dem Projekt „Auf Winnetous Spuren – von den Indianern lernen“ Jugendliche und Kinder in ihrer Freizeit in die Natur geholt. Ziel ist es, sie für Themen der Nachhaltigkeit zu interessieren. Wenn Perchermeier an die Siebziger denkt, wird deutlich, wie sich die Gewichte in der Arbeit des BN verlagert haben: „Bundesweit ging es damals vor allem um Atomkraft, Biotope und Artenschutz. Die 68er-Bewegung war das Vorbild für den Aktivismus.“ Vor rund 40 Jahren trug der BN zur Ausweisung des ersten deutschen Nationalparks „Bayerischer Wald“ bei und engagierte sich gegen den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals.
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