Die Jahre 1984 und 1985 müssen traumhaft gewesen sein für die Skifahrer aus dem Raum Gemünden. Skiurlaub in den Alpen konnte man sich sparen. Selbst die Fahrt in die Rhön war nicht notwendig. Das Skivergnügen gab’s gleich vor der Haustür, in Wernfeld am Dirmbachlift. Und zwar fast einen ganzen Monat lang.
26 Skitage hat die inzwischen 79-jährige Reinhilde Vogelsang in ihrer kleinen Statistik für den Lift im Jahr 1984 verzeichnet. Im Jahr darauf waren es 23. Eine geschlossene Schneedecke mit ausreichend Dicke fürs Skifahren, die findet man an den Hängen unweit des Mains heute praktisch gar nicht mehr, selbst an einem Nordhang wie dem im Dirmbachtal. Der Dirmbach-Lift gehört deswegen schon lange der Geschichte an.
Durchschnittlich 14 Skitage pro Winter
Aber auch früher gab es schon Jahre, in denen der Winter schwächelte. 1979 und 1980 etwa. Da verzeichnete Reinhilde Vogelsang nur acht beziehungsweise sieben Skitage. Zehn Jahre lang hat sie die Statistik geführt, von 1977 bis 1986. Die Auswertung ergibt: im Durchschnitt konnten die Skifahrer in diesen Jahren gut 14 Tage am Hang oberhalb von Wernfeld ihre Schwünge ziehen.
So wie das Karl Vogelsang, heute 81, und seine etwas älteren Freunde Rudi Dittmeier und Heinz Hermann schon zu Beginn der 60er Jahre taten. Sie schleppten ihre Skier auf der Schulter nach oben oder stapften mit den Brettern an den Füßen den Hang hinauf, um die Schneedecke gleichzeitig für eine flottere Abfahrt festzutreten. Und seufzten dabei nicht selten: „Wenn mer hald an Lifd hädde.“
"Wenn mer hald an Lifd häddn!"
Im Jahr 1965 war dann genug geseufzt, die drei Freunde schritten zur Tat. Rudi Dittmeier stellte seinen alten Traktor zur Verfügung. Er stand oben am Hang. Sein Motor diente als Antrieb für den improvisierten Skilift. Unten wurde an einem Baum eine Rolle befestigt, die das Seil umlenkte. Jetzt ging es im Winter endlich mit Maschinenkraft den Berg hinauf, insgesamt vier Jahrzehnte lang.
Der Dirmbach-Lift lockte schnell auch andere Skifahrer aus der Region an. Und als Reinhilde Vogelsang ihrem Karl und dessen Freunden an einem Sonntag einmal Kaffee und Kuchen vorbeibrachte, machten welche von ihnen den Vorschlag: „Schenkt doch auch für andere Gäste etwas zu trinken aus.“ Vielleicht könnte man auch heiße Wiener Würstchen bekommen, äußerten sie noch einen Wunsch.
Ein Bus wird zur Liftgaststätte
Die Anregung fiel auf fruchtbaren Boden. Die drei Freunde kauften 1970 einen ausrangierten Omnibus. Sie bauten die Sitze um, brachten kleine Tischplatten an und installierten einen Ofen – schon war oberhalb des Skihangs eine Liftgaststätte entstanden. Und während sich der skibegeisterte Karl Vogelsang, der seine Bretter erst vor drei, vier Jahren endgültig in die Ecke gestellt hat, mit seinen Freunde Rudi Dittmeier und Heinz Hermann um den Betrieb des Lifts kümmerten, bewirteten Reinhilde Vogelsang, Luise Dittmeier und Rosa Herrmann in der Gaststätte die hungrigen und durstigen Skifahrer. Auch für Wochenend-Ausflügler ohne Skier würde der Bus schnell zum attraktiven Ziel.
„Ach, das war schön, wo wir den Bus da oben hatten“, erinnert sich eine ältere Wernfelderin noch heute gern an diese Zeit. Reinhilde Vogelsang, die als einzige der drei Frauen einen Führerschein hatte, war für die Einkäufe zuständig. Schon früh am Samstagmorgen war sie deswegen aus dem Haus. Später wurde Kuchen gebacken. Für die Gäste gab’s auch mal Schaschlik oder Schnitzel, „aber nicht an Tagen, an denen der Lift lief“, berichtet Reinhilde Vogelsang.
"Ach, war das schön!"
Angesichts des riesigen Andrangs der Skifahrer – auf alten Bildern aus dem Jahr 1981 stehen um die 70 Leute in einer langen Schlange quer über den Hang am Lifthäuschen an – war dann für aufwendigere Speisen keine Zeit. Das war etwas für besondere Tage, erinnert sich Reinhilde Vogelsang. Und von denen gab es einige, etwa anlässlich des Johannisfeuers, oder am Rosenmontag, an dem es im Bus und in der Hütte, die ihn später ersetzte, hoch her ging.
1974 hatten die Freunde den Grundstein für die feste Hütte gelegt. „Damals gab’s ein Programm, Wander- und Skihütten außerhalb anzulegen", erinnert sich Karl Vogelsang. In dem Zug konnten sie den Bau oberhalb des Dirmbachtals errichten. Schon zur Kirchweih im November konnte die Hütte eingeweiht werden. Jetzt war für die Gaststätte Strom und Wasser vorhanden. Letzteres musste nicht mehr in großen Eimern von einer Quelle geholt werden. Wurde die Hütte zu Beginn noch mit einem Holzofen beheizt, bekam sie später eine Heizung.
1972 geht ein neuer Lift in Betrieb
Und auch in den Lift war investiert worden. Weil die Zahl der Skifahrer am Dirmbachlift immer größer geworden war, wurde aus dem anfänglichen Privatvergnügen nach und nach ein immer professionelleres Nebengewerbe. Die drei Liftbetreiber kauften einen neuen Lift, der 1972 in Betrieb genommen wurde. Das war nicht zuletzt eine Investition in die Sicherheit. Ab jetzt gab’s das Skivergnügen in Wernfeld mit TÜV-Siegel.
Alle zwei Jahre stand eine Überprüfung an, erzählt Karl Vogelsang. Und das nicht im Winter, sondern schon im Sommer, also bevor die Skisaison losging. Der erhaltene Plan zeigt noch heute im Detail, wo Warnschildern aufzustellen und Absperrungen anzubringen sind. Trotz solcher Professionalität fanden die Liftbetreiber immer noch Gelegenheit zum Improvisieren, konnten sie pfiffige Lösungen realisieren. Etwa beim Lifthäuschen.
Von der Fähre an den Lift
Das war, wie die erste Gaststätte, ein Fall von geschicktem Recycling. Das Lifthäuschen war ursprünglich Fährhäuschen. Es hatte ausgedient, als die Fährverbindung von Wernfeld über den Main nach Kleinwernfeld eingestellt wurde. Die Fähre sollte verschrottet werden. Doch für das Häuschen hatte die Dittmeiers, Hermanns und Vogelsangs Verwendung. Sie setzten es auf einen Wagen, fertig war das Lifthäuschen. Erst ab dem Winter 1981 wurde es durch einen Wohnwagen ersetzt.
In Wernfeld haben viele aus der Region als Kinder ihre ersten Spuren in den Schnee gezogen. Den Satz „Mensch, wenn wir nicht bei euch das Skifahren gelernt hätten“, hört Karl Vogelsang nicht selten. Dabei waren es beileibe nicht nur Anfänger, die den Dirmbachlift nutzten. Sogar Abfahrtsrennen für Nachwuchstalente gab es am Hang oberhalb von Wernfeld. Organisiert wurden sie vom WSC Gemünden, wenn es die Schneelage zuließ.
Orange für die Kinder, grün für die Erwachsenen
Die Preise am Lift und in der Gaststätte waren so kalkuliert, dass Kinder mit fünf Mark am Tag auskommen konnten, berichtet Reinhilde Vogelsang. Drei Mark kostete die Zehnerkarte für den Lift. Sie trug die Aufschrift „Skilift Wernfeld-Dirmbach“ und war für die Kinder orange. Die Erwachsenen hatten grüne. Für jede Fahrt wurde in eines der Felder mit den Zahlen von 1 bis 10 ein Loch geknipst. Die zwei Mark, die nach dem Kauf der Liftkarte noch übrig waren, langten für einen heißen Tee und ein Stück Kuchen.
„Die Gambacher waren immer die ersten am Lift“, erinnert sich Karl Vogelsang. Die hatten’s ja nicht weit nach Wernfeld, nur einmal über den Berg. Viele Erwachsene lieferten am Wochenende ihre Kinder am Skihang ab, berichtete Reinhilde Vogelsang. Dann zogen sie weiter, besuchten die Liftgaststätte oder das Wirtshaus in Wernfeld. Abends holten sie ihre Kinder wieder ab, die sich am Dirmbachlift im Schnee ausgetobt hatten.
Dann wurden die guten Winter seltener, die Betreiber älter. Heinz Hermann war schon 1986 ausgestiegen. 2005 entschlossen sich auch Vogelsang und Dittmeier zum Aufhören. Sie verkauften den Lift an den Skiclub in Langenaltheim, der südlichsten Gemeinde Frankens. Nach vier Jahrzehnten endete die Ära, in der Wernfeld das Wintersportzentrum der Region Gemünden war.
1977 13
1978 18
1979 8
1980 7
1981 13
1982 16
1983 13
1984 26
1985 23
1986 7
Mich würde interessieren ob man die Hütte mieten kann für Geburtstagsfeier oder so?
Das wer ein Sprung in die Kindheit zurück wo ich mit meine Eltern und Großeltern gewesen war, Tee getrunken und Pfeffernüsse gegessen habe.
Steffen Baujahr 1979
Ich bin da auch gefahren.
Heute währe das selbst mit Schnee gar nicht mehr möglich.
Bei den ganzen Vorschriften.
Frank Benkert Baujahr 1965