19 Männer haben vor 75 Jahren, am 16. Januar 1946, im Saal des "Bayerischen Hofs" an der Stadtmühlgasse die Christlich-Soziale Union (CSU) für die Stadt und den damaligen Kreis Lohr gegründet. Einige von ihnen waren 34 Jahre zuvor auch schon dabei, als an selber Stelle ein CSU-Vorläufer aus der Taufe gehoben wurde.
Die Lohrer CSU kann somit auf eine Kontinuitätslinie von über 100 Jahren zurückblicken. Am 25. Februar 1912 hatten 94 Männer im "Bayerischen Hof" den "Männer- und Bürgerverein Union für Lohr und Umgebung" ins Leben gerufen, um die "positiv christlichen Interessen auf religiösem, politischem und sozialem Gebiete zu fördern und das gesellige Leben seiner Mitglieder zu pflegen", so der Vereinszweck laut Paragraf 1 der Statuten.
Die Union umfasste zu ihrer Hochzeit 1914 etwa 250 Mitglieder und verstand sich als örtliche Vertretung der katholischen Zentrumspartei. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende des Kaiserreichs machte die Zentrumspartei in der Weimarer Republik weiter und hatte in Bayern den Ableger Bayerische Volkspartei (BVP) – ein ähnliches Verhältnis wie CDU und CSU heute.
Von "Union" zur BVP
Das Bestehen einer Ortsgruppe der BVP in Lohr kann bereits für den Dezember 1918 nachgewiesen werden. Ortsvorsitzender war der Zinngießermeister Richard Staub, der sein Geschäft in der Kleinen Kirchgasse hatte. Er war 1912 Gründungsmitglied der Union gewesen. Diese löste sich wahrscheinlich im Mai 1919 auf und ging in die BVP-Ortsgruppe über.
Die BVP wurde nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich unabhängig voneinander, aber fast gleichzeitig in vielen Teilen Bayerns, Männer und Frauen mit den gleichen Ideen. Sie stammten aus dem christlich-konservativen Lager, der christlichen Gewerkschaftsbewegung, der BVP und dem Zentrum.
So entstanden zunächst nur auf Gemeinde- und Kreisebene Kristallisationskerne der späteren Christlich-Sozialen Union. In Lohr gab es bereits seit Monaten Vorgespräche, bevor am 9. Januar 1946, wahrscheinlich im "Loli" ("Lohrer Lichtspiele") an der Lohrtorstraße, eine erste offizielle Zusammenkunft die Gründung vorbereitete.
"Geburtshelfer" aus Würzburg
Daran nahmen 19 Personen teil, unter anderem der spätere Ortsvorsitzende Michael Anderlohr, Anton Franz (Bürgermeister vom Einmarsch der Amerikaner bis Juli 1945) und Bürgermeister Constantin Rachor. Ergebnis war die Verabredung der Gründungsversammlung für den 16. Januar 1946 im "Bayerischen Hof". "Geburtshelfer" der Lohrer CSU waren zwei Würzburger.
In der Domstadt hatte Adam Stegerwald aus Greußenheim, in der Weimarer Republik christlicher Gewerkschaftsführer und Reichsminister, nach dem Krieg erster unterfränkischer Regierungspräsident, in zwei Reden am 21. August und 13. Oktober 1945 Konzeption und Programm für eine neueüberkonfessionelle christliche Volkspartei entworfen, die CSU.
Die konfessionelle Zersplitterung des christlich-konservativen Lagers machte Stegerwald für das Scheitern der Weimarer Republik mitverantwortlich. Die Sammlung in einer Partei hatte er vor 1933 vergeblich gefordert. In Marktheidenfeld wurde bereits am 24. September 1945 für Stadt und Kreis die CSU gegründet.
Bei der Gründungsversammlung in Lohr am 16. Januar 1946 wurde Heinrich Ruf, Schreinermeister in Sendelbach, zum Kreisvorsitzenden gewählt, zum Zweiten Vorsitzenden der Steinbacher Bürgermeister Edmund Freund. Anton Franz wurde Schriftführer. Lohrer CSU-Ortsvorsitzender wurde Wagnermeister Michael Anderlohr. Gleichzeitig wurde eine Junge Union (JU) gegründet, mit deren Leitung Albin Brehm betraut wurde. Die Gründung beschleunigt hat wohl die erste Stadtratswahl in Lohr am 27. Januar 1946.
Wahlerfolge
Die neue Lohrer CSU erhielt 70 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen (2254 von 3219) und elf von 15 Stadtratsmandaten – kein Vergleich zur aktuellen Situation. Auf die SPD entfielen 24 Prozent (772 Stimmen) und vier Mandate, sechs Prozent (193 Stimmen) und kein Mandat verblieben der KPD. Wahlberechtigt waren 3535 Bürger, von denen 93 Prozent an die Urnen gingen. Bei der Kreistagswahl am 28. April 1946 holte die CSU 18 von 25 Sitzen, die SPD sechs, die KPD einen.