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MARKTHEIDENFELD
Alltag begleiten, Erinnerungen wecken
Die freiwillige Alltagshelferin Gisela Diener (links) im Gespräch mit Friederike Döring, der Leiterin der Kontaktstelle „RuDiMacht's“. Sie koordiniert die Einsätze der Alltagshelfer.
Foto: Carolin Schulte | Die freiwillige Alltagshelferin Gisela Diener (links) im Gespräch mit Friederike Döring, der Leiterin der Kontaktstelle „RuDiMacht's“. Sie koordiniert die Einsätze der Alltagshelfer.
Carolin Schulte
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:57 Uhr

Ein Mal in der Woche packt Gisela Diener eine große Tasche zusammen. Darin befinden sich Stifte, Bastelmaterial, Liederbücher, auch ein Latein-Wörterbuch. In einem dicken Ordner hat sie außerdem Gesprächsthemen und kleine Requisiten zu jedem Thema gesammelt. Mit Ordner und Tasche im Gepäck tritt sie dann ihren Hausbesuch an: Als Alltagshelferin betreut sie zwei Stunden in der Woche freiwillig eine 79-jährige demenzkranke Frau.

Hauptberuflich arbeitet Diener in Teilzeit in einer Apotheke. „Als meine Kinder immer älter wurden, hatte ich auf einmal mehr Zeit, die ich gerne sinnvoll nutzen wollte.“ Über einen Zeitungsartikel wird sie aufmerksam auf die Beratungsstelle für Demenz „RuDiMachts“ in Marktheidenfeld, und tritt in Kontakt mit Friederike Döring. Die Sozialpädagogin und Gerontologin leitet die Kontaktstelle und bietet dort regelmäßig Schulungen zum Alltagsbegleiter für Menschen mit Demenz an.

In 40 Stunden werden die Freiwilligen auf den Umgang mit Demenzkranken vorbereitet: „Sie erhalten Basiswissen zu häufigen Krankheitsbildern im Alter und werden vor allem in der Kommunikation mit Menschen mit Demenz geschult“, erklärt Döring. Auch ein „Crash-Kurs Pflege“ ist Teil der Ausbildung, obwohl Pflege eigentlich nicht zu den Aufgaben der Alltagshelfer gehört. „Manchmal muss man aber im Notfall schnell reagieren können“, so Döring.

Demenz ist auch privat ein Thema

Die Kenntnisse aus dem Kurs hat Diener nicht nur in ihrer freiwilligen Tätigkeit nutzen können, sondern auch privat: ihre Schwiegermutter leidet an Demenz. „Mit dem neuen Wissen konnte ich die Hintergründe ihrer Erkrankung viel besser verstehen“, sagt sie heute.

Die Schulung hat sie schon 2015 mitgemacht und betreut seitdem als Alltagshelferin die 79-jährige Seniorin. „Die Dame erkennt mich schon an meiner großen Tasche mit Material“, lacht Diener. Ihre Treffen haben einen festen Ablauf: „Wir sitzen immer am selben Ort und auf den selben Plätzen“, erklärt sie. Diese Routine sei wichtig für die Frau. „Dann schauen wir oft zusammen in die Tageszeitung.“ Die Kranke lese die groß gedruckten Überschriften vor. Daran könne sie dann schon ablesen, ob ein Thema für die Frau von besonderem Interesse sei, erklärt Diener. Sie liest ihr dann die klein gedruckten Texte vor, die die Seniorin selbst nicht mehr erkennen kann.

Magenbrot weckt Erinnerungen

Im zweiten Teil holt Diener aus ihrer großen Tasche das Gesprächsthema, das sie für die Woche vorbereitet hat, oft mit aktuellem Anlass. „Kürzlich war zum Beispiel Kiliani Thema: Ich habe ihr die Legende vom Heiligen Kilian vorgelesen, wir haben über die Wallfahrt und auch über den Rummelplatz geredet.“ Dabei seien bei der Seniorin viele Erinnerungen geweckt worden, zum Beispiel wie sie als Jugendliche junge Männer auf der Schiffschaukel beobachtet hat. „Um auch ihre andere Sinne zu aktivieren, habe ich ihr Magenbrot mitgebracht“, erzählt Diener.

Manchmal lernt auch sie selbst noch dazu. „Die Frau hat in der Schule lange Latein gelernt, und erinnert sich an lateinische Sprichworte. Deswegen habe ich immer das Wörterbuch in meiner Tasche“, lacht sie. Döring nennt das Biografie-Arbeit. Die Betreuung müsse immer individuell auf die Bedürfnisse das Kranken zugeschnitten sein. „Wichtig ist, dass man die Lebensthemen einer Person aufgreift“, sagt sie. Nur dann könne man den Menschen aktivieren und ihn teilhaben lassen.

Programm der Krankheit angepasst

In den drei Jahren, die Diener die 79-Jährige jetzt kennt, hat sie auch den Verlauf der Demenz ganz nah mitbekommen. „Ich merke, dass ihre Aufmerksamkeitsspanne kürzer wird und muss meine Aktivitäten daran anpassen“, so Diener. Es gebe auch Tage, an denen die Frau schon bei der Begrüßung müde wirke. „Dann gestalte ich mein Programm auch ruhiger, lese zum Beispiel nur vor.“

Trotzdem gehe sie immer glücklich von den gemeinsamen Stunden nach Hause. „Ich bekomme so viel Bestätigung von dieser Dame. Ich merke einfach, dass ich bei ihr so viel bewirken kann.“ Das gebe ihr auch immer wieder Hoffnung für ihren eigenen Lebensabend. „Es gibt eben immer noch schöne Momente!“

Schulung zum Alltagshelfer

Am 24. September startet Friederike Döring eine neue Schulung zum Alltagshelfer. Der Kurs erstreckt sich über acht Vormittage, in der Regel montags und donnerstags. Mit ihren Einsätzen entlasten die Helfer Angehörige und Pflegekräfte, indem sie die Menschen mit Demenz für ein paar Stunden in der Woche beschäftigen oder mit ihnen zusammen kleine Aufgaben im Haushalt und Besorgungen erledigen. Die Helfer erhalten eine Aufwandsentschädigung und Fahrtgeld.

Interessenten können sich bei Friederike Döring unter Tel. (0 93 91) 9 86 41 13 melden.

 
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