Es ist ungemütlich an diesem Tag. Der Wind bläst nasskalt, noch liegt Schnee auf den Äckern oberhalb von Retzstadt, und die Feldwege sind dreckig und schlammig. Doch das tut der guten Stimmung von Karl Gerhard keinen Abbruch. Gerade wurde das fünfte und damit letzte Windrad des neuen Windparks aufgestellt. „Bald sind alle im Betrieb“, freut er sich. Damit steht das größte Projekt seiner bisherigen fast siebenjährigen Amtszeit als Bürgermeister so gut wie vor dem Abschluss.
Der riesige Kran, mit dem die großen Räder errichtet worden sind, hat seine Arbeit getan. Er wird wieder zerlegt und für die Abfahrt bereit gemacht. Nun ist es die Aufgabe der Techniker, die Kraftwerke richtig einzustellen. Zwei der fünf Windräder drehen sich an diesem Tag. Die anderen stehen still. Da ist noch Feinjustierung notwendig. Der Strom wird über eine neue Leitung vom Windpark zum Umspannwerk nach Karlstadt geführt und dort ins Stromnetz eingespeist.
Bis zur offiziellen Eröffnung am Mittwoch, 10. Juni, ist noch Zeit. Bis dahin werden dann die Anlagen bestens eingestellt sein, hofft jedenfalls Gerhard. Er weiß, dass es immer eine Weile dauert, bis solche großen Kraftwerke störungsfrei laufen – so ist jedenfalls die Erfahrung von anderen Windparks.
Auch kritische Stimmen
Auch in Retzstadt hat es kritische Stimmen gegen das Projekt gegeben, gibt Gerhard zu. Diese nimmt er ernst. Manche sagen, sie hören den Luftschlag der Propeller, andere wiederum stören sich an dem Anblick, obwohl aufgrund der Tallage von Retzstadt die Windräder nicht allzu auffällig sind. Wegen dieser Tallage ist auch der bestehende Windpark mit zehn Windrädern südlich von Retzstadt in Richtung Güntersleben gar nicht zu sehen. Sechs davon stehen sogar auf Retzstadter Gemeindegebiet, aber „was haben wir von denen?“, fragt Gerhard. „Die Investoren kommen von auswärts, auf Gewerbesteuereinnahmen braucht die Gemeinde nicht zu hoffen.“
Daher ging die Gemeinde beim neuen Windpark nordöstlich von Retzstadt einen anderen Weg. Bürger aus Retzstadt und aus der Region sind die Investoren. Im Mai 2011 wurde die BürgerEnergie Retzstadt gegründet, die sich zunächst um die Montage von Photovoltaikanlagen auf gemieteten Dächern kümmerte, aber auch das Ziel der Errichtung eines Windrads hatte. Zunächst sei es nur um ein Windrad gegangen, erinnert sich Gerhard. Doch das Retzstadter Ortsnetz war für die Stromeinspeisung ungeeignet. Da der Bau eines Kabelkanals zum Umspannwerk nach Karlstadt sich nur für mehrere Windräder lohnt, entschied man sich für fünf auf der Retzbacher Höhe.
Betreiber des Windparks ist die „Bürgerwind Retzstadt GmbH & Co KG “, die auf Initiative der BürgerEnergie Retzstadt entstand. Diese hat 235 Mitglieder, die sich mit durchschnittlich 30 000 Euro an der Finanzierung des Windparks beteiligen. Die Mitglieder brachten fast ein Drittel der benötigten 23 Millionen Euro auf, der Rest der Finanzierung erfolgt über Bankkredite. Gerhard ist froh über diese Lösung. „So bleibt die Wertschöpfung in der Region“, sagt er. Und auch die Akzeptanz des Windparks ist dadurch höher.
Gerhard ist erleichtert, mit dem Windpark fast am Ziel zu sein. Es habe viel Arbeit gemacht, um alle notwendigen Fragen zur Planung und Grundstückssicherung zu klären, sagt er und dankt seinen Mitstreitern Marco Keller und Thomas Adelmann vom Vorstand der Genossenschaft BürgerEnergie.
Ausnahme für Schwerlaster
Es hätte auch Rückschläge gegeben. Gerhard erinnert sich, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Anfang des Jahres 2014 für sie überraschend die Einspeisungsvergütung für die Kilowattstunde von 9,4 auf 9,2 Cent gesenkt habe. Eine neue Kalkulation wurde nötig, die zu dem Ergebnis kam, dass sich das Projekt trotzdem rechnet.
Über Nacht im November 2014 kam auch die Nachricht, dass die Autobahndirektion Nordbayern die Autobahnbrücke Schraudenbach der A 7 bei Werneck für den Schwerlastverkehr gesperrt hat. Alle bereits genehmigten Schwerlasttransporte wurden zurückgezogen – darunter auch die Anlieferung der Teile für das fünfte Windrad. Es sei dann relativ unbürokratisch gelungen, eine Ausnahme zu erwirken, erinnert sich Gerhard. „Doch zwei bis drei Wochen Verzögerung hat dies schon gekostet.“
Im Mai dieses Jahres wird das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld stillgelegt, was Gerhard richtig findet. Dann müssen die regenerativen Energien teilweise die Lücke schließen und dazu gehört ein solcher Windpark wie oberhalb von Retzstadt. Dies sagt er auch gerne den Kritikern. „Man kann nicht gleichzeitig für den Ausstieg von Kernkraft und gegen die Windenergie sein.“
Die Einspeisevergütung ist für 20 Jahre garantiert. Was danach ist, weiß Gerhard nicht. Vielleicht werden dann die Windräder wieder abgebaut, möglich aber auch, dass es noch Sinn macht, sie weiter zu betreiben, wenn sie noch wirtschaftlich Strom liefern. Das aber wird im Jahr 2034 entschieden.
Fakten zum Windkraftpark
Für Retzstadt ist es das bislang größte Projekt. Mit dem symbolischen Spatenstich im September wurde offiziell mit dem Bau begonnen. Mehr als 8000 Haushalte können die Windräder mit Strom versorgen, die Bauherren rechnen mit fast 30 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Damit würden rein rechnerisch jährlich über 15 000 Tonnen Kohlendioxid vermieden. Die günstigen Windverhältnisse auf rund 360 Metern Höhe ermöglichen relativ unspektakuläre bauliche Dimensionen. Die Nabenhöhe der Anlagen liegt bei 140, die Gesamthöhe bei 196, die Rotor-Durchmesser betragen 112 Meter. Die Gondeln mit den Generatoren mit einer Nennleistung von je 3075 Kilowatt werden von der Firma „Vestas“ geliefert. Die Finanzmittel von 23 Millionen Euro werden zu fast einem Drittel vom Kommanditen, der „Bürgerwind Retzstadt GmbH“, aufgebracht, der Rest über Kredite. Der Kabelkanal nach Karlstadt für den notwendigen Anschluss an den Einspeisepunkt kostet rund 1,2 Millionen Euro. Bei einer zu erwartenden Einspeisevergütung von 9,2 Cent pro Kilowattstunde wird ein Jahresertrag von 2,7 Millionen Euro erwartet. Prognostiziert wird eine Betriebsdauer von 20 Jahren. Betreiber ist die „Bürgerwind Retzstadt GmbH“. Die Firma „Wust-Wind & Sonne“ übernimmt die kaufmännische und technische Betriebsführung. „juwi Energieprodukte“ war für die Planung und die Einrichtung zuständig. gi
mal schauen ob die retzstadter es besser können
dann wäre es bei ihnen nicht nur im kopf, sondern auch in der wohnung zappenduster, wenn es windstill ist
es gilt und wird weiterhin gelten, daß der strom der zum zeitpunkt "x" irgendwo verbraucht wird, im selben zeitpunkt erzeugt werden muß.
und wenn der bürger den lichtschalter drückt, die kochplatte oder den fön einschaltet während der wind nicht weht , muß der strom woanders erzeugt werden. den kann man dann als atomstrom aus tschechien oder frankreich beziehen oder man hält zusätzliche konventionelle kraftwerke vor, die man eigentlich einsparen wollte.
und die bevölkerung, der "kleine mann", zahlt die zeche über den aufschlag auf der stromrechnung.
umso mehr eine frechheit zu behaupten, diese verspargelung würde auf "hohen konsens" in der gemeinde stoßen!