"Musik heilt, Musik tröstet, Musik bringt Freude" wusste bereits Yehudi Menuhin. Der weltberühmte Geiger sah die Musik als Brücke zum Leben, zwischen dem Unfassbaren und Fassbaren, zwischen Himmel und Erde. Dieses Zitat schien wie geschaffen für Alfons Meuserts brillantes Spiel an der Krieger-Orgel am frühen Sonntagabend in der Kirche St. Pius in Lohr-Lindig.
Wohlüberlegt war der Aufbau des Programms mit Werken alter Meister wie Johann Sebastian Bach über Théodore Dubois und Louis Vierne bis hin zu Guy Bovet, einem namhaften Komponisten und Konzertorganisten unserer Zeit. Zwischen die Orgelwerke setzte Stadtpfarrer Manfred Hock einen geistlichen Impuls, der zur Meditation zum Tagesausklang einlud.
"Am Ende wird es ganz anders sein, als wir glauben und leichter womöglich, als wir zu hoffen wagen", zitierte er aus Carola Moosbachs poetischem Gebet (zu Psalm 90,12). Das Thema "Abschied und Sterben" sei im November vielfach präsent. Was in der Natur zu erkennen sei, spiegele sich in Feiertagen wie Volkstrauertag und Totensonntag wider. Gleiches gelte auch für das geistliche Konzert mit Alfons Meusert, bekennender Liebhaber von Bach und Barockmusik.
Emotional und fantasievoll
Der ehemalige Dekanatskantor startete mit dem Vivaldi nachempfundenen "Concerto d-moll" BWV 596 mit virtuosem Orgel-Allegro. Die flehende Bitte "Wo soll ich fliehen hin?" steht über Bachs Choralvorspiel BWV 646, das laut Hock die Sehnsucht nach einem tröstenden Wort betont. Ehrfürchtig intonierte der Kirchenmusiker den Choral "Vor deinen Thron tret` ich hiermit" BWV 668, den Bach dem Tode nahe als letztes Werk diktiert hatte.
Vom lateinischen vale abgeleitet ist der Abschiedsgruß "Lebe wohl". Das geistliche Lied des barocken Großmeisters thematisiert den Abschied vom irdischen Leben bis zur Aufnahme in das Buch des Lebens. Als "ganz besonderes Werk" kündigte Hock den "Hamburger Totentanz" (1970) des 82-jährigen Guy Bovet an. Emotional und fantasievoll intonierte Meusert die Hommage an die Toten der hanseatischen Bombennacht mit dem bizarren Tanz des Sensenmannes. "Wir sollten uns der Gewissheit des Todes sicher sein und unser Leben danach ausrichten", gab Hock zu bedenken.
Stimmungswechsel
Stimmungswechsel hin zu leiseren Tönen und sphärischen Klängen: Parallel zum Text "Zum Paradies mögen Engel dich geleiten" erklang Théodore Dubois "In Paradisum", heute noch Teil der Beerdigungsliturgie. Faszinierende Klangbilder zwischen Heiterkeit und Trauer zauberte Meusert mit "Claire de lune" (Mondschein) und der "Toccata b-moll" aus Louis Viernes Fantasiestücken vor das geistige Auge.
Meusert ließ seine Klasse an Ausdruckskraft und Nuancierung hören. Jede Note zeugte von tief empfundenem Gefühl, großer Klarheit und wohldurchdachter Registrierung. Geschickt wechselte er zwischen wuchtigen und lyrischen Klängen. Nahezu greifbar schien die andachtsvolle Stille im Nachspüren der Musik, bevor herzlicher Applaus den Kirchenraum füllte.
Mit dem Schlusssegen des Stadtpfarrers und Meuserts Zugabe "Sicilienne" (Louis Vierne) ging das Publikum gestärkt in die neue Woche.