Weil das Wahlgeheimnis nicht gewährleistet gewesen sei, wurde die Landratswahl für den Landkreis Marktheidenfeld vom 8. März 1964 für ungültig erklärt und am 19. September 1965 wiederholt. Es war die letzte Wahl eines Landrates für den Landkreis Marktheidenfeld – auf den Tag genau heute vor 50 Jahren.
Aus Altersgründen schied der bisherige Landrat Leo Baunach, 1898 geboren, aus dem Amt. 16 Jahre hatte der „Aufbauminister des Landkreises Marktheidenfeld“, wie Baunach anerkennend genannt wurde, das Landratsamt geleitet und die Geschicke des Landkreises maßgeblich mitbestimmt. Nun stand ein Generationenwechsel an.
Um die Nachfolge des früheren Kaufmanns Baunach bewarben sich bei der Wahl am 8. März 1964 zwei Juristen: der seit 1961 am Landratsamt Marktheidenfeld tätige Regierungsrat Albin Niklaus, aus Eichstätt stammend, 39 Jahre alt, und der seit 1954 in Marktheidenfeld ansässige und seit 1958 als Rechtsanwalt tätige Elmar Rosel aus Ebersbach (heute Ortsteil von Leidersbach), 36 Jahre alt. Niklaus war der Kandidat der CSU und des GdB/BHE, einer politischen Gruppierung, die namentlich die Interessen der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in Folge des Zweiten Weltkrieges vertrat.
Rosel war der Kandidat einer freien Wählergemeinschaft und wurde von der SPD und der FDP unterstützt.
Nach heftigem Wahlkampf war das Ergebnis der Wahl am 8. März 1964 sehr knapp: Niklaus hatte gegenüber Rosel einen Vorsprung von nur 80 Stimmen bei 20 224 gültigen Stimmen. Auf Niklaus waren 10 152 Stimmen entfallen, auf Rosel 10 072.
Wahlzettel waren „durchsichtig“
Wenn es dabei geblieben wäre, wäre die Wahl aus heutiger Sicht nichts Spektakuläres gewesen. Allerdings fochten 66 Wähler aus dem Landkreis Marktheidenfeld die Wahl an. Sie machten die Verletzung des Wahlgeheimnisses geltend. Die Regierung von Unterfranken sah das genauso und erklärte die Landratswahl am 22. September 1964 für ungültig. Grund: Das Wahlzettelpapier sei durchscheinend und druckempfindlich gewesen, nach Faltung des Wahlzettels habe man erkennen können, welcher Kandidat gewählt worden sei, und Umschläge für die Wahlzettel seien nicht verwendet worden.
Zu dem Argument, bei dem Papier habe es sich um einen Restposten des Stimmzettelpapiers gehandelt, das 1962 bei der Bezirkstagswahl unbeanstandet verwendet werden konnte, führte die Regierung aus: Auf dem damaligen Stimmzettel sei eine Mehrzahl von Kandidaten aufgeführt und deswegen die Feststellung bei gefaltetem Papier, wen der Wähler angekreuzt habe, insbesondere in kurzer Zeit nicht möglich gewesen.
Niklaus klagte gegen die Entscheidung der Regierung von Unterfranken vor dem Verwaltungsgericht Würzburg. Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts unter Vorsitz von Präsident Dr. Schöndorf wies die Klage im Juli 1965 ab und bestätigte die Ungültigerklärung der Wahl. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hätte Niklaus Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München einlegen können, was er aber nicht tat. Niklaus meinte damals: „Ich stelle mich dem Urteil der Wähler, denen Gelegenheit geboten werden muss, einen ihnen genehmen Landrat auf sechs Amtsjahre zu wählen.“ So wurde das Urteil rechtskräftig. Die Landratswahl musste folglich neu abgehalten werden.
Zeitgleich mit Bundestagswahl
Als Wahltag wurde dann der 19. September 1965 bestimmt. An diesem Tag fanden auch Wahlen zum Bundestag statt. Die Abhaltung beider Wahlen an einem Tag war angeregt worden, „um dem Landkreis größere Kosten zu ersparen“. Die Amtsgeschäfte führte einstweilen der stellvertretende Landrat Niko Versch.
Bei der Wahl am 19. September 1965 kandidierten wieder Niklaus und Rosel. Die FDP erklärte, dass sie die Vorbehalte, die sie vor der ersten Wahl gegen Niklaus geltend gemacht habe, nicht mehr aufrechterhalte. Niklaus plädierte dafür, „klare Verhältnisse zu schaffen“, Rosel wollte „eine echte Auswahl ermöglichen“. 24 002 Stimmen waren gültig. Davon entfielen 16 449 Stimmen auf Niklaus, 7553 auf Rosel. Hatte der Stimmenanteil von Niklaus im März 1964 noch knapp 50,2 Prozent betragen, waren es nun 68,5 Prozent.
Wegen der am 1. Juli 1972 wirksam werdenden Landkreisreform und des Endes des Landkreises Marktheidenfeld mit dem 30. Juni 1972 war die Wiederholungswahl vom 19. September 1965 die letzte Wahl eines Landrates für den Landkreis Marktheidenfeld. Die Amtsperiode des Landrates wurde einige Monate über die üblichen sechs Jahre hinaus verlängert.