Es ist Herbst im Jahr 2014, die erste Mannschaft der DJK Retzstadt liegt auf einem der hinteren Tabellenplätzen. Nach dem Training sitzen die Fußballer beisammen. Die Stimmung: eine Mischung aus Frust und Aktionismus. Doch womit glänzt man am geschicktesten, wenn nicht mit sportlicher Leistung? Die Antwort findet Michael Eisenbacher schnell: „Mit unseren Körpern.“
Der Polizist ist der Ressortleiter für Öffentlichkeitsarbeit. Man könnte sagen: Er hat seinen Job dann ordentlich gemacht, wenn der Verein mal wieder von sich reden macht. Das ist immer gut, auch für die Zukunft der Mannschaft – und vielleicht kommt dann auch wieder etwas mehr Schwung in die Saison. Mittlerweile ist klar, dass Eisenbachers Plans aufgegangen ist. Der Verein hat von sich reden gemacht, definitiv. Und die Spieler sind im Laufe der Saison nicht nur um sportliche Erfahrungen reicher geworden.
Sie wurden zu Models, zu Aktmodels um genauer zu sein. Zusammen mit dem Himmelstadter Fotografen Matthias Schott haben sie einen sportlich-erotischen Kalender für 2016 aufs Papier gebracht. Viel Kleidung trägt man naturgemäß als Aktmodel nicht, Schatten ist aber erlaubt. Und so sind zwölf Bilder entstanden, die entgegen mancher Befürchtung nichts zeigen, was Großmütter aus Sesseln kippen lässt oder den Betrachter zum Erröten bringt. Einen Kalender voller stilvoller Teilakte, reduziert auf ein paar Accessoires, die den Bezug zum Sport herstellen, ansonsten natürliche, athletische Körper in Schwarz-Weiß: So der Plan, so auch die Umsetzung.
Zurück im Herbst 2014: Eisenbacher spricht seinen Arbeitskollegen Schott an, er weiß, dass der nebenberuflich fotografiert. Schott ist gleich dabei. „Es gibt Sachen, die reizen einen sofort beim ersten Anhören. Wenn man normal fast nur Hochzeiten fotografiert, ist das eine tolle Abwechslung.“
So wenig Überzeugungsarbeit Eisenbacher bei Schott leisten muss, so laut werden doch erst mal die Zweifel bei manchen Spielern. Skeptische Freundinnen und Frauen, nein, die seien kein großes Problem gewesen. „Aber manche hatten schon Bedenken, was wohl der Chef dazu sagen würde.“ Doch nachdem sich die ersten paar Spieler bereit erklärt haben, zieht der Rest auch mit, am Ende kommen zwölf Mann zusammen.
Restzweifel werden damit ausgemerzt, dass man ja nicht nur aus Spaß an der Freude die Hüllen fallen lässt, sondern das Ganze ja auch noch für einen guten Zweck ist: Wenn die Druckkosten nach 30 verkauften Kalendern wieder drin sind, geht der komplette Erlös in gleichen Teilen an die Retzbacher Mukoviszidose Stiftung und die Retztal Therapie-Lamas. Ärger mit den Chefs hat keiner der Spieler bekommen, „ein paar blöde Sprüche hat der ein oder andere aber schon zu hören gekriegt“, sagt Eisenbacher.
Anfang 2015 beginnt Schott mit den Shootings. Auch der 25-jährige Tristan Hillinger wagt sich vor die Kamera, das erste Mal fast nackt, wie alle Spieler. „Eigentlich wollte ich ja der August-Boy werden“, scherzt er. Doch ein Trainingsunfall macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Jetzt schmückt er den November – stilecht herbstlich-niedergeschlagen auf der Krankenliege sitzend mit einem großen Verband am Fuß. Außer dem trägt Hillinger nur noch eine knappe Untenhose: „Da hab ich mir keine großen Gedanken gemacht, da hab ich einfach die genommen, die oben auf dem Stapel lag.“ Der Verband, der nach mehr Verletzung aussieht, als tatsächlich glücklicherweise drunter steckt – „Ich hab' mir den Zehen ausgekugelt. Und ja, ich weiß, der Verband ist überdimensional!“ –, ist echt.
So wie fast alles auf den Bildern. „Ich hab nirgends nachgeholfen, keine Photoshop-Waschbrettbäuche an die Leute dran gebaut oder so, lediglich ein paar Mini-Retuschen, wenn mal ein Pickel da saß, wo er nicht hingehört“, sagt der Fotograf. „Manche haben vor ihren Terminen extra viel trainiert, das war aber auch schon das einzige Anzeichen von Eitelkeit“, sagt Eisenbacher. Was nicht mit Sit-Ups funktioniert, funktioniert eben mit dem geschickten Einsatz von Licht und Schatten. „Oft hat es gereicht, wenn sich die Spieler bei passender Beleuchtung einen Millimeter gedreht haben, schon kamen die Muskeln besser zur Geltung“, so Schott.
Nicht jedem fällt es leicht, sich vor der Kamera zu verrenken, Positionen einzunehmen, wie man es so normal nie tun würde und dabei noch einen entspannten Gesichtsausdruck zu haben und natürlich zu wirken. Vor allem wohl nicht, wenn einem bewusst wird, dass jetzt keine Bilder fürs Familienalbum geschossen werden. „Da hilft nur: reden, reden, reden“, sagt Schott. Die kompletten Shootings über erklärt er jeden Handgriff, „dann fühlt sich das Model nicht so ausgeliefert und weiß, was gemacht wird“.
Wenns dann noch nicht ganz perfekt aussieht, tut ein bisschen Öl den Rest dazu, denn was glänzt, wirkt auch gleich etwas mehr. „Bei meinem Termin ging das Babyöl aus“, erinnert sich Hillinger. Stattdessen griff man kurzerhand zu einem Thermo-Öl für Verspannungen, das noch hinten im Medizinschrank in der Sportumkleide stand. „Verteil' das mal großflächig auf deinem ganzen Körper“, sagt Hillinger und schnaubt. „Heiß.“
„Heiß“ könnte man auch das Bild nennen, das beim Shooting herausgekommen ist. Es wird im November bei Hillingers Mutter und seiner Schwägerin hängen, beide haben den Kalender gekauft. „Vielleicht gewinnen wir ja so noch ein paar weibliche Fans dazu“, scherzt Eisenbacher.
Einige haben die Retzstadter ohnehin schon, machen sie doch nicht das erste Mal mit ausgefallenen Aktionen auf sich aufmerksam. Vor ein paar Jahren druckten sie Panini-Aufkleber von allen Spielern, dem Vereinsheim, dem Sportplatz, Trainern und anderen Mitwirkenden, inklusive Sammelalbum – und schon war in Retzstadt eine Tauschbörse am Laufen.
Die Saison 2014/15 kam mit den Shootings doch noch ins Laufen, am Ende spielten die Retzstadter um den Aufstieg. Jetzt gilt es, die Kalender unter die Leute zu bringen. „Einen haben wir sogar schon an einen Mann aus Berlin geschickt, der ist wohl über Facebook auf uns aufmerksam geworden“, sagt Eisenbacher. Bei der Weihnachtsfeier hat er mal rumgefragt, ob jemand den Empfänger kennt. „Fehlanzeige.“ Der Fan aus der Hauptstadt darf sich natürlich trotzdem an den ansehnlichen Retzstadter Jungs erfreuen. Es dient ja dem guten Zweck.
Hier gibt's den Kalender
Die DJK Retzstadt hat vorerst 100 Kalender drucken lassen, jeweils 50 in DIN A3 und 50 in DIN A4. Der kleine Kalender kostet 15 Euro, der größere 21 Euro. Zu kaufen gibt es die Kalender in der Bäckerei Engel in Retzstadt, im Retzstadter Frisör-Salon „Einfach schön“ und im Internet unter www.djk-retzstadt.de.
Der komplette Erlös – abzüglich der Druckkosten – geht zu gleichen Teilen an die die Retzstadter Ortsgruppe der Mukoviszidose-Stiftung und an die Therapieeinrichtung „Retztal Lamas“.
Wenn alle Kalender verkauft werden, kommen über 1500 Euro zusammen. Der Fotograf hat seine Gage im Nachhinein gespendet, weil ihm die Aktion so viel Spaß gemacht hat.