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Lohr
Aktivist Krauthausen: Inklusion ist, die menschliche Vielfalt zu akzeptieren
Aktivist Raul Krauthausen sprach und diskutierte im Rahmen des Kinder- und Jugendliteraturfestivals in der Stadthalle Lohr über das Thema Inklusion. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Aktivist Raul Krauthausen sprach und diskutierte im Rahmen des Kinder- und Jugendliteraturfestivals in der Stadthalle Lohr über das Thema Inklusion. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 27.10.2024 02:29 Uhr

Inklusion bedeute für ihn die "Annahme und Akzeptanz von menschlicher Vielfalt". Das hat Aktivist Raul Krauthausen aus Berlin im Rahmen des Kinder- und Jugendliteraturfestivals in der Stadthalle vor rund 200 Anwesenden betont. Inklusion mit der Kostenfrage zu verbinden, sei "supergefährlich".

Raul Krauthausen, geboren Juli 1980 in Lima (Peru), hat die sogenannte Glasknochenkrankheit, ist kleinwüchsig und benutzt einen Rollstuhl. 2014 erschien seine Autobiografie "Dachdecker wollte ich eh nicht werden – Das Leben aus der Rollstuhlperspektive". Im Februar 2024 veröffentlichte Krauthausen sein erstes Kinderbuch "Als Ela das All eroberte", das er mit Co-Autorin Adina Hermann über ein Mädchen geschrieben hat, das mit Rollstuhl lebt und den Weltraum entdecken möchte.

Zahlreiche Fragen kamen aus den Reihen von anwesenden Gehörlosen. Diese waren stark vertreten, weil Stadthallenleiter Thomas Funck eine Gehörlosendolmetscherin organisiert hatte. Eine Veranstaltung über Inklusion sollte selber inklusiv sein, meinte er. Sein Verbindungsmann zur Dolmetscherin hatte für den Termin in der Gehörlosen-Community Werbung gemacht.

Aus Integration entwickelt

Woher der Begriff Inklusion komme und was er bedeute, wollte eine gehörlose Frau wissen. Laut Krauthausen handelt es sich um einen sozialwissenschaftlichen Begriff aus dem angelsächsischen Raum, der ab etwa dem Jahr 2000 auch in Deutschland angekommen ist. Er sei eine Weiterentwicklung des Begriffs Integration.

Ein gehörloser Mann fragte nach, wie es mit dem Teilhabegeld für Kinder und Jugendliche mit Behinderung in Bayern aussieht. Details kenne er als Berliner nicht, so der Aktivist, aber er finde es seltsam, dass diese finanzielle Leistung Angelegenheit der Bundesländer und nicht bundeseinheitlich geregelt sei.

In den Schulen seien die Bemühungen um Inklusion eher wieder rückläufig, meinte ein Teilnehmer. Oft werde die Kostenfrage aufgeworfen, so Krauthausen. Dabei hätten Berechnungen ergeben, dass bei einer bundesweit gleichmäßigen Verteilung von Kindern mit Behinderung auf die Schulen ein solches Kind pro Klasse unterrichtet werde.

"Ruinöse Empathie"

Schulen, Kindergärten und Spielplätze sind für Krauthausen wichtige Orte der Begegnung. Dort gebe es die wirklichen Veränderungen im Umgang miteinander. Wenn diese Orte nicht barrierefrei seien, "dann begegnen wir uns nicht". Statt mit Plakaten, Broschüren und Spots für Barrierefreiheit zu werben, sollte man das Geld lieber nehmen und solche Orte barrierefrei machen.

Der Aktivist beobachtet nach eigenen Angaben immer mehr ein Phänomen, das er "ruinöse Empathie" nennt. Überall werde die Notwendigkeit der Inklusion betont, aber im wirklichen Leben passiere wenig. So habe die Bundesregierung für eine Reform des Gleichbehandlungsgesetzes, die im Koalitionsvertrag stehe, noch nicht einmal einen Entwurf vorgelegt.

Teilhabe von Menschen mit Behinderung sei nur eine Seite. Dabei fehle aber die "Teilgabe". Nur selten stünden Menschen mit Behinderung auf der Bühne, träten in der Zahnpastawerbung auf oder seien als Nachrichtensprecher zu sehen.

Preiswürdige Rolle

In deutschen Filmen spielten nicht behinderte Schauspieler Behindertenrollen, anstatt Behinderte zu casten. Als Beispiel nannte Krauthausen Tom Schilling im Film "Die Goldfische". Unter Schauspielern gebe es sogar den Ratschlag: "Wenn du einen Preis gewinnen willst, spiel' einen Behinderten."

 
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