Für den Bürgermeister ein politisches Zeichen – für die AfD ein Affront: Der AfD-Kreisverband Main-Spessart/Miltenberg hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Ersten Bürgermeister der Stadt Lohr, Mario Paul, eingereicht. Hintergrund ist eine AfD-Veranstaltung in Lohr, die im April in der Stadthalle stattfand. Paul hatte die Mieteinnahmen von 200 Euro kurzerhand verdoppelt und gespendet – an den Helferkreis Asyl.
"Als vorrangige Dienstbehörde und in Ihrer Verantwortung als Landrätin erwarten wir, diese Dienstaufsichtsbeschwerde aufzugreifen und entsprechend zu handeln", schreibt nun der Kreisvorsitzende der AfD Main-Spessart/Miltenberg, Kurt Schreck, in einem Brief an Landrätin Sabine Sitter. In der Spende sehe die AfD "nicht nur eine Zweckentfremdung steuerlicher Gelder, sondern insbesondere die erklärte und vorsätzliche Absicht, eine Rechtsstaatspartei in aller Öffentlichkeit zu diffamieren nach dem Motto: Seht her, von einer rechtsradikalen oder Nazi-Partei nehmen wir kein Geld an."
Debatte in sozialen Netzwerken
Tatsächlich diskutierten Bürger in den sozialen Netzwerken bereits im April darüber, ob die Stadt Lohr überhaupt ihre Stadthalle für eine AfD-Veranstaltung vermieten müsse oder man die Anfrage auch ablehnen könne. Bürgermeister Paul erklärte damals, dass die Stadt als öffentlich-rechtliche Behörde dazu verpflichtet sei, alle rechtlich zugelassenen Parteien gleich zu behandeln. Man müsse die Stadthalle bei einer Anfrage also auch der AfD zur Verfügung stellen.
Pauls Schachzug, um seine ablehnende Haltung gegenüber der Partei, die inzwischen auch ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist, deutlich zu machen: Er wandelte die Mieteinnahmen von 200 Euro, die die AfD für die Hallennutzung zahlte, in eine Spende um, verdoppelte die Spende und ließ das Geld dem Helferkreis Asyl zukommen. Ehrenamtliche Bürger begleiten hier Flüchtlinge und Asylsuchende in Lohr und unterstützen sie bei der Integration. Möglich war Paul dies, weil er per Stadtratsbeschluss über ein Bürgermeisterbudget in Höhe von 3500 Euro ohne Zweckbestimmung verfügen kann.
Die AfD, deren ablehnende Position zu Asyl und Migration zum Kern ihres Wahlprogramms gehört, reagiert wie erwartet: Der Bürgermeister habe die Mieteinnahmen zweckentfremdet und an ein "zumindest fragwürdiges Migrationsprojekt" gespendet, schreibt Kreisvorsitzender Schreck. Auch wenn es sich vergleichsweise lediglich um einen "symbolisch geringen" Geldbetrag handele, gehe es letztlich um Steuergelder der Bürger, die in diesem Fall zweckentfremdet verwendet worden seien, so die AfD.
Sachverhaltsermittlung wird durchgeführt
Das Landratsamt Main-Spessart muss nun aufgrund der Beschwerde eine umfassende Sachverhaltsermittlung durchführen. "Dies beinhaltet in aller Regel, dass dem Beschwerdegegner die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird. Nur durch die Darstellungen beider Seiten ist es möglich, sich ein objektives Bild von der Sachlage zu machen", antwortet die Pressestelle auf eine Anfrage. Falls nötig, würden weitere Schritte zur Ermittlung des Sachverhalts unternommen. Erst dann erfolge eine abschließende rechtliche Würdigung.
Sowohl Bürgermeister Paul als auch AfD-Kreisvorsitzender Schreck waren am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Im April hatte Paul bereits erklärt, er sei als Bürgermeister nicht nur Behördenleiter, sondern auch ein Mensch mit einer klaren politischen Haltung. Die AfD stehe "für ein Welt- und Menschenbild, das ich entschieden ablehne", erklärte Paul damals.