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Lohr
Äußere Vorstadt Lohrs steht auf Lehm
Blanker, steinloser Lehm tragt zu Tage, als die Bagger die Trasse für die Westtangente schoben.
Foto: ArchivHans Schönmann | Blanker, steinloser Lehm tragt zu Tage, als die Bagger die Trasse für die Westtangente schoben.
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 14.06.2020 02:10 Uhr

Der Bau der Westtangente vor 25 Jahren schnitt die große Lehmschwelle an, auf der die äußere Vorstadt steht. Damit ermöglichte das Projekt nicht nur einen Einblick in die Geologie der Lehmskaute, sondern auch in die Lohrer Wirtschaftsgeschichte. Denn Lehm war der Rohstoff für die früheren Ziegeleien.

Gelbbrauner, steinloser, reiner Flusslehm trat zutage, als die Bagger die bergseitige Böschung für die Trasse der Westtangente anschnitten. Wie der Bund-Naturschutz-Vorsitzende Hans Schönmann seinerzeit erläuterte, befindet sich zwischen dem Tiefen Weg und dem Viadukt an der Wombacher Straße eine Lehmschwelle.

Direkt darauf stehen die Georg-Ludwig-Rexroth-Realschule, die Berufsschule und die Spessarttorhalle. Bodenuntersuchungen haben laut Schönmann ergeben, dass die ganze äußere Lohrer Vorstadt jenseits des Kaibachs auf Lehmgrubengelände aufgebaut ist.

Auslaufen im Sandfeld

Noch heute könne man mit etwas Fantasie erkennen, wo einst die großen Abgrabungsstellen gewesen seien, so Schönmann, beispielsweise zwischen Spessarttorhalle und Wombacher Straße. Die Lohrer Lehmschwelle läuft nach Süden zu im sogenannten Sandfeld aus. Dort bestanden bis in die 1980er Jahre die Sandgruben Goßmann und Kuhn.

Bei den großen Mengen an Lehm handelt es sich um Flussablagerungen, also um Sedimente des Mains. Vor allem bei Hochwasser führt der Fluss große Mengen an "Flußtrübe" mit, das sind nach Schönmanns Angaben schwimmfähige Ton- und Schluffpartikel. Wenn das Wasser durch Barrieren verwirbelt und in eine relative Ruhephase überführt wird, können sich große Mengen des Materials ablagern.

Im Straßennamen Lehmskaute hat sich die Erinnerung an den geologischen Untergrund erhalten.
Foto: Thomas Josef Möhler | Im Straßennamen Lehmskaute hat sich die Erinnerung an den geologischen Untergrund erhalten.

Früher lag das Niveau des Mains einige Meter über dem heutigen. Es ist nachgewiesen, dass ein alter Mainarm noch in historischer Zeit den westlichen Teil der Maintalaue durchfloss und mitten durch die Gemarkung von Wombach führte. Der dortige Landgraben zeichnet noch heute das alte Flussbett nach.

Heute erinnert nur noch der Name der Straße parallel zur Bahnlinie, "Lehmskaute", an die ehemalige Ziegelhütte, die dort ihren Standort hatte. Dieser Name bedeutet "Lehmgrube". "Kaute" hat laut Schönmann die gleiche Wurzel wie das norddeutsche Wort "Kute" und heißt "Grube".

Ziegelöfen schon im Mittelalter

Der Lehm wurde in früheren Zeiten für die Herstellung von Dachziegeln und Backsteinen verwendet. Ziegeleien haben in Lohr eine jahrhundertelange Tradition. Für den großen Bedarf an Dachziegelnund Backsteinen wurde dort produziert, wo er gebraucht wurde und wo es den Rohstoff dafür gab.

Schon im Mittelalter brannten nachweisbar in der Vorstadt unten am Fluss Kohlenmeiler und Ziegelöfen. Der Historiker Kaplan Georg Höfling spricht in seiner Geschichte Lohrs auch vom Lehmgrubenpfad, eine Bezeichnung, die verloren ging. Die Tätigkeit in den Ziegeleien war eine rechte Knochenarbeit.

In Lohr waren es um die Wende zum 20. Jahrhundert vorwiegend Italiener, die diese Arbeit verrichteten. Das Holz für die Brennöfen kam aus dem Lohrer Stadtwald. Den für die Ziegelbrennerei notwendigen Zuschlagstoff Kalk bezogen die Lohrer Ziegler aus der Kalkstein-Nachbarschaft, vor allem aus Harrbach.

Doch nicht nur die Ziegelhütten profitierten vom Lehmvorkommen. Lehm ist ein Gemenge aus Quarzkörnchen und Ton. Wenn der Lehmboden unter der Humusdecke größere Mengen an Schluff und Ton enthält (Partikel, die kleiner als 0,02 Millimeter sind), ist er auch für die Töpfer das richtige Material. Deshalb lebten und arbeiteten auch Lohrer Hafner einst in der Nähe der Lehmskaute. Ihre Namen sind überliefert: die Hettigers und Heilmanns.

Spielen im Lehm

Das ehemalige Lehmgrubengelände war in der Folgezeit Schuttplatz für die Lohrer. Man fuhr vor die Tore der Stadt und lagerte den Unrat in den vorhandenen Löchern ab. Die Jugend fand dort ein abwechslungsreiches Abenteuergelände. Ein Spiel, das die jungen Leute bevorzugt in ehemaligen Lehmgruben spielten, ist überliefert. Sie nannten es "Stickeln".

Dabei wurde zunächst ein angespitzter Stock in den weichen Lehmboden geworfen. Die nachfolgenden Buben versuchten dann, mit ihrem Stickel den des Gegners aus dem Boden zu katapultieren und dabei den eigenen fest im Lehm zu verankern.

Der Bau der Westtangente vor 25 Jahren ermöglicht einen Einblick in die Geologie der 'Lehmskaute', als verschiedene Erdschichten sichtbar wurden, und damit auch in die Lohrer Wirtschaftsgeschichte mit Ziegeleien in der Vorstadt. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Der Bau der Westtangente vor 25 Jahren ermöglicht einen Einblick in die Geologie der "Lehmskaute", als verschiedene Erdschichten sichtbar wurden, und damit auch in die Lohrer Wirtschaftsgeschichte mit Ziegeleien in ...
 
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