Vor 175 Jahren ist der TSV Lohr gegründet worden. Heute kaum vorstellbar: Vier Jahre später wurde er verboten, weil Sportvereine der Obrigkeit nach der gescheiterten Revolution von 1848 suspekt waren. Aktuell kämpft der TSV, der älteste noch bestehende Lohrer Verein, mit den Folgen der Corona-Pandemie.
Der Anstoß zur Vereinsgründung kam, wie so oft in Lohr, von außen. Für die vier jungen Burschen Philipp Reitz aus Mainz, Messer aus Frankfurt, Mainzinger aus Aschaffenburg und Stenger aus Hösbach waren vaterländische Begeisterung und die Freude am Turnen die Beweggründe, 1846 den Turnverein Lohr aus der Taufe zu heben.
Der erste Vorsitzende
Posthalter und Hotelier Anton Gundlach wurde 1848 der erste Vorsitzende. Im Jahr darauf feierte der Verein die Fahnenweihe mit Patenvereinen aus Mainz und Hanau, ein weiteres Jahr später war er verboten. Akten und Geräte mussten vernichtet werden. Erst 1861 konnte der Verein neu entstehen. Der Gesangverein von 1843 hatte die Fahne so lange aufgehoben.
Meisterschaft 1911
1892 freuten sich die Turner über die Fertigstellung der städtischen Turnhalle an der Gärtnerstraße. 1911 errang die Faustballmannschaft des TV Lohr die bayerische Meisterschaft. Der Mitgliederstand betrug damals 105. 1933 fusionierte der TV Lohr – 1928 um Handball und 1929 um Wassersport erweitert – mit dem 1913 entstandenen 1. Lohrer Fußballclub zum TSV Lohr.
Expansion nach Zweitem Weltkrieg
1937 schlossen sich auf Druck der Machthaber der TSV Lohr und die 1875 gegründete Turngemeinde Lohr zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der TSV am 15. Januar 1946 die Vereinstätigkeit wieder auf, zunächst mit den Abteilungen Fußball, Handball, Kegeln, Frauensport und der neuen Tischtennisabteilung. Boxen, Faustball, Schwimmen, Rudern und Kinderturnen kamen noch im Jahr 1946 hinzu.
Der 1927 in Betrieb genommene Sportplatz an der Jahnstraße war wegen Kriegsfolgen erst ab Ostern 1946 wieder nutzbar. 1948 gründete sich die Kanuabteilung wieder, und Tennis kam auf Initiative des Vorsitzenden Franz Back hinzu. 1950 beteiligte sich der TSV maßgeblich am Stadthallenbau, zehn Jahre später übernahm er die Trägerschaft beim Schwimmbadbau.
Sportheim an der Jahnstraße
1958 war die Geburtsstunde der Judoabteilung. Erst 1974 gibt es weitere Neuzugänge: Basketball und Volleyball. Das Sportheim an der Jahnstraße baute sich der TSV 1976/77 mit eigenen Mitteln. 1980 überschritt der Verein die Grenze von 2000 Mitgliedern, nicht zuletzt durch die Gründung der Tanzsportabteilung. Als Abrundung des Angebots kam 1984 eine Badminton-Abteilung hinzu, 1988 schloss sich der Schachklub dem TSV an.
Kein Corona-Fall
Die Corona-Pandemie macht dem TSV Lohr – wie anderen Vereinen – schwer zu schaffen. "Jede Abteilung musste sehr früh einen Hygienebeauftragten benennen, der im engen Kontakt mit der Geschäftsstelle steht", berichtet Vorsitzende Ulla Menzel.
"Alles in allem hat das gut geklappt und mir ist nicht bekannt, dass es bei uns im Sportbetrieb zu einem Corona-Ausbruch kam." Das bestätigte die stellvertretende Vorsitzende und Geschäftsführerin Carmen Burk: "Corona-Vorfälle sind uns keine bekannt. Hier wurde durch die Hygienekonzepte sehr vorbildlich gearbeitet und gut vorgebeugt."
2150 Mitglieder
Trotz Pandemie seien die Mitglieder "im Großen und Ganzen treu geblieben", so Menzel. Nach Angaben von Burk hat der Verein zurzeit etwa 2150 Mitglieder. Vor einem Jahr seien es noch 2320 gewesen. Sorgen bereitet Burk, dass die Zahl der Neueintritte deutlich zurückgegangen ist. In den Vorjahren hätten sich die Austritte durch Neueintritte wieder relativiert, "das fällt in diesem Jahr völlig weg". Von mehr Austritten als in den Vorjahren könne man dagegen nicht sprechen.
Sportzbetrieb nur online
Den Einzug des Beitrags muss der Verein nach Angaben der Geschäftsführerin machen, denn es handle sich um einen Mitgliedsbeitrag und nicht um einen Beitrag, um Sport zu treiben. Sportbetrieb findet laut Burk momentan nur online statt.
Viele Abteilungen und Trainer motivierten die Mitglieder mit Trainingseinheiten von zu Hause aus. "Hier bekommen wir viel positives Feedback und sind sehr froh, dass sich unsere Ehrenamtlichen so engagieren", betont die Geschäftsführerin. Zudem habe der Verein Angebote von Fitness und Gesundheit, die online laufen, für alle Mitglieder geöffnet.
Burk hat nach eigenen Worten Angst, "dass den Ehrenamtlichen irgendwann die Luft ausgeht. Wir hatten schon in den letzten Jahren Probleme damit, Trainer, Übungsleiter und andere Funktionäre zu finden." Sie hoffe, "dass nach der Pandemie noch alle mit an Bord sind".
Ohne Lobby
Burk findet es sehr ärgerlich, "dass der Breitensport in der Politik so unter den Tisch fällt beziehungsweise kaum eine Lobby hat". Sport sei wichtig zur Gesunderhaltung. Kinder und Jugendliche brauchten Bewegung, Sport stärke auch das Immunsystem.