Jana Endres ist 16 Jahre alt, besucht das Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium in Lohr, singt in der örtlichen Singgruppe und engagiert sich beim Kinderturnen des örtlichen TSV. Viele Jahre war Jana als Ministrantin aktiv, ihre große Leidenschaft ist das Klettern beim Deutschen Alpenverein.
Was sich zunächst wie die Biografie eines gewöhnlichen Teenagers liest, verbirgt jedoch eine beeindruckende Geschichte. Denn Jana Endres stammt aus Vietnam und ist ein Adoptivkind. Mit vier Monaten kam sie nach Urspringen zu ihren Adoptiveltern Heidi und Manfred Endres.
Beste, was mir passieren konnte
„Das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin froh, dass meine leibliche Mutter diese Entscheidung getroffen hat, denn dort in Vietnam müsste ich vielleicht betteln“, erklärt Jana offen. Sie weiß um ihre Geschichte und die Beweggründe ihrer leiblichen Mutter, die sie bis heute „Bauchmama“ nennt.
Die damals 26-jährige Vietnamesin, die bereits einen Sohn im Alter von fünf Jahren hatte, entschied sich dafür, ihre Tochter zur Adoption freizugeben, weil sie sich in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage befand und keine sichere Arbeit hatte. Sie wollte, dass ihre Tochter eine gute Ausbildung und Zukunftsperspektive bei den Adoptiveltern erhält. Sie lebten in Ho Chi Minh City, dem früheren Saigon, der zweitgrößten Stadt Vietnams, in äußerst ärmlichen Verhältnissen. Der leibliche Vater lehnte die Tochter ab.
Mehrere Jahre um Adoptivkind bemüht
Für Heidi Endres und ihren damaligen Ehemann Manfred ein Glücksfall. Nachdem sie gut eineinhalb Jahre vorher bereits ihren Sohn Tom in Vietnam adoptiert hatten, machte Jana im März 2000 das Familienglück perfekt. Bereits mehrere Jahre hatte sich das Ehepaar Endres um ein Adoptivkind bemüht. Vom ersten Gespräch beim Jugendamt in Karlstadt bis zur Adoption des mittlerweile 17-jährigen Tom vergingen rund drei Jahre. Letzten Endes erfolgreich waren die beiden, weil sie sich nach Jahren vergeblichen Wartens an eine internationale Vermittlungsstelle in Bielefeld wandten, auf die sie durch eine Fernsehsendung aufmerksam geworden waren.
„Die Dame sagte, sie würde uns gerne persönlich kennenlernen und könne uns helfen. Auf meine Frage, wie lange die Adoption dauert, antwortete sie: So lange wie eine Schwangerschaft“, erinnert sich Heidi Endres an die ersten Gespräche. Und tatsächlich: Nach einem knappen Jahr, nach einer schier endlosen Dokumentenflut und Gesprächen, kam der lang ersehnte Anruf. Das Ehepaar flog nach Vietnam, gab die Papiere bei den Behörden ab, um dort die Adoption einzuleiten. Hierbei kam es auch zu einem kurzen „Erstkontakt“ mit dem Kind.
Nach zwei Jahren war Adoptionsvorgang durch
Danach flogen Heidi und Manfred Endres, entsprechend der gängigen Praxis, wieder nach Hause. Um nach sechs Wochen erneut nach Asien zu fliegen, beim Gericht die letzten Formalitäten für den Adoptionsvertrag zu erledigen und anschließend ihr Kind in die Arme zu schließen und endgültig mit nach Hause zu nehmen. Zurück in Deutschland, erfolgten noch die Formalitäten für die deutsche Nachadoption. Exakt zwei Jahre nach Janas Ankunft war der Vorgang endgültig abgeschlossen.
Heidi Endres erklärt, dass ihr die „offene Adoption“ wichtig gewesen sei. Eine offene Adoption bedeutet, die neue Familie erfährt von den Beweggründen der leiblichen Mutter, lernt diese eventuell sogar kennen und weiß, dass die Freigabe aus freiem Willen geschieht. Ein Anliegen war es Heidi Endres von Beginn an, dass ihre Kinder den Kontakt zu ihrer jeweiligen leiblichen Mutter pflegen, stets wurde das Thema Adoption offen in der Familie kommuniziert. Mit Hilfe einer aus Vietnam stammenden und in Hanau lebenden Freundin hält die Urspringerin bis heute Briefkontakt mit den leiblichen Müttern ihrer Kinder.
Mit eben dieser Freundin Kim reisten Heidi, Jana und Tom vor sechs Jahren zu den leiblichen Müttern nach Vietnam und lernten dort auch ihre leiblichen Väter kennen. „Die Reise war keineswegs spaßig, sondern sehr emotional. Die leibliche Mutter von Jana hat bis heute große Schuldgefühle“, berichtet Heidi Endres über das kurze Treffen. „Ich finde gut, dass wir drüben waren und ich nun weiß, wo ich herkomme. Eine enge Bindung habe ich aber nicht zu ihr“, gibt Jana, die bei dem Besuch gerade einmal zehn Jahre alt war, offen zu.
Sie vergleicht das Verhältnis zu ihrer leiblichen Mutter mit dem zu einer Tante, zu der sie wegen der großen räumlichen Distanz keinen Bezug hat. Dennoch war die damalige Reise wichtig für sie. „Dadurch ist für mich alles abgerundet. Ich weiß, ich gehöre hierher und meine Mama ist meine Mama – fertig“, erklärt die 16-Jährige selbstbewusst, mit einem liebevollen Blick zu Mutter Heidi. Und dies, obwohl Jana wegen ihres Äußeren auch schwierige Zeiten erlebt hat. Am Marktheidenfelder Gymnasium kam es wegen ihrer Herkunft zu Anfeindungen. „Hauptsächlich deshalb habe ich damals die Schule gewechselt“, erklärt die Schülerin mittlerweile gelassen.
Mutter Heidi hat die Entscheidung nie bereut
Ebenso wie Tochter Jana mit ihrem Leben zufrieden ist, hat auch Mutter Heidi die Entscheidung nie bereut. „Jana und Tom sind meine Herzenskinder“, sagt die Adoptivmutter mit leuchtenden Augen. „Die Adoption der beiden ist das Beste, was ich jemals gemacht habe.“
"Auf sechs Eltern kommt eine Vermittlung"
Interview Klaus Weihbrecht, Landratsamt Main-Spessart, zum Thema Adoptionen
In Main-Spessart kümmert sich das Landratsamt um Adoptionen. Im Interview erläutert Klaus Weihbrecht, Sachbearbeiter im Amt für Jugend und Familien und zuständig für Adoptionen, wo genau die Kinder herkommen, die hier vermittelt werden, wie viele das pro Jahr sind und wie lange eine Vermittlung dauert.
Klaus Weihbrecht: Da muss man differenzieren. Ehepaare, die sich für ein Kind aus dem Landkreis bewerben, sind es etwa drei bis fünf pro Jahr. Paare, die sich um ein Kind einer Internationalen Vermittlungsstelle bemühen, sind es zwei bis drei pro Jahr. Für diese Paare führen wir vom Jugendamt die Prüfung durch. Kontinuierlich gibt es auch Stiefeltern-Adoptionen, wenn beispielsweise die Frau wieder geheiratet hat, das Kind zum leiblichen Vater keinen Bezug hat und der neue Partner das Kind adoptieren möchte. Von diesen Fällen haben wir etwa fünf bis acht Stück pro Jahr.
Weihbrecht: Eventuell zwei oder aber auch gar keines. Man geht von einem Verhältnis von 1:6 aus, das heißt, auf sechs überprüfte Eltern kommt etwa eine Vermittlung.
Weihbrecht: Zunächst kommen die Kinder aus dem Landkreis Main-Spessart. Wir haben aber auch eine Kooperation mit dem Landkreis Miltenberg, dem Landkreis Aschaffenburg und der Stadt Aschaffenburg. Vor ein paar Jahren gab es in Aschaffenburg ein Findelkind, für das dort keine passenden Eltern zur Verfügung standen. Dies wurde dann zu uns vermittelt.
Weihbrecht: In der Regel sind es kleine Kinder, oftmals direkt nach der Geburt. Ältere Kinder kommen eher in Pflegefamilien.
Weihbrecht: Wenn jemand einen Antrag stellt, dauert es etwa neun Monate, bis die ganzen Formalitäten erledigt sind, wie Führungszeugnis, ärztliches Attest und Hausbesuche. Wenn dieser neunmonatige Prozess abgeschlossen ist und festgestellt wurde, dass das Paar geeignet ist, setzen wir es auf eine Warteliste. Da hier, wie bereits erwähnt, das Verhältnis 1:6 besteht, ist es ein Glücksfall, wenn es zur Vermittlung kommt.
Gibt es eine Altersgrenze für die Paare?
Weihbrecht: Als Orientierung haben wir die Altersobergrenze von 40 Jahren Abstand vom Kind zum ältesten Elternteil.
Weihbrecht: Die allgemeine Entwicklung ist deutschlandweit eher rückläufig.
Informationen rund um das Thema Adoption in MSP gibt bei Klaus Weihbrecht unter Tel. (0 93 53) 793-3501oder per Email Klaus.Weihbrecht@Lramsp.de
Vermittlung von Adoptionen in Deutschland
In Deutschland dürfen nur die Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter, die zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter und die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen freier Träger Adoptionen vermitteln.
Adoptionsvermittlungsstellen prüfen, ob Eltern und Kinder zusammenpassen
Sie überprüfen, ob Bewerber den spezifischen Bedürfnissen eines Adoptivkindes gerecht werden können. Dazu werden unter anderem Persönlichkeit, Gesundheit, Erziehungsvorstellungen, Wohnverhältnisse und wirtschaftliche Verhältnisse geprüft.
Umgekehrt werden auch die persönlichen Umstände eines Kindes in die Prüfung einbezogen, wie deren Alter und die bisherige Entwicklung.
Die Dauer eines Adoptionsvermittlungsverfahrens ist unterschiedlich.
Die Eignungsprüfung durch das örtliche Jugendamt dauert in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten.
Hierzu müssen die künftigen Adoptiveltern noch verschiedene Unterlagen einreichen. Dazu gehören beispielsweise ein Auszug aus dem Familienbuch, Geburtsurkunden und polizeiliche Führungszeugnisse. Vo