Die Spessartrampe, die legendäre steile Bahnstrecke zwischen Laufach und Heigenbrücken, und der alte Schwarzkopftunnel haben ausgedient. An Christi Himmelfahrt sind dort die letzten Dampfzüge gefahren, an Fronleichnam nun die letzten Züge im Regelbetrieb. Die Spessartrampe, auf der bei schweren Güterzügen zusätzlich zur Lok eine oder sogar zwei Schiebeloks notwendig waren, wird ersetzt durch eine neu gebaute, zweigleisige, rund sieben Kilometer lange Umfahrung des Schwarzkopftunnels.
Überall an den Gleisen stehen in den letzten Tagen Eisenbahnfreunde, um die letzten Fahrten zu fotografieren und dokumentieren. „Die stehen sogar auf den Gleisen“, stöhnt Lokführer Uwe Schröder, „und können einen ganz schön erschrecken, wenn sie plötzlich aus dem Gebüsch springen.“ Inzwischen hätten die meisten aber Warnwesten an. Beim Laufacher Bahnhofsfest Ende Mai habe die Bahnpolizei sogar welche von den Signalmasten holen müssen, erzählt Schröder, der das Fest mitorganisiert hat.
An Fronleichnam um 12 Uhr endete der Betrieb auf der Spessartrampe, die mit bis zu 21,7 Promille Steigung eine der steilsten Strecken in Deutschland war. Zum „Abschiednehmen“ hatten Anton Knapp, Pressesprecher der Deutschen Bahn in Bayern, und Uwe Gierhan von DB Cargo am Vortag eingeladen. Sie erklärten, dass schwere Güterzüge mit mehr als 1065 Tonnen „Zughakenlast“ den Berg zum Schwarzkopftunnel bei Heigenbrücken hinaufgeschoben werden mussten.
Der Arbeitsplatz von Lokführer Uwe Schröder wiegt 118 Tonnen, die sich auf sechs Achsen verteilen, und hat 8100 PS. Es ist eine Lokomotive der Baureihe 151, gebaut Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Fast ohne Unterbrechung sind er und sein Kollege Thomas Reinhardt heute bergauf und bergab unterwegs mit den beiden Lokomotiven. Als ob die Disponenten nicht glauben wollen, dass ab Montag auf der neuen Umfahrung alles viel besser funktioniert. Seit Fronleichnam wird die neue Strecke in Heigenbrücken und in Laufach an die alten Gleise angeschlossen. Der Schwarzkopftunnel wird außer Betrieb genommen.
Zeitgewinn trotz längerer Strecke
„Das ist zwar knapp acht Kilometer länger“, erläutert Uwe Gierhan, jedoch betrage die Steigung nicht mehr als 12 Promille. Durch den Wegfall des Schiebens und eine höhere erlaubte Geschwindigkeit ergebe sich eine Zeitersparnis. Außerdem müsse man den „Intermodalverkehr“, zum Beispiel von Containern, nicht mehr über andere Strecken umleiten.
Auf Gleis 1 am Laufacher Bahnhof wartet ein 534 Meter langer Zug. „Wenn man von oben in die Waggons reinschaut, sehen die erst mal aus, als sei gar nichts drin“, kennt Thomas Hanna-Daoud sich aus. Weil das geladene Eisenerz so schwer sei, dürften die nur halb voll geladen werden. Um die 3480 Tonnen den Berg hochzubekommen, bedürfe es deshalb auch zweier Schiebeloks, „das gibt es nur hier“. Er ist Redakteur einer Eisenbahn-Zeitschrift und darf an diesem Mittwoch-Nachmittag auch auf dem Führerstand mitfahren.
Schröder rangiert seine Lokomotive an den Güterzug heran. Mehrmals pro Fahrt, bei jedem Fahrtrichtungswechsel, muss er den Führerstand wechseln, über einen schmalen Gang durch den Maschinenraum, vorbei an Aggregaten und Batterien. Zwischen der Schiebelokomotive und dem Güterzug wird keine feste Verbindung hergestellt.
Seine Lok und die seines Kollegen kuppelt Schröder jedoch aneinander, verbindet die Druckluftschläuche für die Bremsen. „Und hier ist die Schiebelok“, meldet er sich über Funk beim Fahrdienstleiter. Auch dessen Arbeitsstelle wird ab Donnerstagmittag nicht mehr benötigt. Heute jedoch prüft er noch, ob die Strecke frei ist und gibt den nun drei Lokführern den Befehl zum Losfahren. Der Lokführer der hinteren Schiebelok muss dabei zuerst „Leistung aufschalten“, dann ist die zweite Schiebelok an der Reihe. „Wir müssen hinten mehr schieben, als vorne gezogen wird“, erläutert Schröder. Die beiden Lokomotiven an der Zugspitze sind meist so aneinander gekuppelt, dass sie nur von einem Steuerstand gemeinsam geführt werden.
Viadukt „überlebt“ Stilllegung
Langsam setzt sich der Zug in Bewegung und verlässt den Bahnhof Laufach. Nach kurzer Fahrt ist der Ortsteil Hain im Spessart erreicht. Nur von unten zu bestaunen ist der imposante Viadukt, der die B 26 überspannt. Als Bauwerk wird er die Streckenstilllegung überstehen, dank Denkmalschutz.
Mit ungefähr 60 Kilometern pro Stunde geht es weiter die Spessartrampe hinauf. Nur selten erlaubt es die Streckenführung, dass man von der hinteren Lokomotive auch die an der Spitze sieht.
Kurz vor dem Westportal des Schwarzkopftunnels ist der „Brechpunkt“ der Steigung erreicht. Die beiden Schiebeloks werden gebremst, der Güterzug fährt mit eigener Kraft weiter und entschwindet im Tunnel, die kleine helle Stelle an dessen Ende erst verdeckend und dann wieder freigebend.
Die Portale des Schwarzkopftunnels stehen unter Denkmalschutz, sie werden ebenfalls erhalten bleiben, während der Tunnel selbst verfüllt wird. Auch das Ausweichgleis vor dem Tunnel wird nicht mehr benötigt. Dort können die Schiebeloks warten, wenn eine sofortige Rückfahrt nicht möglich ist, weil ein anderer Zug die Strecke benötigt.
Diesmal jedoch geht es gleich mit Schwung den Berg hinunter. Ein Warnsignal ertönt, „mit 80 Sachen überschreiten wir die vorher vorgegebene Höchstgeschwindigkeit“. Thomas Reinhardt drückt den Knopf für die nächsthöhere erlaubte Stufe, damit der Zug nicht zwangsgebremst wird. Während er nach dieser Fahrt Feierabend hat, geht es für Uwe Schröder mit einem weiteren Güterzug gleich wieder den Berg hinauf.
Und morgen? Arbeitslos werden die beiden nicht. „Wir warten schon sehnsüchtig darauf, dass die hier nicht mehr gebraucht werden“, scherzt Uwe Gierhan. Zu tun gebe es bei der DB Cargo auch an anderen Stellen.