Jagdpächter Hubert Helfrich hat einen Anruf erhalten. Ein Landwirt will seine Wiese mähen. Daher durchsucht er zusammen mit seinen Söhnen und dem Hund Tesco das Feld, ob sich darin frisch geborene Rehkitze verstecken. Und er baut Scheuchen auf. Diese sollen die Rehgeiß beunruhigen, so dass sie sich ein anderes Versteck für ihren Nachwuchs sucht. „Das hat sich bewährt“, sagt er.
Dass man selbst ein Kitz beim Durchstreifen der hochgewachsenen Wiese findet, ist selten. „Die sind so klein“, sagt Helfrich. „Vielleicht gerade mal 20 Zentimeter groß.“ Und sie ducken sich bei Gefahr. Daher sind sie kaum zu entdecken und dies wird ihnen zum Verhängnis, wenn der Mäher kommt. „Sie haben keine Chance.“ Um die Kitze zu retten, hat Jagdpächter Helfrich mit den Landwirten in seinem Revier eine Vereinbarung getroffen, dass er benachrichtigt wird, bevor eine Wiese gemäht wird. Schließlich wollen sie auch keine toten Tiere in ihrem Futter haben.
Der Hund Tesco, eine Schwarzwild-Bracke, ist ganz entspannt, als wir im Abstand von einigen Metern die Wiese durchstreifen. Er schnüffelt mal hier, mal dort, aber eine Spur von Wild scheint er nicht aufzunehmen. „Rehe interessieren ihn eigentlich nicht“, sagt Daniel Helfrich, der ihn an der Leine führt. Der Hund ist auf Wildschweine abgerichtet. Aber trotzdem ist es gut, dass er dabei ist. Er verbreitet seinen Geruch. Eine Muttergeiß wird die Umgebung nun als feindlich empfinden.
Dazu dienen auch die Scheuchen, die die beiden Söhne von Jagdpächter Helfrich in großem Abstand voneinander aufbauen. Ähnlich wie bei einer Vogelscheuche sollen diese die Wiese für Rehe ungemütlich machen. Nach dem Mähen werden sie wieder abgebaut.
Die Rehgeiß versteckt ihre Kitze gerne im hohen Gras. Da sind sie am sichersten, wenn sie selbst unterwegs ist. Füchse können sie dort nur schwer finden, weil der Geruch der Kitze noch nicht so ausgeprägt ist. Dafür droht eben die Gefahr durch die Mäher. Richtig wäre es, wenn die Landwirte eine Wiese von innen nach außen mähen würden, sagt Helfrich. Inzwischen sei es vielerorts so, dass Lohnunternehmen mit ihren großen Maschinen mit 40 Sachen über die Wiese rasen. Wenn ein Tier erfasst wird, sieht man das meist am nächsten Tag am Aufkommen von Krähen an der betreffenden Stelle.
Alle Scheuchen sind aufgestellt, gefunden haben wir kein Kitz. Hätten wir eines entdeckt, dann hätte Helfrich mit viel Gras in beiden Händen das Kitz in ein angrenzendes Feld gesetzt, das nicht gemäht wird. „Die Mutter findet es dann schon“, sagt er. Auf keinen Fall solle man es mit nach Hause nehmen. Das sei alles schon passiert.
Wo ein Kitz ist, ist meistens noch ein zweites. Denn die Rehgeiß bringt bei einem Wurf in der Regel immer zwei Kitze auf die Welt – selten nur eins oder drei. Etwa die Hälfte kommt durch, sagt Helfrich. Die größten Gefahren seien die Füchse, aber auch die Auskühlung wegen schlechten Wetters.
Im nächsten Jahr will er bei der Wiesenfelder Grundschule fragen, ob dort Schüler bereit sind, ihm bei der Kitzrettung zu helfen. Ein Motto dafür hat sich eine Nachbarkreisgruppe schon überlegt: „Kid for Kitz“ sei doch ein gut klingender Slogan.
Die Redaktion will in diesem Jahr in loser Folge über die Arbeit der Jäger berichten. Dazu wollen wir Hubert Helfrich im Laufe des Jagdjahres begleiten. Das Jagdjahr hat im April begonnen.